Reichsschatzschein über 50 Gulden.

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Die Ergebnisse der Haus- schen Postvereinsgebiet nicht angehörigen Staaten, 24 Stück in außereuropäische Länder, 43,000 Briefe trugen 45- Kreuzer-, 400 Stück 10- Kreuzer- Marken.

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suchung sollten indessen noch vollständiger werden. Die Kommission nahm außer den bereits erwähnten Gegen­ständen noch etliche Sachen in Beschlag, die offenbar sozusagen das Handwerkszeug Kalab's bildeten: eine alte Scheere die eine Spitze war abgebrochen, der Griff mit einem Lappen um­wunden, sie trug die Spuren des täglichen starken Gebrauchs an sich; ein Glas mit aufgelöstem arabischem Gummi; endlich eine Broschüre ,,, Der Raubmörder Schmidt," die, wie der Augen schein lehrte, als Unterlage beim Auftragen von Gummi auf abgelöste Briefmarken gedient hatte.

Der in der Mitte des Zimmers befindliche eiserne Ofen war mit Asche von verbranntem Papier angefüllt; auch zwei große Papierbüten enthielten dergleichen Asche.

Unter der Bettstelle lag eine Quantität kleingespaltenes Holz, nach Angabe der Zimmerfrau Wazzula noch ebenso viel, als Kalab im Herbst zuvor sich für den ganzen Winter hatte auf­schichten lassen. Man konnte schon hieraus auf die Menge der Briefe schließen, die von Kalab vertilgt sein mußten; denn Briefe, nichts anderes als Briefe, waren sein Heizungsmaterial gewesen! Endlich fand man bei einer nochmaligen genauen Durchsuchung der von Kalab im Postgebäude benutzten verschlossenen Kästen seines Schreibtisches eine große Reisetasche mit 44 Briefpacketen und unter alten Reklamationsprotokollen mehrere Päckchen ab­gelöster und mit Gummi von neuem bestrichener Briefmarken. Sie waren zu 20 und 30 Stüd unter jene Protokolle einge­zwängt, um glatt gepreßt zu werden.

Nach diesen Haussuchungsresultaten kann man sich ein deut­liches und zweifellos richtiges Bild von Kalab's Thätigkeit ent­werfen: Beladen mit seiner Beute, eilt er Abends nach 8 Uhr in seine Wohnung, sein Laboratorium, öffnet dort beim Scheine der Kerzen ein Packet Briefe nach dem andern, beraubt die Briefe sodann ihres Inhalts, löst die Marken ab und heizt schließlich mit den ihm in riesiger Menge zu Gebote stehenden Papier­massen. Darauf ordnet er die in den Briefen gefundenen Geld­beträge nach ihrem Werthe in verschiedene Schachteln, rückt das Gummiglas zurecht und präparirt die Marken zu nochmaliger Verwendung. Zwischendurch liest er vielleicht einzelne der Billets, die er gefunden, sieht sich Photogramme an und räuchert mit Eau de Cologne  , wenn ihm der Geruch des verbrannten Papiers lästig wird.

Ob er wohl jemals daran gedacht haben mag, welche Wunden er dem öffentlichen Vertrauen, dem Geschäfts­verkehr, dem Familienleben täglich schlug, wie viele Verhältnisse er löste, wie häufig er über Menschen aus allen Klassen der Gesellschaft Sorge und Kummer brachte, wenn er an seine Kommode gelehnt, die von ihm ge­raubten und geplünderten Briefe zu Tausenden in den Ofen warf?

Die Postbehörde übergab Alles, was vorgefunden, dem k. k. Landgericht, welches gegen Kalab sofort die Kriminaluntersuchung

einleitete.

Zunächst aber entstand die überaus wichtige Frage, ob man die massenhaft in Beschlag genommenen Briefe zurückbehalten und durchsehen sollte, um festzustellen, welche Werthbeträge darin ent­halten und zu welchem Zeitpunkte sie unterschlagen worden waren, oder ob man es nicht den Betheiligten schuldig sei, die Briefe so schleunig als möglich an ihre Adresse zu befördern.

Die Rücksicht auf die Heiligkeit des Briefgeheimnisses und die Erwägung, daß die Zeit, wann Kalab den Briefdiebstahl begonnen, und die Größe seines Gewinns auch auf anderm Wege annähernd ermittelt werden könnte, bestimmte das Gericht, die Briefe schon am nächsten Tage dem Hauptpostamte zur Versen­dung zurückzugeben.

Zwanzig Postbeamte waren zwei volle Tage hindurch be­schäftigt, die Briefe zu zählen, den Markenwerth zu erheben und Zettel mit den Worten: ,, Unterschlagen gewesen und zu Stande gebracht" darauf zu kleben.

