VIII.

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Wilhelm Wolff .

Von Friedrich Engels .

In der Neuen Rheinischen Zeitung " vom 14. April kommt Wolff auf das Jagdrecht zu sprechen, das 1848 unentgeltlich aufgehoben worden war, dessen Wiederherstellung oder Abkaufung durch eine, Entschädigung" die Herren Junker damals mit lauter Stimme verlangten.

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,, Die Heiligsprechung des Wildes brachte es mit sich, daß man lieber eine Kanaille von Bauer erschoß als einen Hasen, ein Rebhuhn oder ähnliche eximirte Geschöpfe. Beim Jagen mit Treibern, aus den lieben Dorfunterthanen genommen, genirte man sich nicht sehr; wurde auch einer der Treiber angeschossen oder todt hingestreckt, so gab's höchstens eine Untersuchung, und damit basta. Außerdem sind uns aus jener dominialen Glanz­periode mehrere Fälle bekannt, wo der noble Ritter dem oder jenem Treiber eine Ladung Schrot in die Beine oder in den Hintern schoß zum reinen ritterlichen Privatvergnügen. Auch außerhalb der eigentlichen Jagd trieben die Herren Nitter solche Kurzweil mit Passion. Wir erinnern uns bei solcher Gelegen­heit stets des Herrn Barons, der einem Weibe, das gegen sein Verbot auf dem abgeärnteten herrschaftlichen Acker Aehren las, eine Portion Schrot in die Schenkel jagte und dann beim Mit­tagsmahl in einer auserlesenen raubritterlichen Gesellschaft seine Heldenthat mit unverkennbarer Selbstbefriedigung erzählte.... Dagegen hatten die geliebten Dorf- Unterthanen bei den groß­herrschaftlichen Treibjagden die Freude, als Treiber roboten ( Dienst thun) zu müssen. Jeder Wirth, d. H. jeder Ackerbesitzer und jeder Häusler wurde angewiesen,, morgen in aller Frühe einen Treiber zur großen herrschaftlichen Jagd auf so und so viele Tage zu stellen. Es mußte freilich den Herren Rittern das Herz vor Wonne klopfen, wenn an falten, nassen Oktober­und Novembertagen eine Hezze schlechtgekleideter, oft barfüßiger, hungernder Dorfinsassen neben ihnen hertrabten. Die Karbatsche hing an der Jagdtasche zu Nutz und Frommen für Hund und Treiber. Die beste Portion pflegte Letzterer davon zu tragen... Andere Ritter legten sich große Fasanerien an... wehe der Frau oder der Magd, die unvorsichtig oder aus Mangel an Spürkraft beim Grafen einem Fasanennest zu nahe kam und die Henne störte... wir sind selbst in unserer Jugend Augenzeuge gewesen, wie eine Bauersfrau aus besagtem Grunde von einem jungen Raubritter auf's Barbarischste, auf's Viehischste mißhan­delt und zum Krüppel geschlagen wurde, ohne daß ein Hahn da­nach gekräht. Es waren arme Leute, und zum Klagen, d. h. zum Prozessiren, gehört Geld und dann auch einiges Vertrauen zur Justiz, Dinge, die bei der Mehrzahl des schlesischen Land­volks theils spärlich, theils gar nicht anzutreffen.

,, Knirschend vor Wuth hat es der Landmann ansehen müssen, wie die ritterlichen Herren mit oder ohne ihre Jäger, oder wie diese allein über sein mit Mühe und Noth angebautes Feld zer­tretend und verwüstend einherjagten, wie sie feine Feldfrucht fchonten, ob hoch oder niedrig, ob dick oder dünn. Mitten durch oder drüber hinweg ging's mit Jägern und Hunden. Wagte der Bauer Einsprache, so war im mildesten Falle Hohnlachen die Antwort; den schlimmeren hat so Mancher an seinem mißhan­delten Körper erfahren. Den Kohl auf dem Felde des Bauern suchte sich der gottbegnadete eximirte Hase zu seiner Atzung aus, und seine Bäume pflanzte der Landmann, damit der Hase im Winter seinen Hunger stillen konnte... aber dieser Schaden steht noch in gar keinem Verhältniß zu dem, welchen ihm Roth­und Schwarzwild angerichtet, das... im größten Theile Schle­fiens gehegt wurde. Wildschweine, Hirsche und Rehe durch­wühlten, fraßen, zertraten oft in einer Nacht, was dem Bauer oder dem ,, kleinen Mann" für's ganze Jahr zum Unterhalt und zur Bezahlung der Steuern und Abgaben dienen sollte. Aller­dings stand es dem Beschädigten frei, auf Ersatz zu klagen. Es haben's auch Einzelne und ganze Gemeinden versucht. Daße Tr­

