sichtlichem Vergnügen der Unterhaltung folgte. Er holte tief Athem, um die Frechen durch eine Fluth von Flüchen zu ver­jagen. Da rief aber Silberberg, den die Worte des Landraths schwer gekränkt hatten:

,, Ist doch der Herr Landrath mit den Spizbuben gut Freund, so daß ich dachte: ehe du den Falkenburger Grafen und seinen Sohn vor den Staatsanwalt bringst, wirst du erst mit ihrem Freund, dem Herrn Landrath sprechen. Aber wenn in Zukunft wieder Einer kommt, der Geld haben will, dann werde ich mir erst ein Attest über seine Ehrlichkeit vorlegen lassen."

,, Ist Er denn wahnsinnig?" brüllte der Landrath jetzt. will Er denn eigentlich?"

Was

Seine Frage blieb unbeantwortet. Silberberg hatte sich ent­fernt, und nur ganz fremde Gesichter starrten voller Hohn und Spott den Landrath an, der mit lauten Flüchen davonstürzte.

Wie ein Raubvogel auf ein Hühnervolk, so schoß der Land­rath jetzt auf die Bauern los, die auf der Treppe des Landraths­amtes saßen, die Köpfe mit den tiefliegenden stieren Augen in die Hände gestützt, zerlumpte und abgezehrte Hungergestalten. Schon von weitem schrie er sie an, und scheu erhoben sie sich bei seinem Schimpfen und Toben, ängstlich machte man ihm Platz. War man doch eine solche Behandlung seit undenklichen Zeiten ge­wöhnt.

Er feuchte die Stufen der Treppe hinauf, ein Bote mit einem Cirkular in blauer Mappe trat ihm in der Thür entgegen: Ob der Herr Landrath vielleicht an dem Banket theilnehmen wollen?" sagte der Bote, ihm das Cirkular hinreichend.

,, Was für ein Banket?" fragte er, einen flüchtigen Blick in den entfalteten Bogen werfend.

,, Die gestrige geheime Stadtverordneten- Versammlung hat in Anerkennung seiner großen Verdienste dem Herrn Doktor Wieser das Ehrenbürgerrecht verliehen!"

Der Landrath hatte den Boten bei dieser Meldung sprachlos angestarrt, dann war er mit einem wilden Fluche an ihm vor­übergestürzt. Dröhnend warf er die Thür seines Bureaus in's Schloß und blieb in der Mitte des geräumigen Zimmers stehen. Die bleichen Schreiber am großen Tische beugten sich ängstlich tiefer auf ihre Arbeit, und rascher flogen die Federn dahin. Der Bote Festling, ein freundlicher Graufopf mit klugen, gutmüthigen Augen, der an einem kleinen Tische mit dem Siegeln von Briefen beschäftigt war, drehte sich militärisch um und harrte ernsten Gesichts der Befehle seines Herrn. Kinsky, der an einem eigenen Bulte arbeitete, las, als ob er von der Anwesenheit des Chefs feine Ahnung hätte, in einem Aftenstücke.

Rufe Er den Gensoarmen- Wachtmeister!" befahl der Land­rath dem Boten.

,, Der Gensdarmen- Wachtmeister ist vor einer Stunde aus­geritten," antwortete Festling in dienstlichem Tone.

,, Wer hat ihm Auftrag dazu gegeben?" schrie der Landrath. Ich," sagte Kinsky, von seiner Arbeit aufblickend. Früh morgens lief eine Denunziation ein, daß im Kreise ein unerhörter Schmuggel getrieben würde. Der Name eines erlauchten Hauses wurde darin genannt. Ich machte Anzeige bei der Steuerbehörde und sandte zugleich den Gensdarmen- Wachtmeister an Ort und Stelle ab."

Der Landrath, welcher sich von Festling abgewendet und Kinsky mit entrüsteten Blicken gemessen hatte, schien bei seinen Worten die Sprache verloren zu haben. Welcher welcher Teufel hat Sie dazu beauftragt?" brachte er endlich mühsam hervor.

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,, Es war doch wohl Pflicht," sagte Kinsky, sofort..." ,, Schweigen Sie!" unterbrach ihn, außer sich vor Zorn, der Landrath. Um Ausreden sind Sie ja nie verlegen. Wir haben viel mit einander abzurechnen, mein Herr Kreissekretär," fügte er fast zischend hinzu. Das ist schändlich, das ist nichts­würdig! Ein anderer Gensdarm soll kommen!" befahl er Festling.

,, Es ist kein anderer da, Herr Landrath," antwortete Festling. ,, Alles fort? Das ist ja herrlich. Wer hat denn hier eigentlich zu befehlen, Sie oder ich?" schrie der Landrath wieder,

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mit kirschbraunem Gesicht und geballten Fäusten dicht vor Kinsky tretend.

