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er ihn wieder nieder.„Ein Kutscher-Attest," sagte er verächtlich, „damit machen wir uns nur lächerlich. Das ist ja der baarste Unsinn!" Er schwieg einen Augenblick nachdenklich.„Der Polizei- Agent Hieber macht daraus einen Anschlag auf das Leben Seiner Majestät," murmelte er wieder.„Und besitzt nicht ein preußischer Landrath noch soviel Macht, daß er eine unbequeme bürgerliche Kanaille in den Schatten setzen darf?—— Wenn ich nur Polizei hätte!" jammerte er von neuem;„wenn ich nur Polizei hätte!— Aber frisch auf den Kriegsschauplatz, ehe uns die Verhältnisse über den Kopf wachsen!"
Eine Viertelstunde später rollte der Wagen des Landraths auf der Straße nach Schönenberg dahin. ** » Am Fenster seines Arbeitszimmers steht Graf Falkenburg, das erregte Gesicht mit der heißen Stirn gegen die Scheibe ge» drückt, die Lippen zusammengekniffen, die Blicke in düstrer Starr- heit auf die Landschaft gerichtet. Er nimmt nichts davon wahr, die nagende Sorge verschleiert das Bild und scheucht die Blicke in den finstern Kreis zurück, in dem sein ganzes Denken sich be- wegt. Ein Wendepunkt ist in seinem Leben eingetreten, das fühlt
Friedrich Fröbel . Für die„Neue W er.— Eine Hiobspost nach der andern war eingetroffen und Alles schien sich verbunden zu haben, ihn von der stolzen Höhe zu stürzen, die das Geschlecht der Falkenburge Jahrhunderte hin- durch ruhmvoll behauptet. Das aber sollte nimmer geschehen! Wie ein Rasender war er bei den ersten Nachrichten durchs Schloß gestürmt, und laut durchhallte die weiten Räume sein wildes Geschimpf und Geschrei, an den Dienern ließ er seine Wuth aus, mit allen hatte er Händel und jeden Widerspruch ahndete er durch Mißhandlungen. Man sollte ihn nicht aus dem Hause seiner Bäter vertreiben, und lieber wollte er sterben, als zu dem Bettlervolke hinabsteigen, mit ihm um das tägliche Brot ringen und kämpfen. So rief er sich trotzig zu. Dock während er sich aufs heftigste dagegen sträubte, zu den
gezeichnet und geschnitten,(s. 428.) übrigen Menschenkindern hinabzusteigen, hatte ihn bereits der Kampf ums Dasein allen Standesflitters entkleidet und ihn zu dem Volke geworfen, das er verabscheute. Ob hoch oder niedrig geboren, ob Fürst oder Bettler— sind alle Menschen dem gleichen unerbittlichen Gesetze untenvorfen. Der Wall, gegen die Armuth und ihre Wünsche gethürmt, die gesellschaftliche Moral verschwindet und das nackte Faustrecht tritt an ihre Stelle. Der Hochgeborne, von der Roth erfaßt, muß das Moralgesetz leugnen, ein Verbrecher daran werden wie der Arme, dem es als Maulkorb umgeschnallt ist. Graf Falkenburg fand in seinem Handeln nichts Unmora- lisches. Das einzige Ideal seines Lebens war die Erhaltung seines Hauses, er wußte nichts vom Volke und seinem Ringen, und unbekannt war ihm alles Schöne und Edle geblieben, was