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Ein Briefdieb.

Eine wahre Erzählung von Emil König.

( Fortsetzung.)

So bedeutend indessen die Früchte dieses verbrecherischen Treibens waren, so scheint doch die Beraubung der Briefe eine noch lukrativere gewesen zu sein, und es erleidet keinen Zweifel, daß Kalab, hätte man sein Treiben nicht endlich entdeckt, binnen kurzem zum reichen Manne geworden wäre. Ein Blick auf seine Vermögenslage wird dies beweisen.

Kalab war, wie uns bereits bekannt, von Haus aus blutarm und bezog einen äußerst niedrigen Gehalt. Als er den Staats­dienereid ablegen sollte, besaß er nicht einmal einen nur einiger maßen anständigen Rock; er mußte sich zu diesem Akte einen solchen leihen. Die vorgeschriebene Dienstkaution von 400 Gulden mußte er, da es ihm an Geldmitteln gebrach, von einem Dritten für sich stellen lassen.

Bald aber wurde es anders. Schon im Jahre 1856 kaufte er sich die schon erwähnte Uhr und Kette für 180 Gulden, 1857 die zwei Ringe für 90 Gulden, und gab für Möbel mehr als 100 Gulden aus. Gleichzeitig zahlte er, ohne darum ge­mahnt zu sein, die Kaution von 400 Gulden zurück und ergänzte dieselbe auf 600 Gulden.

Im März 1858 legte er unter der Chiffre A. C. K. und unter dem Namen ,, Adalbert" in zwei Sparkassenbüchern 3300 Gulden, im Juni wieder 700 Gulden, im August 600 Gulden, im Oftober 300 Gulden, im Februar 1859 sogar 1155 Gulden in die Sparkasse ein.

Vom Herbst 1859 an unterstützte er seine Eltern mit monat­lich 30 Gulden. Man rechnete ihm nach, daß er im Jahre 1860 4487 Gulden, 1861 5516 Gulden mehr ausgegeben als ein­genommen hatte.

Aber noch mehr!

Schon zu Anfang des Jahres 1856 ertheilte er einem Agenten Auftrag zum Ankauf von Grundeigenthum im Werthe von 20,000 Gulden, und am 3. November 1859 faufte er wirklich zwei Landhäuser im sogenannten Lumpazi- Dörfel in Hiezing.

sicht, ihn zum Erben einzusetzen, von einem Arzte, der die Erb­schaft erschleichen wollte, von ihren Reisen in die Schweiz und in Bäder, von ihren Liebhabereien und Seltsamkeiten so vieles mitzutheilen, daß seine Kollegen, als er bereits entlarvt war, noch immer die reiche Tante nicht für eine Fabel halten wollten. Häufig hatte er sich Urlaub zu Besuchen in Vöslau erbeten; aber niemals war er dort gewesen, er hatte vielmehr die freie Zeit dazu benutzt, seine Arbeitsleute in Hiezing zu beobachten, oder zu Hause, in seinem Laboratorium, bei seinem Briefschatze zu verweilen, Marken zu präpariren und Briefe zu berauben.

Unter seinen Papieren befand sich sogar ein Brief mit Trauer­rand, in welchem ihn die Tante von Bregenz aus bat, daß er sich nach Vöslau begeben und mit dem Grafen Pallavicini ge­wisse Geschäfte erledigen möchte. Den Brief hatte Kalab von einem Mädchen schreiben lassen, um daraufhin mehrere Tage be­urlaubt zu werden.

Wenn man bedenkt, daß Kalab niemals rekommandirte Briefe oder Fahrpostgegenstände unterschlagen hat( dazu war er zu klug, denn er wußte recht wohl, daß Poststücke mit deklarirtem Werthe einer genauen Kontrole unterliegen), so muß man sich allerdings darüber wundern, daß er so ungeheure Summen erworben hat. Nur durch die Unvorsichtigkeit des Publikums einerseits und die kolossale Menge der veruntreuten Briefe andrerseits läßt sich dies erklären. Es ist konstatirt worden, daß Beträge bis zu 100 Gulden ohne Werthangabe in gewöhnliche Briefe eingelegt worden sind, namentlich kamen Briefe an Dienstboten und Soldaten selten ohne einen Einschluß von 1 oder 2 Gulden an. Der italienische Krieg im Jahre 1859 dürfte eine ganz besonders reiche Beute geliefert haben; denn damals sandten Hunderte an die mit ihnen verwandten oder befreundeten Krieger Briefe, die je etliche Gulden enthielten.