,, Sie sprachen von Abrechnung," sagte Kinsky. ,, Es wäre mir lieb, wenn Sie sie auf der Stelle vornehmen würden. Im Uebrigen war hier die Nachricht eingetroffen, daß auf Rabenberg ein Mord verübt worden. Den alten Kammerdiener Konrad hat man in der Nacht ermordet in seinem Bette gefunden, und da sandte ich nach Rabenberg die letzte Polizei, nachdem ich vergeblich in Ihre Wohnung sowie in die Weinstube geschickt."

Der Landrath war bei dieser Antwort verstummt und blickte Kinsky halb zweifelnd, halb erschreckt an. ,, Ermordet?" murmelte er nach einer Weile.

,, Gestern erkundigte sich Konrad noch bei dem Herrn Land­rath nach dem Spitzbuben Heilmann von der Falkenburg," sagte Festling mit harmlosem Gesicht; und der Herr Landrath schrieben ja auch deshalb an den Herrn Grafen von Falkenburg."

Der Landrath belohnte Festling's Freimüthigkeit mit einem wüthenden Blick. Wer fragt ihn?" herrschte er ihn an. Backe Er sich! Sage Er dem Kutscher, daß angespannt werde.- Mit Ihnen aber," wandte er sich an Kinsky mit drohendem Ge­sichte, spreche ich, wenn ich zurückkomme. Sie haben auf die niederträchtigste Weise die Geheimnisse des Bureaus verkauft."

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,, Was ich gethan, das werde ich zu verantworten wissen," sagte Kinsky kalt. Einen Mißbrauch mit meinem Amte habe ich noch nie getrieben, und noch nie hat man mich auf einer Ehrlosigkeit oder einer Schurkerei ertappt." Die letzten Worte hatte er mit großem Nachdruck gesprochen.

,, Herr!" schrie der Landrath, wieder auffahrend, doch ver­schluckte er den Rest von dem, was er sagen wollte. Gehen Sie!" sagte er ,,, wir sind fertig."

Die Thür öffnete sich, und mit einer Papierrolle in der Hand trat der alte Weber Neumann in's Zimmer. Er machte dem Landrath eine etwas steife Verbeugung, entrollte sein Papier und sagte: Die Gemeinde Waldau hat mich hierher geschickt. Ich soll dem Herrn Landrath dies Papier übergeben. Der Ver­trag über den Falkenburger Wald, den man so lange gesucht hat, ist jetzt aufgefunden worden. Die Gemeinde hat bereits den Prozeß gegen den Herrn Grafen angestrengt."

Wer hat Ihm die Erlaubniß gegeben," fuhr ihn der Land­rath an, hier auf so unverschämte Weise einzubringen? Packe Er sich auf der Stelle!"

,, Das Papier soll ich hier lassen," sagte Neumann, dessen Stirn sich verfinstert hatte. Mit bebender Hand legte er das Schriftstück auf den Tisch. Das will ich dem Herrn Landrath aber doch sagen," rief er in grollendem Tone, daß wir unser Recht wollen, sollte es uns auch das letzte Hemd kosten."

,, Er unverschämter Kerl," brüllte der Landrath, ergriff den Bogen und zerriß ihn in Fetzen. Dada hat er seinen verfluchten Wisch. Nehme Er ihn nur wieder mit."

Neumann, welcher schon nach der Thür gegangen war, wandte sich um, sein bleiches Gesicht hatte sich geröthet, und in seinen sonst so friedlichen Augen flammte es zornig und verächtlich zugleich. Ich werde sie mitnehmen," sagte er erregt, bückte sich und hob die Papierfeßen auf. Er zitterte am ganzen Leibe, als er sich aufrichtete, und verblüfft trat der Landrath einen Schritt zurück, als er Neumann's Augen drohend auf sich gerichtet sah. Dann brach er in ein Hohngelächter aus und schritt seinem Privatzimmer zu. Dort ging er in höchster Erregung auf und ab. Mir die Polizei fortzuschicken, und zu diesen Zwecken das ist schändlich, das ist nichtswürdig!" rief er. Nur einen Mann sollte ich haben, dann würde ich diesem Doktor schon den Mund stopfen, dann wäre die Rettung leicht aber so- aber so rasend werben! Mein würdiger Sekretär hat spionirt und Alles diesem Doktor hinterbracht, wie die Geschichte mit dem Büttner. Aber wir werden abrechnen, ja, wir werden abrechnen, mein Herr Sekretär! Wir wollen doch einmal sehen, wer von uns der Stärkere iſt!"

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es ist zum

Seine Blicke fielen auf einen Brief, der auf dem Tische lag. Er nahm ihn und erbrach ihn hastig. Vom Konsistorial­rath!" murmelte er. Mit dem Ausdruck der Enttäuschung legte