„ Ja," hob ich verwundert an ,,, vermag man denn auch kalten Dampf zu spannen?"
„ Das nicht," belehrte der geduldige Techniker seine unwissenten Schüler,„ man wendet eben keinen Dampf, sondern kaltes Wasser bei dieser Druckprobe an. Man füllt den Kessel vollkommen mit Wasser und drückt durch die Pumpe nun noch mehr Wasser in ihn hinein; dadurch wird das Wasser stärker zusammengepreßt und drückt nun natürlich mit eben so viel größerer Kraft auf die Kesselwand. So lange das Wasser noch nicht in Tropfen an den Fugen herausgepreßt wird, gilt der Kessel als widerstandsfähig."
,, Somit bezeichnet der rothe Strich also die äußerste Grenze seiner Widerstandsfähigkeit?" begehrte ich zu wissen und erhielt eine verneinende Antwort.
,, Die Vorsicht gebietet," so lautete dieselbe,„ nicht bis an die äußerste Grenze zu gehen, weil ja die Verschiedenheit der Erzeugung dieses Druckes von der durch Dampf bewirkten und die die Festigkeit vermindernde Abnutzung des Kessels durch den Gebrauch in Betracht zu ziehen sind. In der Regel hält man also das anzuwendende Spannungsmaximum einige Atmosphären unter, ja oft auf der Hälfte der äußersten Widerstandsfähigkeit der Kessel, und die durch den bunten Strich bezeichnete Zahl nennt nur die Spannung, welcher der Kessel nach der Annahme des Staatsbeamten, der ihn untersucht hat, sicher noch Wider stand leistet, und welche zu überschreiten nicht die angestellte Probe, sondern eine milde Vorsicht verbietet."
,, Ist es denn aber nicht denkbar, daß das Manometer einmal seinen Dienst versage, und wie erkunden Sie dann, wenn dieser Fall eintritt, die Dampfspannung?" frug ich den Ingenieur. ,, Dann," erwiderte dieser ,,, verlassen wir uns auf das Sicher heitsventil. Oben auf dem Kessel befindet sich nämlich ein eisernes Rohr, welches durch eine sorgfältig eingeschliffene Messingplatte luftdicht verschlossen ist. Auf diese drückt ein Zapfen, der sich an einem Hebel befindet, welcher um eine dicht daneben befestigte Are drehbar ist. An das andere Ende der Hebelstange ist eine schwere eiserne Kugel aufgeschoben, die in demselben Verhältnisse schwerer auf die Platte drückt, als ihre Entfernung von dem Unterstützungspunkte des Hebels,- der Are größer ist als der Abstand des auf das Ventil drückenden Zapfens von demselben Punkte. Je weiter an das Ende des Hebels die Kugel gerückt wird, eine um so größere Spannung ist nothwendig, um die Platte zu heben, das Ventil zu öffnen. Die Kugel ist nun so gestellt, daß die Kraft des Dampfes hinreicht, das Ventil emporzudrücken und dem Dampf einen Weg zum Ausströmen zu öffnen, wenn seine Spannung die erlaubte Atmosphärenzahl erreicht hat. Das Ventil bläst dann so lange aus, bis der Dampfdruck wieder zur normalen Höhe herabgesunken ist; dann
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drückt die Kraft der Kugel die Platte wieder herab und schließt das Ventil. Auf diese Weise regulirt sich die Spannung selbstthätig und verkündet vernehmbar ein gefahrbringendes Uebermaß. Natürlich muß mit größter Strenge darüber gewacht werden, daß die Kugel nicht verrückt werde, denn die kleinste Veränderung ihrer Stellung vermehrt oder vermindert erheblich die Belastung des Ventils."
,, Nun haben wir also die Dampfspannung," fuhr der Ingenieur fort ,,, welche wir zum Betriebe unserer Maschine brauchen, erreicht, und wir können diese in Bewegung setzen."
,, Erlauben Sie mir noch eine Frage?" unterbrach ich Jenen, welcher eben auf ein Rohr wies, das ersichtlich den Dampf aus dem Kessel nach der Maschine im Nachbarraum zu leiten bestimmt war.
,, Welche ist es?" frug er.
