219

Fingerzeige zum gesunden Leben.

2. Unsere Wohnungen.

( Fortsetzung.)

Von H. V.

Wegen der häufig großen Verschiedenheit der Verhältnisse läßt sich auch für die zum Austrocknen eines Neubaues erforder­liche Zeit kein allgemein giltiges Maß angeben; je nach der Lage und Beschaffenheit des Bodens und des Baumaterials und der Jahreszeit ist diese sehr verschieden. Erst wenn auch im Innern des Mauerwerks aller Aegfalt des Mörtels in Kohlensäuren Kalf umgewandelt ist, kann die Austrocknung als sicher beendet betrachtet werden. In zweifelhaften Fällen ist dies durch einen chemischen Versuch festzustellen.

Die Trockenheit der Wohnhäuser wird auch durch das Vor­handensein von Kellern befördert. Daher empfiehlt sich die Anlage von Kellern für jedes Wohnhaus. Hingegen muß es Hingegen muß es entschieden als ein Verstoß gegen die Anforderungen der Gesund­heitspflege bezeichnet werden, wenn die Kellerräume als Wohnräume benutzt werden. Zur Aufbewahrung von Vor­räthen sind die Keller ihrer fühleren Temperatur wegen gewiß ganz geeignet, nicht aber zu menschlichen Wohnungen.

"

Die Unmöglichkeit, die Luft in den Kellerräumen so sicher zu erneuern, als es für Wohnungen nothwendig ist, und die Erd­ausdünstungen vollständig von denselben abzuhalten, wird durch feine Empfehlung ganz gesunder Souterrainwohnungen" be­seitigt. Der hohe Wasserstand des diesjährigen Frühjahres hat zudem die Existenz so vieler Kellerwohnungen in einer Weise gefährdet, daß die Vertheidiger der Zulässigkeit der Keller zu Wohnräumen immer mehr verstummen müssen. Nicht nur, daß hier epidemische Krankheiten sich vorzugsweise einnisten, an Kraft gewinnen und sich weiter verbreiten, daß hier alle Erkrankungen leicht einen typhösen Charakter annehmen und langsamer heilen: die ganze Lebenskraft leidet überhaupt Schaden, allgemeine Schwäche und frühzeitige Hinfälligkeit stellen sich ein. Die Einen rafft der Typhus oder die Schwindsucht hin, die Andern wirft Gelenkrheumatismus erwerbslos auf's Lager, und die Kinder ver­fallen der Mehrzahl nach den Stropheln oder der englischen Krankheit.

In großen Städten theilen die Kellerwohnungen die Gesund heitswidrigkeit mit den Dachwohnungen, jedoch mit dem Unter­schiede, daß Dachwohnungen nicht an sich gesundheitswidrig sind, sondern es nur bei der großen Höhe von vier oder fünf Treppen, der engen Bauart und der verdorbenen Luft der Großstädte werden. In kleineren Städten und in Dörfern, wo vielfach auch ein- oder zweistöckige Häuser mit Mansardenwohnungen eingerichtet sind, sind dieselben, wenn sonst durch geeignetes Bedachungs­material vor Eindringen der Nässe und zu großer Hiße geschützt, keineswegs ungesund. In Städten jedoch, wie Berlin  , wo alle Miasmen aus dem ganzen Hause durch die Closetröhren hinauf in die höchste Wohnung, sehr oft direkt in die Wohnstube, ge­leitet werden, wo die sonst schon mit Arbeit überbürdeten ärm­lichen Bewohner die Entfernung der festen Abfallstoffe wegen der großen Höhe gewöhnlich nicht sehr schnell besorgen können, wo die wohlthätige Einwirkung der Pflanzenwelt gleich Null ist und wo deshalb die Luft jeglichen Ozongehalts entbehrt, werden diese Wohnungen zu den ungesundesten, die überhaupt existiren.

Trotz alledem haben die Keller- und Dachwohnungen in großen Städten furchtbar überhand genommen. Während die ein- und zweistödigen Häuser jedes Jahr abnehmen, haben sich 3. B. in Berlin   die vier- und fünfstöckigen und mit Keller­wohnungen versehenen Häuser in der Zeit von 1864-67 um 50 Prozent vermehrt. Die Zahl der Kellerwohnungen war in Berlin   bis Dezember 1875 auf 23,200 gestiegen, so daß un­gefähr der neunte Theil aller Bewohner Berlins   in Kellern wohnt. Bei einer so großen Zahl der Kellerwohnungen und bei ber Noth, die viele Menschen haben, nur überhaupt eine Woh­nung zu bekommen, ist der dem Einzelnen gegebene Rath, eine

so ungesunde Wohnung zu verlassen, ganz nußlos; denn gibt auch Einer die feuchte und ungesunde Kellerwohnung auf, weil ihm seine Gesundheit zu lieb ist, so gibt es genug Andere, die wieder hineinziehen und nicht davor zurückschrecken, daß sie der gleichen Krankheit mit Sicherheit anheimfallen. Hier wäre allein ein gesetzliches Verbot des Beziehens aller Keller- und aller über drei Treppen hoch belegenen Wohnungen im Stande, wirk­lichen Erfolg zu haben.

