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im Syringenbusch, der Mönch in der Weißdornhece wird über­fallen und seiner Jungen beraubt; nicht selten wird sogar die Mutter auf dem Neste eine Beute der räuberischen Kaze. Auch auf die hohen Bäume steigt sie und zerstört die Bruten der Kleinen Sänger. Nur sehr selten gibt sich solche Kaze noch der Mäusejago hin, und Jeder, der dazu befugt ist, sollte es sich zur Pflicht machen, jede auf dem Felde sich umhertreibende Katze erbarmungslos zu erschießen. Im Hause können wir freilich die Kaze kaum entbehren, aber auch nur hier darf sie geduldet werden. Man hat vorgeschlagen, der Katze die Ohren zu stutzen, weil dann der Thau in die Ohröffnungen fallen und sie aus dem Felde fernhalten soll. Ob aber dieses Mittel auch bei der schon an Räubereien gewöhnten Katze von Erfolg ist, darüber fehlt mir jede Notiz.

Während die Katze scheu der Kreuzotter ausweicht, naht sich von anderer Seite ein Feind derselben. Ganz geräuschlos kommt ein Igel dahergetrollt, und kaum bemerkt er die Giftschlange, so wirft er sich mit einer Behendigkeit, die wir ihm kaum zugetraut hätten, auf dieselbe. Doch nicht ohne Kampf soll er den Sieg erringen. Ein wüthender Biß der Kreuzotter in ein Bein des Igels läßt ihn zwar einen Augenblick zurücktreten, aber mit er­neuter Kraft beginnt er den verwegenen Angriff und sucht die Schlange bei dem Kopfe zu erhaschen. Wüthend richtet die so Bedrohte den Kopf in die Höhe und bohrt ihre Giftzähne in die Schnauze des Feindes, der jedoch diesmal tapferer Stand hält. Noch wenige Augenblicke des heftigsten Ringens, und ge­tödtet liegt die Kreuzotter am Boden. Ohne ein Zeichen von Schmerz zu verrathen, beginnt der Igel sogleich sein leckeres Mahl an der Kreuzotter, indem er den Kopf sammt den Gift­zähnen zuerst verzehrt. Es ist merkwürdig, daß der Kreuzottern­biß dem Igel nicht den geringsten Schaden zufügt, während

Einen Stein erbarmt's.

Wie doch das Unglück unter schwerem Druck Den Berg empor sich müht zur nackten Klippe, Ihr Fuß das weite Meer, ihr Kronenschmuck Ein morscher Baum, ein blätterlos Gerippe. Es hält nur mühsam noch ein Bildniß fest, Auf dem die Jungfrau mit dem Kind zu schauen. Die betend auf dem Stein sich niederläßt, Ist gramgebeugt, die ärmste aller Frauen.

Der Gatte büßt in ew'ger Kerkerhaft, Vor einer Stunde ward ihr Kind begraben. Sie fleht empor in heißer Leidenschaft Die Jungfrau lächelt unbewegt dem Knaben.

Maria, gib mich meinem Kind zurück! Du birgst das deine ewig auf den Armen!

lass' mein Herz nicht brechen Stück für Stück!" Es möchte wahrlich einen Stein erbarmen.

Es flößt Erbarmen nicht dem Bildniß ein,

Die Jungfrau lächelt unbewegt dem Knaben. Der Fleh'nden Ringen doch bewegt den Stein, Er wanft, er stürzt, das Meer hat sie begraben.

Hieronymus Lorm  .

Das Weib vom Pollet. Die elegante Welt, die sich alljährlich an den lieblichen Gestaden der französischen   Küstenbäder von dem Müssiggang der Hauptstadt erholt, stößt während der Ebbe auf Schaaren armer, zerlumpter Leute jeden Alters und Geschlechts, die die bunten Meerestiefel jammeln, welche zu allerlei Luxusgegenständen verarbeitet werden. Ein Bild des Malers Vollon, das auf der lezten Pariser Ausstellung großes Aufsehen erregt hat, und das wir in unserer heu­tigen Nummer( S. 333) wiedergeben, stellt ein junges Weib dar, das zu diesem elenden Gewerbe verurtheilt ist. Durch die Feßen der mehr als fümmerlichen Kleidung hindurch treten die körperlichen Reize der Frau aus dem Volke" dreist und unverhüllt hervor. Diese Arbeiterin hat weder die Zeit noch die Mittel, sich zu bedecken; welcher Kontrast gegen­über den Frauen und Töchtern der Bourgeoisie, die am Strande   halb­nackt zwischen den Herren herumwandeln und sich mit Operngläsern begucken lassen, weil

es so Mode ist" und weil es ihnen Vergnügen macht! Hier Korruption, dort physisches Verkommen! Auf beiden

doch jeres andere warmblütige Geschöpf in kürzester Zeit diesem erliegt.