gebniß solcher Prozesse wird sich Jeder selbst sagen, der in seinem Leben von dem altpreußischen Beamtenwesen und Richterstande und dem Prozeßverfahren auch nur eine entfernte Idee erlangt hat... nach unendlichem Schreiben und Terminiren erlangte der Bauer, wenn's Glück günstig war, in ein paar Jahren ein Ur­theil gegen den Gnädigen, und wenn er sich das bei Lichte be­sah und Alles nachrechnete, so stand er erst recht als der Ge­prellte da... Die Zahl der Dörfer aber, auf deren Neuftikal­ädern seit 30 Jahren, und von Jahr zu Jahr ärger, die gott­begnadeten Wildschweine, Hirsche und Rehe verwüstend gehaust, beträgt über 1000. Wir kennen mehrere derselben, die lange nicht zu den größten gehören, denen bloß das erimirte Hochwild ein Jahr um's andere jährlich 2-300 Thlr. Schaden verur­sacht hat." Und wenn nun der Adel eine Entschädigung fordert für Abschaffung dieses Jagdrechts, so stellt Wolff dieser Forde­rung die andere gegenüber: Bolle Entschädigung für allen Wildschaden, für alle Verwüstungen, die seit 30 Jahren von gottbegnadeten Rehen, Hirschen , Wildschweinen, und von den Herren Rittern selbst auf unsern Fluren angerichtet worden, das heißt in runder Zahl:

,, Eine Entschädigung von mindestens 20 Millionen Thalern!" Den Schluß des Ganzen( Neue Rheinische Zeitung " vom 25. April 1849) bildet ein Artikel über den polnischen Theil der Provinz , Oberschlesien, das im Herbst 1847 von einer Hungersnoth betroffen wurde, so schlimm, wie sie gleichzeitig Ir­land entwölferte. Wie in Irland , brach der Hungertyphus auch in Oberschlesien aus und verbreitete sich pestartig. Im folgenden Winter brach er hier auf's Neue aus, und zwar ohne daß eine Mißernte, Ueberschwemmung oder sonstige Calamität eingetreten wäre. Wie erklärt sich dies? Wolff antwortet:

" Zur größeren Hälfte ist der Grund und Boden in den Händen großer Grundbesitzer, des Fiskus( Staats) und der todten Hand. Nur 25 der gesammten Ländereien sind in den Händen der Bauern und mit Frohnden und Abgaben an die Gutsherren, wie mit Steuern an den Staat, an Kirche, Schule, Kreis und Gemeinde auf's Unglaublichste und Schamloseste überlastet, wäh rend die gnädigen Herren im Verhältniß zu den Bauern höchstens ... Wenn der eine wahre Lumperei an den Staat entrichten Tag der Rente kommt, werden die Silberzinse mittelst der Knute vom Bauern eingetrieben, wenn er sie nicht freiwillig zahlen will. Und so zwangen Mangel an Kapital und Kredit, und Ueberfluß an Abgaben und Leistungen an die Raubritter wie an Staat und Kirche den Bauer, sich dem Juden in die Arme zu werfen und in den Schlingen des pfiffigen Wucherers ohumächtig zappelnd zu verenden.

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In der langen Erniedrigung und Knechtschaft, worin das oberschlesische Landvolk durch die christlich germanische Regierung und ihre Raubritterschaft darnieder gehalten worden, hat der Bauer seinen einzigen Trost wie seine Stärkung und halbe Nah­rung im Branntwein gefunden. Man muß es den gnädigen Herren lassen, daß sie den Bauern diesen Artikel aus ihren Brennereien reichlich zu immer billigerem Preise verschafften... Neben den Lehmhütten der wasserpolatischen Bauern, wo Hunger­Typhus und Verthierung ihre Stätten aufgeschlagen, nehmen sich die prachtvollen Schlösser, Burgen und übrigen Besitzthümer der . Auf oberschlesischen Magnaten nur desto romantischer aus.. der einen Seite unglaublich schnelle Anhäufung von Reich­thümern, folossale Jahresrevenuen der Gnädigen". Auf der an­dern Seite fortschreitende Massenverarmung.

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,, Der Taglohn für ländliche Arbeiter ist äußerst niedrig; für den Mann 5-6 Sgr., für die Frau 212-3 Sgr. ist schon als ein hoher Satz zu betrachten. Viele arbeiten nothgedrungen um en Tagelohn von resp. 4. und 2 Sgr. und sogar dar­runter. Die Nahrung besteht fast einzig und allein aus Star­toffeln und Schnaps. Hätte der Arbeiter noch diese beiden