,, Sie sagten vorhin," begann ich nun, daß die Kessel zeitweise von dem sich im Innern ansetzenden Kesselsteine durch einen hineinkriechenden Mann gereinigt werden müssen; ich darf also wohl annehmen, daß sie für diese Operation durch Ablassen des in ihnen enthaltenen Wassers vorbereitet werden, sehe aber keine Vorrichtung, durch welche dieses bewirkt werden könnte."
doch," berichtigte jener ,,, Sie sehen dort oben über den Kessel ein eisernes Rohr mit einem Hahn herausragen, welches durch eine Deffnung der Wand ins Freie läuft; dieses Rohr ist unsere Entleerungsvorrichtung."
,, Aber," gab ich etwas zweifelnd zu bedenken, das Wasser fann doch nicht in die Höhe fließen."
,, Nein," erwiderte er lächelnd ,,, darum drücken wir es in die Höhe oder, wie wir es nennen, wir blasen den Kessel ab. Jenes Rohr reicht bis an die tiefste Stelle des Kessels; öffnet man. nun den es verschließenden Hahn, so drückt der im Kessel befindliche Dampf-natürlich muß noch solcher vorhanden sein das Wasser in die Höhe und treibt es hinaus. Auch dies," fügte er hinzu, ist eine Manipulation, deren ungeschickte oder unkundige Ausführung die Gefahr einer Explosion herbeiführen kann. Wenn nämlich Wasser plötzlich aus dem Kessel entfernt wird, so vermehrt sich der freie Raum; die Dampfspannung vermindert sich, während das Wasser noch eine Temperatur befitzt, welche genügt, Dampf unter höherem als dem augenblicklich herrschenden Drucke zu erzeugen. Die Folge davon ist, daß sich nur um so heftiger Dampf entwickelt, und der Druck so rasch steigt, daß, wenn man vor dem Abblasen ihn nicht genügend hat fallen lassen, leicht ein Sprengen des Kessels stattfinden kann.- Man muß deshalb bei einem möglichst niedrigen Drucke, abblasen'. Nun aber," so schloß er, habe ich Ihnen hier nichts mehr zu zeigen, und ich bitte Sie deshalb, mir in den Maschinenraum zu folgen."
( Schluß.)
Die Männer, welche diese schmachvolle Szene aufführten, waren die hervorragendsten Vertreter der modernen Gesellschaft in demjenigen Staat, wo die moderne Gesellschaft zur höchsten Vollendung gelangt ist: es war die Elite der Bourgeoisie, des Adels, der Geistlichkeit. Wir nehmen Aft von dem Vorgang. Und läßt sich je ein Wortführer der privilegirten Klassen vor Arbeitern beigehn, von der Culturmission des heutigen Staats und der heutigen Gesellschaft, und von der Culturfeindlichkeit des Sozialismus zu deklamiren, dann widerlege und beschäme man ihn durch den einfachen Hinweis auf den 24. Juni 1857. Hier, der Vorkämpfer des Sozialismus, bemüht, die Vertreter des heutigen Staats und der heutigen Gesellschaft, von der Nothwendigkeit einer durchgreifenden Geist, Charakter und Körper entwickelnden Erziehung für das gesammte Volk zu überzeugen; dort die Vertreter des heutigen Staats und der heutigen Gesellschaft, unter Beiseitesetzung der gewöhnlichsten Regeln von Sitte und
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Anstand, den Vertreter des Sozialismus, welcher Bildung für das Volk fordert, verhöhnend und vor ihm fliehend wie vor dem Und ja, bie wahre Volksbildung, höllischen Feuer nicht die giftige Verfälschung, welche die Herren Philanthropen der besitzenden Klasse dem Volk statt der richtigen Waare anbieten, sie ist in der That auch höllisches Feuer für den heutigen Staat und die heutige Gesellschaft, die beide nicht eine Stunde forteristiren würden, gelänge es dem Volt durch ein allerdings sehr unbiblisches, sogar antibiblisches Wunder den Goldbecher wahrer Bildung mit einem Zuge zu leeren! Wir empfehlen das Sujet einem„ Maler der Zukunft". Arbues, die Ketzer verbrennend, drückt bei Weitem nicht so erschöpfend den Geist und den ,, Kulturkampf" des Mittelalters aus, wie Robert Owen , durch die Zauberformel: Bildung für das Volk! die Elite des Adels, der Kirche und der Bourgeoisie in wilde Flucht treibend, den Geist unb Kulturkampf der Gegenwart ausdrückt das Ringen um Recht,
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