einzurechnen sind. Die Noth zwingt freilich die Menschen viel­fach, sich mit einem geringern Raum zu begnügen. Bei der im Jahre 1867 in Deutschland   vorgenommenen Volkszählung mußten in den großen Städten 10,2 von 100 Wohnungen als über­völfert bezeichnet werden. Und hier war kein so hohes Maß als in Paris   angenommen. In Berlin   allein war in demselben Jahre die Zahl der Wohnungen ohne besondere Küche schon auf 12,281 gestiegen. Die hohen Miethpreise schieben die Menschen immer mehr zusammen und zwingen sie, mit einem immer engeren Raum vorlieb zu nehmen. Es nisten sich dann solche schlechte Gewohnheiten ein, wie mehrschläfrige Betten, das Uebereinander stellen der Bettstellen, das Schlafen auf den Dielen 2c. Die fleißigsten, rechtschaffensten Menschen müssen sich oft mit einem kleineren Raum begnügen, als er den Insassen der überfülltesten und daher auch keineswegs gesunden Gefängnisse gewährt wird. Während auf diese doch mindestens ein Luftraum von 8 Kubik­metern gerechnet werden muß, findet man oft Arbeiterfamilien von drei Erwachsenen und vier Kindern in einer dunkeln, feuchten Schlafkammer eingepfercht, welche Jedem nur 3-4 Kubikmeter Raum gibt; oder sie schlafen in der dunstigen Stube, in welcher den Tag über an einem schadhaften Ofen gekocht, gewaschen und getrocknet wird, und deren Fenster im Winter nie geöffnet werden.

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Und den Tag über müssen sie die durch Staub und Ausdünstungen verunreinigte Fabrikluft athmen. verunreinigte Fabrikluft athmen. Ja Fälle, wie Dr. Schwabe in seinem statistischen Jahrbuch anführte, daß z. B. eine sich noch zum Mittelstande rechnende Familie in ihrer aus Stube, Kammer und Küche bestehenden Wohnung an nicht weniger als zwölf Personen männlichen und weiblichen Geschlechts Schlafstellen ver­miethet hat-sind gar keine Seltenheit. Diese Menschen sind dann so zusammengedrängt, wie die Auswanderer auf dem Zwischen­deck mancher Auswandererschiffe. Aber während die Behörde hier wenigstens auf die Innehaltung einer gewissen Grenze hält, findet sie keine Veranlassung, sich um den Wohnraum der in der Hei­math Gebliebenen zu kümmern. Ebenso schlimm wie dieses zusammengewürfelte Schlafstellenleben ist die Benutzung einer Wohnung von mehreren Familien zugleich. Die Reinhaltung einer solchen Wohnung stößt auf unüberwindliche Schwierigkeiten, die Sittlichkeit kämpft ohnmächtig gegen diese Entwürdigung, und die Gesundheit--? Zwar hat die Gewohnheit bereits das Schreckliche der außerordentlichen Sterblichkeit namentlich der kleinen Kinder verwischt, da dieser Massenmord" etwas Alltägliches geworden ist. Aber zuweilen regt sich doch das Menschenbewußtsein in uns, daß es der Natur der Dinge nach anders, besser sein müßte. ( Fortsegung folgt.)

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Aus der alten und der neuen Welt. Auf Ruinen.

Heisa lustig! Denn das Bersten, Rieseln, Säuseln hört ihr nicht, Höret nicht das leise Knistern, Das doch so vernehmlich spricht. Wenn auch morsch die alten Säulen, Faul der Boden, trüb' das Licht, Wenn auch der Parfüm der Fäulniß Prickelnd in die Nase sticht.

Heisa lustig!

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Auf Ruinen

Lacht und tanzt ihr hochgeschürzt Ei, was thut es, wenn der Plunder Auch sammt euch zusammenstürzt!

Ada Christen  .

Hungrige Spatzen( s. Seite 224). Haare lassen" heißt es im Leben gar oft, wenn man nach Brot geht, und das Risiko der Arbeit ist ja manchem unserer Leser ein nur allzubekanntes Ding. Auch an dem kleinen grauen Proletarier unter den deutschen   Vögeln", dem Spaß auf unserm Bilde, hat sich dies Haare lassen" in lebensgefähr lichster Weise bewahrheitet. Der Schnee bedeckt Feld und Bäume und der Brotsuchende geht mit seinem Kameraden vor die Häuser und an die Heerstraße. Er ist zwar ein fluger, gewißigter Gesell, aber sein diplo­matisches Talent ist doch nicht so ausgebildet, daß er hinter jeder Brot­frume herzlose Spekulation wittert. Er hat Hunger. Verlangend und

