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alle Militärangelegenheiten der Stadt zustanden, mit der Frage angehalten:„ Warum dieser Einzug ohne Anzeige, Bewilligung und Befehl?" ,, Ereifern Sie sich nicht, mein lieber Major", entgegnete ihm Davel ,,, es ist eine kleine Revue ich werde Sie gleich von Allem unterrichten." Unter Trommelwirbel marschirt er weiter durch die Straßen zur Terrasse der Kathe drale hinauf, wo er seine Truppen, lauter junge, wohlgebildete und entschlossene Leute, in vier Gliedern, Gewehr bei Fuß, aufstellt. Im Besitz dieser wichtigen Position war Davel Herr der Stadt. Jetzt ersuchte er den Kontroleur, das nöthige Quartier für seine Leute zu beschaffen. Ich selbst", schloß er ,,, werde bei Ihnen wohnen." Von Crousaz, Davel's ehemaliger Waffengefährte, erwiderte, daß der Magistrat schwerlich in die Quartierung seiner Leute willigen würde, bevor er nicht von seinen Absichten unterrichtet sei. Nicht mehr als billig", antwortete Davel, ich bin im Begriffe, mich zu dem Zwecke nach dem Stadthaus zu begeben; aber zuvor bewilligen Sie mir eine Privatunterredung." Der Kontroleur war damit einverstanden, und begleitet von seinen beiden Hauptleuten begab sich Davel an den bezeichneten Ort, wo inzwischen der Schatzmeister Milot, der in Abwesenheit des Bürgermeisters den Vorsitz im Stadtrath führte, die Mitglieder der Zweihundert hatte zusammenrufen lassen. Die Soldaten blieben auf der Plateforme der Kathedrale zurück, von den neugierigen Massen umringt.
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Als Davel in das Stadthaus trat, begegnete er Milot; er grüßte ihn als alten Freund und lud ihn gleichfalls zu der Privatunterredung mit den Worten ein: Dieses Schriftstück wird Sie besser von Allem unterrichten." Stumme Bestürzung war die Folge dieser Lektüre. Was sollten Sie einem so entschlossenen Manne, der an der Spitze von 600 Soldaten stand und im Besitz der wichtigsten Position der Stadt sich befand, erwidern? Sich für Davel erklären? Dieser Gedanke tam ihnen keinen Augenblick. Sie waren Geschöpfe Berns, durch ihre Stellung, ihre Gesinnung, mit ihrer Neigung, ihrem Ehrgeiz. Milot und Crousaz wußten ihrer Bestürzung bald Herr zu werden und wie auf Verabredung begannen Beide mit Davel eine leise Unterredung über die Mittel, den Plan der Befreiung durchzuführen. Davel ging bereitwillig darauf ein, besonders wandte er sich dabei an Crousaz, dem er die glänzendsten Aussichten auf Ehre und Reich thümer eröffnete, während er sich selbst nur die Arbeit und die Gefahr vorbehielt. Die schließliche Antwort Beider lautete dahin, daß sie das Gehörte dem Rathe mittheilen wollten. Beiden schien es unglaublich, daß Davel der einzige Träger eines so großartigen Planes sein sollte. Sie fürchteten Mitschuldige in der Stadt und im Rathe. Deshalb kamen sie überein, daß die Sigung der Zweihundert mit der Erneuerung des Unterthaneneides gegen Bern eröffnet werden sollte. So geschah es und darauf enthüllte der Präsident Milot Davel's Plan. Entsetzen ergriff die ganze Versammlung. Sobald die Aufregung sich gelegt, eröffnete Milot die Debatte, deren einstimmiger Entschluß dahin ging:„ daß der Mojor Davel vor den Rath der Zweihundert zu rufen sei, um aus seinem eigenen Munde die Bestätigung Dessen zu vernehmen, was er den Herren Milot und von Crousaz im Geheimen mitgetheilt habe; daß man ein wenig klug zuwerke gehen möge, um ihn nicht scheu zu machen und einen Handstreich seiner bewaffneten Leute zu vermeiden."
