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Major Davel.
Eine biographische Skizze aus der Schweizergeschichte des vorigen Jahrhunderts.
( Fortsetzung.)
Keine Ahnung stieg in ihm auf, daß sein Plan gerade in sollte ihm der Oberbefehl über sämmtliche Truppen übergeben dem Punkte scheitern sollte, auf den er vertraute; daß gerade werden und von Crousaz sein Lieutenant sein. Gegen diefen die Demoralisation, aus der er seine Landsleute retten wollte, kehrte er auch in dieser Unterredung die materiellen Vortheile die Stimme der Freiheit, an die er appellirte, erstickt hatte. Es heraus, die ihm sich bieten würden und versprach, seinen Vater, bedurfte anderer, gewaltigerer Ereignisse, um den Sinn der Un- der damals Bürgermeister von Lausanne war, zum Generalabhängigkeit aufzurütteln; erst dem Feuer der Französischen Schatzmeister des Waadtlandes zu machen. Einigen Bedenken des Revolution gelang es, die Schlacken der Entwürdigung auszu- Controleurs hielt er seine Popularität, seine Kriegserfahrungen brennen und die in Selbstsucht gesonderten Elemente in Eins zu und den Umstand entgegen, daß er die Leute lediglich von der schmelzen. Seite ihrer Interessen bei dem Unternehmen zu betheiligen suche. Die Abschaffung des Zehnten und anderer schwer drückenden Abgaben müßten sie ihm gewinnen.
treten.
Der offizielle Beschluß des Rathes bestätigte Davel in seiner hoffnungsvollen Sicherheit. Es ward ihm Alles versprochen; seine Leute sollten logirt werden, nichts ihnen mangeln. Vier Rathsherren waren ernannt, um mit ihm in Verbindung zu Am folgenden Tage sollte von Crousaz über das Contingent von Lausanne Revue halten und die geeigneten Truppen zu einem weitern gemeinschaftlichen Schritte mit ihm aussuchen. Für diesen Abend aber bot ihm und seinen Offizieren die Stadt ein Festmahl an. Doch der geheime Beschluß der Zweihundert ging dahin, daß der Controleur von Crousaz alle militärischen und sonst erforderlichen Maßregeln ergreifen sollte, um die Rebellion zu ersticken und daß der Nath von Severy augenblicklich mit der Botschaft Dessen, was sich in Lausanne zutrage, und der Ergebenheitsversicherung der Zweihundert nach Bern abreisen sollte. Für die Sache der Freiheit hatte sich keine Stimme im Rathe erhoben und Diejenigen, die in der Angelegenheit des Consensus sich gerade am schärfsten gegen Bern ausgesprochen hatten, waren jezt am eifrigsten, ihr Entsetzen über diesen Rebellen und ihre Unterthänigkeit gegen Ihre Ercellenzen auszudrücken." Es waren eben die Doktrinäre der Freiheit, die stets als deren Vorboten auftauchen und die von der Bewegung unter die Füße geworfen werden.
In aller Stille hatte der geheime Beschluß der Zweihundert inzwischen seine Früchte getragen; Crousaz hatte seine verdienstvolle Thätigkeit begonnen und 30-40 Mann unter dem Befehl eines Lieutenants in das Schloß geworfen, das sich hinter der Kathedrale auf derselben Höhe erhebt, und seine Boten durchflogen die Dörfer seines Militärbezirks, um soviel Mannschaften als möglich zu versammeln und während der Nacht vor die Thore der Stadt zu führen. Die Bewachung derselben ward den Bürgern anvertraut. Was aber eigentlich im Werke sei, wußte außer den Betheiligten Niemand. Davel's Truppen, die man im Einverständniß mit ihrem geliebten Führer fürchtete, wurden soviel als möglich bei ihrer Einquartirung zerstreut; ihren Offizieren wies man in den entgegengesetzten Vorstädten Wohnungen für die Nacht an.