neugierig piept und hüpft er vor dem verhängnißvollen Fangeisen herum, das freilich für eine andere Haut berechnet ist. Seine kommunistische Weltanschauung verleitet ihn zu dem Glauben, daß eine gütige Menschen­hand dem armen Wandersmann hier eine Mahlzeit bereitet habe. Sein Gefährte jedoch, ein mißtrauischer Agitator, hat die Maschine vorsichtig betrachtet und ihn gewarnt, daß er nicht um jeden Bissen hineinspringe in eine so geheimnißvolle Wohlthätigkeitsanstalt. Umsonst. Mit dem Muthe des Hungers hüpft er heran und kehrt mit dem Schwänzchen den Schnee hinweg, um den Bissen besser erlangen zu können. Klapp! Die Maschine schließt ihren Rachen und entsegt huscht der arme Bursche fort, dicht vor dem Tode dahin. Freilich muß er sein Bestes, sein Steuer, als Opfer lassen und die Strafpredigt seines Be­gleiiers mit in den Kauf nehmen. Siehst du," ruft dieser erschreckt und ärgerlich aus, hab' ich dir's nicht immer gesagt, daß es Thorheit ist, um jeden Hungerbissen sein Leben dranzusehen?!"." Das ist das Risiko der Arbeit," antwortet philosophisch der hungrige Gerettete und seit­her hört man's alle Spaßen von den Dächern pfeifen: Wer nach Brot gehen muß, muß Haare lassen."

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p.

Die Büste der Freiheitsgöttin( s. Seite 225), modellirt von Gustave Courbet  , der sie zu Vevey   in Bronze gießen und voriges Jahr auf einem öffentlichen Brunnen in La tour de Peilz   bei Vevey auf­in dank­stellen ließ, mit der Widmung: Hommage à l'Hospitalité barer Anerkennung der von dem Communeflüchtling genossenen Gast­freundschaft, hat eine Höhe von vier Fuß, und das trefflich gelungene Kunstwerk beweist, daß der Bildner Courbet sich vor dem Maler Courbet  nicht zu schämen braucht.

Mit nächster Nummer beschließt die ,, Neue Welt" das zweite Quartal, und wir können unsern Lesern die Mittheilung machen, daß der Bestand des Unternehmens gesichert ist. Mehr als 17,000 Abonnenten hat sich das Blatt während eines halben Jahres erobert, ein Erfolg, der unsere Erwartungen zumal in der jetzigen geschäftslosen Zeit weit übertroffen hat und den schlagendsten Beweis liefert, daß ein Blatt wie die Neue Welt" wirkliches Bedürfniß ist. Wohl wissen wir, daß zu diesem Erfolge die Freunde unsrer Sache ein Wesentliches beigetragen haben; wir rechnen nach wie vor auf deren fräftigste Unterstüßung. Wir selbst werden nach Kräften dahin wirken, daß unser Blatt die Aufgabe, welche es sich gesteckt hat: ein Bahnbrecher zu sein für das Wahre, Gute und Schöne, immer besser erfülle. Sicherlich wird es so dem vereinten Streben gelingen, im Laufe der Zeit aus dem bescheidenen Anfang wahrhaft Großes zu schaffen. Sorge also Jeder, daß wir noch im Laufe dieses Jahres ein gut Stück vorwärts kommen! Hunderttausend Leser für die Neue Welt"!- das muß unser Aller Ziel sein. Also an's Werk!

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Die geehrten Post- Abonnenten ersuchen wir um rechtzeitige Bestellung, welche mindestens zwei Tage vor Ablauf des Quartals zu erfolgen hat; in diesem Falle liefert die Poſt das Blatt zum gewöhnlichen Preise von 1 M. 20 Pf.- Verspätete Bestellung liegt vor, wenn bereits Nummern des Quartals erschienen sind, und erhebt die Post in diesem Falle 10 Pf. Nachbestellgebühr( den sog. Straf- Groschen), hat dann aber alle Nummern vollständig zu liefern. Aeltere Nummern oder Quartale besorgt die Post gegen Zahlung des Preises. Die Verlagshandlung ist im Stande, alle bis jezt erschienenen Nummern wie ganze Quartale nachzuliefern. Der Abonnent hat das Recht, jede Nummer vollständig und rechtzeitig zu verlangen. Ist eine Nummer von der Post nicht geliefert, vom Abonnenten aber rechtzeitig reklamirt worden, so muß die betr. Postanstalt sie ihm nachliefern. Dieselbe hat kein Recht zu Ausreden irgendwelcher Art, wie z. B.: die Nummer sei nicht eingegangen 2c., und wolle man sich vorkommenden Falls durchaus nicht von der Reklamation abhalten lassen, da die Leipziger  Postamts- Zeitungsexpedition jede berechtigte Reflamation erfüllt. Die Verlagshandlung, deren Verpflichtung mit einmaliger Ablieferung an die Post erfüllt ist, kann den Postabonnenten einzelne Nummern nur gegen Einsendung von 25 Pf.( incl. Frantirungsporto) liefern. Redaktion und Verlagshandlung.

Berantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig.  -Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .