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drückte, zu stürzen; er hatte zu dem Zwecke Truppen ausgehoben| Davel gehegt hat, so entscheidet der souveräne Rath, da die und war mit den Waffen in der Hand ergriffen worden. Nach Genannten dieser Rebellion gänzlich fremd sind, daß dieselben den Rechtsbegriffen der ganzen Welt war dies Hochverrath und gleich nach der Hinrichtung des genannten Davel freizulassen sind Aufruhr, ein Verbrechen, das noch durch die schwarze Sünde des und ihnen für die erlittene Haft eine Schadloshaltung gewährt Undanks gegen seine Wohlthäter" vermehrt wurde. Genügten werden soll." allgemeine Rechtsbegriffe, das Verbrechen zu konstatiren, so ließ sich ja wohl auch eine Strafe dafür nach Analogien finden. Die Anklage betrat auch wirklich diesen Weg, indem sie den Mangel einer Strafe für diesen Fall mit der schönen Phrase umschrieb: „ Die Gesetzgeber konnten sich ohne Zweifel nicht denken, daß unter einem Volke, welches unter einer wahrhaft väterlichen Regierung lebte, Unglückliche und Feinde ihres eigenen Wohls sich finden würden, diese abzuschütteln und eine die Anarchie erstrebende einzuführen..... Die Gesetzgeber folgten dem Beispiele jenes Alten, der keine Gesetze gegen den Vatermord erlassen wollte, weil er keinen Menschen desselben fähig glaubte."
Leider war diese Phrase ebenso unwahr wie wohllautend. Es hatte in den vorhergehenden Jahrhunderten nicht an Versuchen gefehlt, die Herrschaft Berns abzuschütteln, und Bern hatte die Theilnehmer derselben mit Güterkonfiskation und dem Tode bestraft.*) Doch wozu das eigene Kriminalrecht mit Beil, Galgen und Rad verunstalten, wenn es in der Geschichte einen Ravaillac 2c. gab? In Basel hatte man den Urheber einer Verschwörung geföpft, in England gehängt und geviertheilt. Auf diese Beispiele gestützt, lautete denn der Strafantrag des Prokurators dahin: daß Davel den Händen der hohen Justiz überantwortet werden sollte ,,, um an den Ort der Todesstrafe geführt zu werden und dort, nachdem er Gott wegen seiner Sünden und seinen Souverän wegen des frevelhaften Attentats gegen denselben um Verzeihung gebeten habe, aufgehenkt und erwürgt, sein Körper geviertheilt, und an den Orten, die ihre Excellenzen geeignet finden würden, ausgestellt zu werden; sein Vermögen zu Gunsten des Gesetzes zu konfisziren."
Davel hatte der ganzen Verhandlung mit Seelenruhe und würdevollem Anstande beigewohnt. Jetzt erhob er sich, grüßte die Richter achtungsvoll und kehrte in seinen Kerker zurück. Er machte feinen Versuch, das Mitleid des Gerichtshofs anzuflehen. Auf sein Schicksal gefaßt, verzichtete er auf das Recht der Vertheidigung.
Der Spruch der Richter lautete mit Einer Stimme gegen alle:„ Abhackung der Hand durch den Henker, Enthauptung, wegen alle: ,, Abhackung Revolution und Rebellion, versucht gegen die gerechte Herrschaft ihrer Excellenzen, und Konfiskation des Vermögens." In der Begründung des Urtheils führt der Gerichtshof gleichfalls an, daß zwar kein Gesetz die verhängte Strafe ausspreche; allein er glaube, gegen einen Verbrecher, der 1) den Eid der Treue gegen seinen Herrn gebrochen, 2) das in ihn gesetzte Vertrauen als Chef seines Militärdistrikts gemißbraucht, 3) die vielgetreue Stadt Lausanne zum Abfall zu verleiten gesucht, 4) durch seine Schilderhebung und sein Manifest des schwärzesten Undanks sich schuldig gemacht, 5) den Staat und sein Vaterland den verderblichsten Unordnungen ausgesetzt habe gegen einen solchen Verbrecher glaubte er, nach dem Beispiele anderer Länder, nicht gelinder verfahren zu dürfen.
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Der Rath der Zweihundert in Bern bestätigte dieses Urtheil jedoch nicht. Willkürlich wie die Anklage in ihrem Strafantrage und die Richter in ihrem Spruche, beschloß in der Sitzung vom 21. April:
,, Der Schultheiß u. s. w. In Erwägung, daß T. D. A. Davel weder im Lande noch außerhalb desselben Mitschuldige habe, foll ihm der Kopf durch das Schwert vom Rumpf getrennt, sein Kopf als Erempel an den Galgen genagelt und sein Körper am Fuße desselben begraben werden. Was die Hauptleute von Crousaz und von Clavel, den Oberlieutenant Gerber, den Major Tacheron und den Burgvogt Bourgeois von Ollon anlangt, gegen den man einigen Berdacht des Einverständnisses mit dem Rebellen
*) So 1588, als der Bürgermeister von Lausanne und dessen Sohn eine Verschwörung gestiftet hatten, um den Kanton wieder unter die Herrschaft Savoyens zu bringen.