Bei dem Festmahl war man sehr heiter, mit Ausnahme Davel's, der seiner Gewohnheit gemäß sehr mäßig aß und trank. Um 10 Uhr zog er sich mit seinem Wirthe, dem Controleur von Crousaz, in dessen Wohnung zurück, wo sie bis Mitternacht in eifrigem Gespräche zusammenblieben. Davel ergänzte in dieser Unterredung, was noch über seinen Plan zu sagen war. Lausanne sollte das erforderliche Geld vorschießen und sich von der ersten Beute bezahlt machen. Schon im Schlosse hoffte er genug zu finden. Die Truppen sollten am folgenden Morgen einen doppelten Sold erhalten und einige Detachements abgeschickt werden, um die Steuerkassen und die Kassen der Salinen in Beschlag zu nehmen, während er mit Crousaz nach Moudon marschiren wollte, um es da wie in Lausanne zu machen. Von Guminen aus sollte dann das Manifest und sein Sendschreiben an die Städte des Waadtlandes erlassen und ein Bevollmächtigter an Freiburg , das er seinem Vorhaben nicht abgeneigt glaubte, gesandt werden. Ueber die Form der neuen Regierung hatte er nicht nachgedacht; dazu hoffte er noch Zeit zu finden. Vorläufig
Crousaz gab Dem, was er später einen lächerlichen Plan nannte, seine Znstimmung und die Waffenfreunde trennten sich für den Rest der Nacht. für den Rest der Nacht. Eine Stunde später war bereits ein Brief des Controleurs nach Bern unterwegs, worin er ihren Excellenzen die Versicherung gab, sie dürften sich beruhigen, Davel würde in einigen Stunden verhaftet, seine Truppen entwaffnet sein. Die zitternde Handschrift desselben verräth die Aufregung des Schreibers.
Die beorderten Milizen waren mittlerweile vor den Thoren von Lausanne angekommen. Um vier Uhr ließ von Crousaz sie herein und in Verbindung mit den Truppen der Stadt die wichtigsten Plätze besetzen, während Davel's Soldaten, die ebenso wenig wie jene wußten, was alles Dieses zu bedeuten habe, sich auf ihre Posten vom vorigen Tage begaben. Zur selben Zeit traten die Herren Polier von Bottens und Gaudard von Binci in Davel's Wohnung ,,, um die weitern Maßregeln zu berathen." Der Major, schon in voller Uniform, ließ sich gegen sie in gleicher Weise wie gegen Crousaz aus. Er sprach davon, direkt auf Moudon zu marschiren und auf ihre Frage, was er dort beab= sichtige, antwortete er:„ Dasselbe was in Lausanne : die Truppen aufbieten, und da Herr Tacheron, der Major jenes Militärbezirks, gegenwärtig in Morges sein muß, so will ich ihn auf der Stelle ersuchen, sich mit mir hier in Lausanne zu verbinden." Er ergriff die Feder und schrieb sofort. Kaum hatte er den Brief geschlossen und den Rathsherren zur Beförderung übergeben, als die Meldung kam, daß die Truppen unter den Waffen ständen. Von den Rathsherren und seinen Hauptleuten gefolgt, eilte er hinab und schwang sich auf sein Pferd. In demselben Augenblicke trat ihm der Stadthauptmann, Major Descombes, an der Spitze seiner Compagnie mit den Worten entgegen: Herr Major, Sie sind mein Gefangener."
,, Sie sind im Irrthum, mein Herr," antwortete Davel . Doch die Mienen der Rathsherren verriethen ihm das Gegentheil. ,, Wie, meine Herren," rief er, hat der Rath seine Meinung seit gestern geändert?"
Die Herren gaben eine ausweichende Antwort; noch jetzt suchten sie ihn zu täuschen.. Als man ihn aber darauf hinderte, mit seinen Hauptleuten zu sprechen, da erkannte er, wie die Sachen standen.
,, Ich sehe wohl," rief er ,,, ich werde das Opfer dieses Handels sein! Aber gleichviel, er wird meinem Vaterlande wenigstens einigen Vortheil bringen."
Mit diesen Worten gab er seinen Degen ab und folgte der Wache, die ihn auf Umwegen nach dem Schlosse brachte. Gegen sieben Uhr Morgens langte er dort an. In seinen Mienen war keine Bewegung zu lesen und weder die wüthenden Vorwürfe, mit denen man ihn nun überhäufte, noch die Ketten, mit denen man ihm Hände und Füße beschwerte, noch daß man ihn zwang, seine reinliche Kleidung gegen Lumpen zu vertauschen, die man eben auf dem Trödelmarkt gekauft hatte, vermochten seine stoische Ruhe zu erschüttern. Das Gefängniß, welches Davel angewiesen erhielt, war wohl vergittert. Zum Ueberfluß ward er noch mit