Kalab suchte auch in dieser Beziehung sein Heil in frechem Lügen. Den Ankauf der Häuser konnte er freilich nicht leugnen, und die reiche Tante" vermochte ihn vor Gericht nicht zu retten. Man bedenke, daß Hiezing, die heutige Residenz des deposse- Dreist genug behauptete er jetzt, er habe in der Zahlenlotterie dirten Königs von Hannover , schon damals der Lieblingsaufenthalt mehrere kleine Gewinne gemacht, dafür ein Kreditloos gekauft, der Wiener Aristokratie war. Dort, in der Nähe des kaiserlichen wieder gewonnen, neue Loose genommen und nun Treffer von Luftschlosses Schönbrunn, hatte der Theaterdirektor Karl( Karl 3000, 5000 und 10,000 Gulden gezogen. Er berief sich auf von Bernbrunn), der Staberl", den München und Wien so Briefträger, welche die Gewinnste für ihn eingehoben haben sollten; wohl kannten, eine Reihe von größeren und kleineren Landhäusern aber diese Briefträger waren längst gestorben und die Ziehung erbaut und nach und nach an seine Schönen verschenkt. Eine der Kreditloose war zum ersten Male erfolgt, als er bereits Gruppe dieser Häuser wird noch heute vom Volkswitz das mehrere Tausend Gulden in die Sparkasse gelegt hatte. ,, Lumpazi- Dörfel" genannt, weil die Gelder dazu aus den glän- Untersuchungsrichter hielt ihm das vor, und nun endlich sank zenden Einnahmen der Posse Lumpazi- Vagabundus oder das ihm der Muth; er wurde sichtlich beklommen, bat, das Verhör liederliche Kleeblatt" geflossen sein sollen. Zwei dieser Häuser, abzubrechen und versprach ein reumüthiges Bekenntniß. Bald beide in Gärten gelegen, erwarb Kalab käuflich von der pensio - darauf reichte er ein Papier mit der Aufschrift: Offenes und nirten Hofschauspielerin Flery für die Summe von 16,000 Gulden; eigenhändig geschriebenes Geständniß und Beweggründe meines 10,000 Gulden bezahlte er sofort und den Nest in der Mitte Verbrechens" ein. des Jahres 1861.

Für die innere Einrichtung und die Verzierung der Häuser verwendete er 6000 Gulden. Im Winter räumte er seinen Eltern, die er, bezeichnend genug, bald für Hausmeistersleute, bald für arme Verwandte ausgab, die Wohnungen ein, welche er im Sommer zu guten Preisen vermiethen wollte.

Da es nicht unbekannt bleiben konnte, daß Kalab Haus­besitzer geworden war, erfand er ein Märchen, welches ihn vor allen Nachforschungen sicherstellen sollte. An der einen Stelle sagte er, daß er die Häuser nicht für sich, sondern für eine reiche Tante in Vöslau gekauft; an der andern Stelle, insbesondere seinen Eltern gegenüber, machte er die Vorspiegelung, er habe die Häuser für einen Grafen Pallavicini acquirirt.

Die ,, reiche Tante" spielte überhaupt in Kalab's Leben eine bedeutende Rolle; er brachte öfter Wein und Liqueur von ihr mit, verehrte auch wohl seinen Vorgesetzten in ihrem Namen etliche Flaschen, und wußte von ihrer Krankheit, von ihrer Ab­

Kalab schreibt: ,, Schon bei meinem Eintritt in den Staatsdienst lag das Postwesen ganz darnieder. Reformen waren äußerst dringend, der Staat that aber nichts. Unzufriedenheit wegen geringen Ge­halts, Arbeitsüberhäufung, Aussichtslosigkeit der Beamten ver­anlaßten mich, 1858 einen zehn Bogen starken Reorganisations­plan einzureichen, um das Postwesen auf jene Stufe der Blüthe zu bringen, wie es in England und Amerika besteht, und dem Staate einen Mehrgewinn von wenigstens zwei Millionen zu sichern. Doch wie es gewöhnlich im Staatsleben geht, daß niedere Beamte, wenn sie die Fähigkeit befizen, Pläne zu entwerfen, sie unter einem Vorwande zurückbekommen, und nach einiger Zeit Höhere sie als ihr Eigenthum betrachten, erhielt ich nach einem Vierteljahr den Bescheid, bei dem Plane bliebe nichts zu wünschen übrig, aber das Ministerium thue nichts für die Post. meine schönen Hoffnungen, daß das Postwesen aufblühen werde, schwanden; in meinem Herzen sammelten sich Keime der Rache,

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