Inzwischen hatte Davel auch seinen beiden Hauptleuten das Manifest zu lesen gegeben, die, wie sie später erzählten,„ von dem außerordentlichen Vorhaben sehr ergriffen waren, aber aus Klugheit weder Widerwillen noch Zustimmung zu zeigen wagten." Auf des Majors Frage, was sie dazu sagten, antworteten sie, sie verständen nichts von alledem. In demselben Augenblicke wurde Davel abgerufen. Mit zuversichtlicher, freudiger Miene erschien er vor dem Rathe, der ihn wohlwollend empfing und ihm einen Sitz anbot. Davel schlug denselben aus, und mit warmer Stimme redete er stehend den Rath folgendermaßen an:
,, Edle, hochmögende und sehr geehrte Herren! Wir dürfen nicht länger zögern, ihren Excellenzen unsere Dankbarkeit für die
väterliche Sorge auszudrücken, mit der sie uns geleitet und regiert haben; wir würden uns des Mißbrauchs ihres Schutzes schuldig machen, ergriffen wir nicht die geeignete und wirksame Gelegenheit, sie derselben zu entheben; sie haben uns in Bezug darauf ihre Ermüdung und Langeweile gezeigt; es ist Zeit, daß wir emanzipirt werden und selbst an der eigenen Leitung zu arbeiten beginnen. Das ist der erste Grund der Bewegung, die ich begonnen habe und bis zu ihrer Vollendung zu verfolgen beabfichtige. Nehmen Sie, eble, hochmögende und sehr geehrte Herren, meine Entschuldigungen für vollwichtig, daß ich mit der Ausführung des Werkes Ihrer völligen und gänzlichen Befreiung bis jetzt gezögert habe: nicht Lauigkeit, Ihnen meine Dienste anzubieten, trägt die Schuld, sondern die Ungunst und Unsicherheit der Zustände. Es geziemte sich nicht, diese Schilderhebung in einer leichtsinnigen und übereilten Weise zu unternehmen; meine größte Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, keine Person dieses Landes dem Zufall preiszugeben, und bin ich in diesem ersten Schritte meines Unternehmens allein, wie Sie aus dem Erstaunen meiner eigenen Offiziere entnehmen können. Glücklicher und großer Tag, an dem wir ein solides Fundament unserer vollen, gänzlichen und sichern Befreiung von der Herrschaft Berns gelegt sehen, ohne Mitwirkung des Schwertes und des Feuers, die selbst dem Kühnsten das Gemüth aufregen! Ach! wohin ist diese unumschränkte und furchtbare Macht ihrer Ercellenzen geschwunden?! Ich suche sie und finde sie nicht mehr. Sie ist gestürzt für immer seit diesem Augenblicke, die Herrschaft des mächtigen Bern . Beistand hat sie nur von ihren deutschen Unterthanen zu erwarten, die, unserm Beispiele folgend, ihre Waffen gegen sie kehren werden. Darf sie auf Hülfe des Cantons Freiburg, ihres Nachbars , hoffen, der im höchsten Grade erzürnt ist? Wird ihr der Canton SoloHurn beistehen? Dieselben Gründe des Widerwillens werden Antwort geben. Der kluge und weise Canton Zürich wird seine Truppen nicht tollkühn in den Canton Bern senden, daß sie daselbst abgeschnitten und eingeschlossen werden, und weder vorwärts noch rückwärts können. Folglich werden wir beim ersten Versuch unsere Freiheit fest und unerschütterlich und ohne Blutvergießen errungen sehen. Schönster Augenblick meines Lebens, der mir die Ehre gönnt, Ihnen, edle, hochmögende und sehr geehrte Herren, zu Ihrer vollen und vollkommenen, gänzlichen und gesicherten Befreiung, die keine Furcht und kein Schrecken begleitet, Glück zu wünschen! Indessen dürfen wir es nicht versäumen, eine auserlesene Truppenmacht an die Grenzen zu senden, mit dem Befehl, einer allgemeinen Bewaffnung gewärtig zu sein. Ich erwarte nur die Zustimmung und Billigung dieses ersten Schrittes, edle, hochmögende und sehr geehrte Herren, wie von Ihnen mit dem Oberbefehl der Truppen bekleidet zu werden, welche man aus den anderen Städten des Waadtlandes ausheben wird, um mich in Person an die gefährlichsten Punkte zu begeben und Ihnen zu beweisen, daß mich, der ich dieses große Werk begonnen habe, nichts in der Welt von der Vollendung desselben abwendig machen wird. Ich breche hier ab, um Ihrer Einsicht die Erwägung alles Dessen zu überlassen, was unter den gegenwärtigen Umständen zu thun ist, wofür wir zum würdigen Schlusse den Segen des Himmels erflehen wollen."
Dieser klaren, mit Ironie gewürzten Rede, die wahrlich in feinem Worte einen schwärmerischen Geist verräth, folgte die Verlesung des Manifestes:
,, Edle, hochgeborene und souveräne Herren!
Ein Augenblick sorgfältiger Aufmerksamkeit und ernsten Nachdenkens über Ihr Benehmen gegen das Waadtland muß Ihnen von selbst die Ueberzeugung aufdrängen, daß Sie in Ihrer Ungleichheit, Ihrem Dünkel und Ihrer tyrannischen Regierung die Ursachen des Verlustes Ihrer Oberhoheit über das Waadtland zu suchen haben, welches entschlossen ist, nie mehr in Zukunft irgendeinen Ihrer Befehle anzuerkennen, und daß weder Drohung noch Versprechen, welcher Art sie seien, diesen Entschluß ändern werden.
( Fortsetzung folgt.)
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