ihr Pob. Sie ist ein Symbol des Herrlichsten, Beseligenden und Erhebenden im Leben. Doch wie dieses nicht rein und un­getrübt dem Sterblichen zutheil wird, so ist es auch mit der Rose, die den verwundenden Dorn unter ihrer Pracht und Schön­heit verbirgt. So soll uns auch die Rose ein Zeichen und Bild der Wechselfälle des Lebens sein, sie soll uns stets die warnende Mahnung nahe legen, selbst auch im Genusse mäßig und weise zu sein, wie ein indischer Spruch dies so schön zum Ausdruck bringt: Wenn du deinen Wunsch erreicht hast, so frohlocke noch nicht; siehst du nicht, wie der Dorn in dem Augenblicke, in welchem man die Rose bricht, den Finger verwundet?" Ist das nicht derselbe Grundgedanke, der auch in unserm urdeutschen Mahnrufe: Keine Rose ohne Dornen!" uns entgegentritt? Aber dennoch dürfen wir uns an der Rose erfreuen, wie unsere Ur­väter. Noch heute gilt das, was der große Ariosto einst von ihr sang:

Ihr huld'gen Erd' und Fluth und Westgekose, Ihr scheint das thau'ge Morgenroth zu glüh'n; Verliebte Mädchen wünschen, holde Knaben

Zum Schmuck für Brust und Stirne sie zu haben."

Es ist selbstverständlich, daß eine so allverehrte Pflanze und Blume auch eine bis in's tiefste Alterthum reichende Kultur haben muß. Schon in der indischen Mythologie werden gefüllte" Rosen genannt. Wischnu findet seine Gemahlin Latschmi in einer Rose von 108 großen und 1008 fleinen Blättern. Auch die griechische Mythe kennt in dem herrlichen Garten des Midas   in Macedonien sechzigblätterige Rosen von außerordentlichem Duft und lieblicher Farbenpracht. Die eigentliche Liebhaberei ist aber von Aegypten   aus nach Rom   gekommen und von hier aus in alle den Römern tributpflichtigen Länder verbreitet worden. Plinius  , der kurze Zeit vor Christi Geburt lebte, beschreibt schon vier Rosenarten, die heut noch in Griechenland   und Italien  

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zu finden sind. Es ist aus der Beschreibung nicht mehr ganz deutlich zu ersehen, welche unserer heutigen Arten, der Vater der Naturgeschichte" im Auge hatte, doch ist es sehr wahrscheinlich, daß er- wie Fraas in seiner ,, Flora classica" meint unter dem Namen Rosa cynosbatus die immergrünende oder Kletterrose( von Linné R. sempervirens genannt) versteht, die unter den wilden Rosen in Griechenland   und Süditalien   die verbreitetste ist. Wie Leunis bemerkt, ist es diese Rose, die namentlich von den Bewohnern von Megara zur Bereitung des von den Alten so geschätzten Rosenwassers benutzt wird, und von welcher die beliebte Bisamrose von Cyrene in Afrika   eine Spielart ist. Ferner nennt Plinius   unsere Heckenrose, die zwar Griechenland   felten, dagegen in ganz Italien   sehr häufig zu finden ist. Auch die Bibernellrose war den Alten bekannt, ebenso die Zuckerrose, welche nach Fraas von der Gartenrose( Centi­folie) nicht unterschieden wurde. Letztere war die Lieblingsrose der Alten, von der man auch schon zehn Spielarten kannte, als deren älteste Sorte die weiße gilt. Außerdem hatte man jedoch schon eine schwefelgelbe, eine dunkelgelbe, eine hellrothe, eine solche mit brennendem Roth 2c. Als die am frühesten blühende Spiel­art nennt Plinius   eine aus der reizenden italienischen   Landschaft Kampanien  , während die zuletzt blühende aus Präneste( dem heutigen Palestrina) kam. Ueber das eigentliche Vaterland dieser schönen Rosenart finden wir leider bei den Alten keine zuver­lässigen Nachrichten, und auch dem Forscherfleiß unsrer Zeit ist es noch nicht gelungen, dieses mit Bestimmtheit zu entdecken. Von einigen Forschern wird das östliche Gebiet des Kaukasus  und Persien   genannt, während Kurt Sprengel   Schirwan für ihre ursprüngliche Heimath angibt, von wo sie nach Italien   ge­kommen sein soll. Von hier aus wurde sie durch die Kriegs­züge der siegreichen Römer in alle Länder gebracht und errang sich bald die Gunst aller Blumenfreunde. Wegen ihrer schönen Rosen war namentlich die Insel Rhodus   im Alterthum hoch­berühmt. ( Schluß folgt.)