Zur nothwendigen inneren Einrichtung einer zweckmäßigen Familienwohnung gehört, daß sie aus mehreren Räumen be­steht. Die gleichzeitige Benutzung desselben Raumes als Wohn­und Schlafzimmer und zum Kochen und Waschen macht die Erhaltung einer reinen Luft in derselben völlig unmöglich. Das Kochen, Waschen u. s. w. führt der Luft immer eine Menge Ungehörigkeiten zu, die besonders für schwächliche Konstitutionen auf die Dauer nachtheilig werden müssen. Namentlich wenn kleine Kinder in der Familie sind, würde eine direkte Lüftung des Raumes, in welchem sich dieselben befinden, bei schlechter Witte­rung bald heftige Erkrankungen zur Folge haben. Da jedoch eine zeitweilige Lüftung nothwendig ist, indem die Luft in einem geschlossenen Wohnraum durch das Athmen und die Ausdünstungen der darin befindlichen Menschen, durch brennende Lampen 2c. fort­während verdorben wird, so kann sie dann ohne Nachtheil nur in der Weise ausgeführt werden, daß die Kinder, so lange das eine Zimmer gelüftet wird, in ein anderes gebracht werden. Steht nun aber nur ein Zimmer zur Verfügung, und unterbleibt infolge dessen die Lüftung, so muß die unvermeidliche Verschlech­terung der Luft früher oder später für Groß und Klein schlimme Folgen haben. Es treten dann zwar nicht so häufig Schnupfen und Heiserkeit ein, aber weit gefährlichere Krankheiten, wie Schwämme, Diphtheritis, Asthma, Flecktyphus 2c. nach dem Alter und Geschlecht der Familienglieder das Vor­handensein einer besonderen Schlafstube oder von zwei Schlaf­stuben schon in Rücksicht auf das Sittlichkeitsgefühl der Familien­glieder nothwendig.

Auch ist je

Für die einzelnen Wohnräume kommt in gesundheitlicher Be­ziehung hauptsächlich ihre lichte Höhe, ihr kubischer Inhalt und die Größe der zugehörigen Fensterfläche in Betracht. Jeder Wohnraum ist ein abgeschlossener, beschränkter Raum; auf die in demselben befindliche Luft ist der Mensch zum Athmen angewiesen. Je enger die Wohnung ist, desto schneller verdirbt die Luft. Damit nun die Lufterneuerung gehörig vor sich gehen kann, ist es nöthig, daß ein gewisser Luftraum auf jeden Zimmerbewohner kommt. Die Commission des logements insalubres( Kommission der ungesunden Wohnungen) in Paris   verlangt als geringstes Maß für jede Person 14 Kubikmeter. Jedes einzelne Zimmer muß wenigstens 40 Kubikmeter Raum und eine lichte Höhe von wenigstens 2,6 Meter( 8 Fuß) haben. Doch muß bei Zimmern, welche nach engen Straßen oder Höfen zu gelegen sind, diese Höhe und Weite noch angemessen gesteigert werden.

Es genügt jedoch nicht, die Größe für die einzelne Wohnung festzusetzen; denn in der größten Wohnung kann verdorbene Luft herrschen, wenn nicht für genügende Erneuerung der Luft durch Lüftung gesorgt ist. Zwar ist der Verschluß jeden Wohnraumes nie so vollkommen, daß nicht ein gewiffer Luftwechsel auch bei geschlossenen Thüren und Fenstern stattfindet, sowohl durch Spalten wie durch die Poren des Mauerwerks; aber dieser Wechsel genügt nicht für einen bewohnten Raum. Hängeböden und Alkoven können daher nie genügend gelüftet werden. Ein genügender Luftwechsel kann stets nur durch direkte Kommunikation mit der Außenluft bewirkt werden, also durch Fenster. Ebenso kann das für das Wohlbefinden der Bewohner gleichfalls so noth­wendige Licht nur durch die Fenster Zugang finden.

( Fortseßung folgt.)