Der Igel ist mit seinem Mahl fertig, und da ihm grade eine Maus in die Nähe kommt, so erhascht er sie zum Nachtisch. Auch sie ist in kürzester Zeit verzehrt, und eben ist er im Be­griff, in der behaglichsten Laune weiter zu eilen, als sein scharfes Im Nu schnellt er zu­Gehör nahende Schritte vernimmt. sammen und liegt scheinbar athmungslos als Kugel da. Frizz, der Hütebube ist es, der den vergessenen Krug vom Felde holen will. Erschreckt bleibt er stehen, als er den zusammengerollten Igel erblickt, aber sobald er das Thier erkannt hat, hellt sich sein Gesicht merklich auf. Sofort kugelt er den Igel in die schnell ausgezogene Jacke, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Schon malt er sich in Gedanken das Vergnügen aus, das Alle zu Hause empfinden werden, wenn der Igel durch Wasser zum Aufrollen bewogen wird. Wie wird er im Waschfaß umherschwimmen, und wie werden Alle jauchzen, wenn sie die Anstrengungen des armen Igels mit ansehen! Freilich dauert das Vergnügen nicht lange, denn gar bald ist das arme Thier bem nassen Element erlegen, aber das schadet auch gar nichts, denn solcher ,, unnützer" Thiere gibt es ja noch mehr, so denkt Fritz wenigstens und mit ihm leider gar Viele, denen wahres Verständniß der Natur abgeht. Während der Igel eines der allernüklichsten Thiere ist, stellt man ihm doch noch vielfach nach, quält ihn und beraubt ihn seiner Freiheit; doch geht er meist sehr bald in der Gefangen­schaft wegen unzureichender oder ungeeigneter Nahrung zugrunde. Und warum dies? Nun, man gibt sich nicht die Mühe, der einheimischen Thierwelt einige Aufmerksamkeit zu schenken und ihrer Nützlichkeit oder Schädlichkeit nachzuforschen. Nur der Ver­tehr mit der freien Natur kann den Menschen da vor Mißgriffen bewahren, und hierzu anzuregen, ist auch der Zweck dieser Zeilen.

Seiten entsegliche Vergeudung menschlichen Werths, geistigen Kapitals eine Folge der ungleichen Vertheilung des materiellen Kapitals. Wenn die Sozialdemokratie ihr Ziel erreicht haben wird, so wird dieses Bild weiblichen Sklavenlebens, das unsre heutige Kultur" und die Phrasen von der Frauenwürde, die unsere Gegner gegen uns verthei­digen zu müssen vorgeben, treffend illustrirt, ein Gemälde von hohem fulturgeschichtlichem Interesse sein.- Wir bemerken noch, daß der Maler Vollon ein Freund Courbet's   und ein guter Sozialdemokrat ist. C. H.

Sprüche aus dem Munde der Völker. Gesammelt von F. I.

( Spanisch.)

No ay mal sin bien, cata para quien?

Jedes Ueble hat sein Gutes;

Doch für wen? Darin beruht es.

De quien pone los ojos en el suelo, no fies tu dinero. Wer fromm zur Erde pflegt zu schauen, Dem sollst kein Geld du anvertrauen.

En el mejor panno, ay major engano. Im feinsten Tuch

Der gröbste Betrug.

Al postrero muerde el perro. Immer vorwärts, soll es heißcu, Ob es gut, ob schlimm sich treibt: Ihn allein, der hinten bleibt, Können nur die Hunde beißen.

Asno sea quien a asno bozea. Einlassen kann sich nur ein Esel Mit einem Esel in Disput: Der Dummheit widriges Genäsel Macht selbst der Götter Wiz bankrutt!

El mozo perezoso, por no dar un paso, da ocho. Um einen Schritt zu sparen, macht Der faule Bursche später acht.

Verantwortlicher Redakteur: W. Liebknecht in Leipzig  . Drud und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig  .