Ein Briefdieb.

Eine wahre Erzählung von Emil König. ( Fortsetzung.)

Kalab benutzte indessen die Lade nicht lange in der ange­gebenen Weise; er zog es vor, die Ablieferungen von Fall zu Fall zu bewirken und die Packete nicht erst in die Lade zu schieben. Dadurch kam letztere außer Gebrauch und wurde von den Be­amten nicht weiter beachtet.

Eine Reihe von Jahren war Kalab bereits in der angegebenen Weise thätig. Er hatte sich mit jedem Dienstzweige genau ver­traut gemacht, zeigte sich stets eifrig im Amte, unterwürfig gegen Höherstehende und war jederzeit bereit, seine Kollegen zu ver­treten. Besonders häufig erbot er sich, an Sonn- und Feier­tagen des Nachmittags für Andere den Frankodienst am Schalter

zu verrichten.

Die Liebe seiner Kollegen genoß Kalab nicht. Er benahm Er benahm sich unfreundlich gegen sie, machte sich lustig über etwaige Ver­sehen und suchte sich durch öftere Denunziationen bei den Oberen einzuschmeicheln. Das gelang ihm in vollem Maße. Er stahl sich in das Vertrauen seiner Borgesetzten und erwarb sich bei ihnen den Ruf eines sehr brauchbaren Beamten, den ein Vor­stand dem andern beim Wechsel als werthvolles Inventarienstück übergab und empfahl.

Kalab lebte sparsam und kleidete sich ärmlich. Er wohnte Er wohnte zwar seit einigen Jahren nicht mehr bei seinen Eltern, aber in feiner Weise sah man ihn Aufwand machen. In seine Treue In seine Treue ſette man nicht den geringsten Zweifel. Allerdings kam es viel öfter, als früher vor, daß Briefe vermißt wurden. Es liefen zahlreiche Klagen ein, und, um endlich der Sache auf den Grund zu kommen, ersuchte die Behörde einzelne Privatpersonen, die Adressen ihrer Briefe, den Briefkasten und die Zeit der Aufgabe

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dem Vorstande vertraulich mitzutheilen. Der Vorstand des Brief­Aufgabeamtes war aber so schlau, seinerseits Kalab Musterbeamten vertraulich davon in Kenntniß zu setzen und ihn zu beauftragen, beim Sortiren nachzuforschen, ob die bezeich= neten Briefe vorhanden wären oder nicht. Natürlich gelang es unter solchen Verhältnissen Kalab jedesmal, die betreffenden Briefe zu finden.

Als zu Anfang des Jahres 1862 einer der beiden Kontro­leure erkrankte, wurde Kalab an seine Stelle gesetzt, und auch während dieser Vertretung bewies er Eifer und Umsicht. Er sette einige ältere Bureaudiener davon in Kenntniß, daß jezt wieder so ungewöhnlich viele Briefe verloren gingen, und wies sie an, da er doch die Augen nicht überall haben könne, auf die beim Sortiren thätigen Beamten Acht zu geben, namentlich dann, wenn er selbst an seinem Schreibtische beschäftigt und sie zu kon­troliren nicht im Stande sei.

Je mehr Kalab seinerseits seinen Mitarbeitern gegenüber den Aufsichtsbeamten herauskehrte, desto unbeliebter wurde er bei denselben. Es traute ihm zwar feiner eine Unredlichkeit zu, aber man bemerkte seine Eigenheiten, gelegentlich auch seine Unwiffen­heit, und machte sich darüber luftig.

Beim Sortiren der Briefe stand Kalab mit anderen Beamten am Sortirtische. Mit der linken Hand nahm er gewöhnlich eine größere Anzahl Briefe, suchte sie aus und legte sie dann auf den Tisch. Es fiel zwar auf, daß er häufiger als andere Beamte Briefe nicht auswarf, sondern in der Hand zurückbehielt; man glaubte indessen, daß er die Lage des Bestimmungsortes augen­blicklich nicht wisse und erst in einem Lexikon nachschlagen wolle.