Die 1659 Padete enthielten 66,284 uneröffnete Brieje, deren Markenwerth 7943 Gulden 90 kr. betrug. Von den Briefen gingen 950 in's Ausland, d. h. nach den dem deutsch  - österreichi­

Nach Paris   waren 600, nach Graz 3000, nach Linz   1000 Stück Briefe bestimmt. Die Verlegenheit und der Arbeitszuwachs, den die gleichzeitige Ankunft so vieler Briefe den Postanstalten und insbesondere den Briefträgern verursachte, waren nicht gering. Das tägliche Kontingent von Briefen von Wien   nach Paris   war zu jener Zeit z. B. 300, nach Graz 600, nach Linz   etwa 200, und nun kamen Mitte April etwa zwei Tage hintereinander in Paris   600, in Graz 3000, in Linz   1000 Stück Briefe aus Wien   allein mehr an. Es leuchtet ein, daß dies in Graz, Linz  und ähnlichen Orten großes Aufsehen erregen und viele Mehr­arbeit beim Austragen der Briefe verursachen mußte.

Eine noch schwierigere Aufgabe war es, die bereits von Kalab eröffneten Briefe zu versenden.

Wir haben bereits erwähnt, daß man 799 solcher Briefe und 1655 leere Briefumschläge bei ihm fand. Die letzteren reprä= sentirten einen Markenwerth von über 200 Gulden, so daß sich mit ihrer Hinzurechnung die Gesammtzahl der von Kalab unter­schlagenen und bei ihm noch entdeckten Briefe auf mindestens 58,000 Stück in einem Gesammtmarkenwerthe von 8200 Gulden erhöhte.

Die Postbeamten waren eifrigst beslissen, die zu den Briefen gehörigen Kouverts zu suchen. Es gelang dies auch bei 555 Stück, obwohl wir die Garantie nicht übernehmen möchten, daß nicht doch mitunter ein Brief in ein unrichtiges Kouvert geschoben worden und so an eine unrichtige Adresse gelangt ist.

Es blieben nur noch 244 Briefe, zu denen die Kouverts fehlten, und 1100 Kouverts, zu denen keine Briefe mehr vor­handen waren, übrig. Diese Briefe, fast in allen bekannten Sprachen geschrieben, wurden durchgesehen; in dreißig derselben war eine Einlage von etlichen Gulden erwähnt, und es ergab sich daraus, daß Kalab sein niederträchtiges Gewerbe schon seit Jahren betrieben hatte.

Von den vorgefundenen Photogrammen stellten etliche dreißig bekanntere, mit einem öffentlichen Charakter bekleidete Personen dar, bezüglich der übrigen konnte man durch Vernehmung der Photographen wenigstens den größten Theil der Absender ermitteln.

Mit Hülfe der Buchhändler und Autoren wurden 78 Stück Broschüren und Bücher als Kreuzbandsendungen erkannt und den Eigenthümern wieder zugestellt. Kalab hatte die Kreuzbandein­schlüsse ohne Auswahl entwendet. Es waren darunter Gesang­bücher, zwei Kochbücher, zwei armenische Kalender, ein Militär­dienstreglement, juristische, medizinische, militärische Bücher, von einzelnen nur etliche neue Lieferungen, Gedichte, dramatische Werke, mehrere Manuskripte, welche die Dichter entweder selbst oder durch Agenten an Bühnendirektoren zur Prüfung eingesendet hatten.

Bei 14 Kreuzbandsendungen blieben die Absender unbekannt. Am schwierigsten war es, Diejenigen ausfindig zu machen, welche die bei Kalab gefundenen 500 Billets geschrieben hatten. Nur 12 davon wurden von der Behörde erforscht, 488 Billets mußten, weil man nicht in Erfahrung bringen konnte, von wem sie her­rührten, in gerichtlichem Gewahrsam behalten werden.

Daß Kalab für alle abhanden gekommenen Briefe allein verantwortlich zu machen war und sein dunkles Metier ohne jede Konkurrenz betrieben hatte, ergab sich sofort daraus, daß von mehr als 50 bei der Post reklamirten Briefen die Hälfte als von Kalab unterschlagen nachgewiesen und ein Dritttheil noch vorgefunden wurde.

Von großer Wichtigkeit für die Ermittelung des Umfangs der Unterschlagungen Kalab's waren die um die Packete gewickelten Umschläge. Kalab hatte hierzu meist Korrespondenzblätter( Brief­karten, wie man sie in Deutschland   nennt) benutzt, mittels welcher, wie schon erwähnt, die Landbriefe( respektive die von den Post­anstalten aus der Umgebung Wiens) unter Angabe des Tages der Expedition an das Centralpostamt abgeführt wurden.

Gegen 14 solcher mit dem Datum versehener Korrespondenz­blätter waren vorhanden, deren Zusammenstellung das klarste Bild von dem riesenhaften Maßstabe der Briefvernichtung bot. Die