Die Vollstreckung des Urtheils ward auf Sonnabend, den 24. April, anbefohlen. 24. April, anbefohlen. Auffallend ist, daß Bern grade einen solchen Tag wählte; denn an den Sonnabenden finden die Wochenmärkte in Lausanne statt, die stets von den Landleuten außerordentlich zahlreich besucht werden. Noch auffallender aber wird diese Wahl dadurch, daß man die gewöhnliche Richtstätte für die Erekution bestimmte. Es war dies ein sandiger und sumpfiger Platz, nicht weit von der Straße nach Genf ab, am Ufer des Sees, wo einst das alte Lausonium der Helvetier gestanden haben soll. Wünschte Bern , des erschreckenden Beispiels halber, das traurige Schauspiel vor einem möglichst zahlreichen Publikum aufzuführen? Vielleicht! Allein der Hochmuth, dessen sich die Berner Patrizierregierung nach dem Villmerger Kriege schuldig machte, unterstützt wohl die Geschichtsschreiber des Waadtlandes in der Behauptung, es sei weniger darauf, als auf eine DeEinen Mann, der müthigung Lausannes abgesehen gewesen. wegen seines moralischen Charakters und seiner Frömmigkeit der allgemeinen Achtung genoß, den seine Stellung den höheren Klassen der Gesellschaft anreihte, einen politischen Verbrecher, der von der Menge, nicht dem rohen Haufen allein, schon als Märtyrer betrachtet wurde einen solchen Mann auf dem Richtplatz der gemeinen Verbrecher zu sterben verurtheilen, beweist entweder eine außerordentliche Kurzsichtigkeit oder einen Hochmuth, der aus Gleichgiltigkeit oder Absicht sich nicht scheut, Diejenigen, die eben für ihre Dienstwilligkeit einen Lohn verlangen, ihre Abhängigkeit fühlen zu lassen, ihre wie die Sympathien einer ganzen Nation zu verlegen, das Urtheil derselben gegen sich herauszufordern und mit allen seinen möglichen Folgen offenkundig zu verachten.
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Davel zweifelte feinen Augenblick, daß der Richterspruch auf Tod lauten würde. Nur hatte er gebeten, daß man ihm den= selben 24 Stunden vor der Exekution mittheilen möchte. Demgemäß erhielten zwei Geistliche den Auftrag, ihm die Todesbotschaft zu bringen. Wahrscheinlich hatte er dieselbe nicht sobald erwartet; denn der Geistliche, der ihm die Mittheilung machte, bemerkte eine flüchtige Ueberraschung. Davel hörte ihm aufmerksam zu und sagte dann: Sie bringen mir eine gute und angenehme Nachricht, Herr Prediger; ich unterwerfe mich freudig dem Willen des Herrn und betrachte es als eine außerordentliche Gnade Gottes, daß er mich gewürdigt, ihm mein Leben als Opfer darzubringen." Nach den näheren Bestimmungen des Urtheils erfundigte er sich nicht und die Prediger zögerten mit der Mittheilung derselben gegen eine halbe Stunde, um seine Geistesstärke zu prüfen. Endlich sagte ihm der Eine, daß er nicht viel zu leiden, daß er einfach enthauptet werden würde. „ Es ist wahr," antwortete Davel, ich habe Grund, Gott dafür zu danken; aber selbst, wenn er mich zu einer schwereren Probe berufen hätte, würde er mir auch dazu die nöthige Kraft verliehen haben."
Sie fragten ihn, ob er es wünsche, daß Geistliche abwechselnd die Nacht mit ihm zubrächten; allein er lehnte das Anerbieten ab. ,, Man ab. Man würde mir wahrscheinlich Stellen aus der Heiligen Schrift anführen, die mich in eine andere Stimmung, als in der ich mich befinde, versetzen würden," sagte er;„ Gott sei Dank, ich bedarf keines Trostes." Die Herren von Vionnens und Bergier bat er, ihn auf seinem letzten Gange zu begleiten. Das Lob, zu dem diese sein Heldenmuth hinriß, lehnte er bescheiden ab. Er verbrachte eine ruhige Nacht. Am folgenden Morgen empfing er den Besuch zweier Geistlichen und anderer Personen. Er unterhielt sich mit ihnen so unbefangen und froh, als ginge es zu einer Hochzeit, nicht zum Hochgerichte"; doch bat er sie bald, ihn zu verlassen. Einer von ihnen machte eine Bemerkung über das Schmachvolle seiner Todesstrafe.„ Warum," antwortete er ,,, warum
soll es mir peinlich sein, in Lausanne als Verbrecher gesehen zu werden, da unser Herr durch Jerusalem nach Golgatha zog, um dort neben zwei Verbrechern geopfert zu werden?"