Erscheinungen im Leben deS Menschen und in der Natur waltet, herrscht auch politischer und religiöser Aberglaube, leiten politische und religiöse Koterien das Urtheil der Menge in selbstischem, oft genug kulturfeindlichem Interesse. Klarheit über die Natur und das Wesen der uns begegnenden Ereignisse, die Fähigkeit, sie mit einander logisch zu verbinden, ist der Grenzwall, der den Kulturfeind den Autoritätsglauben am sichersten von dem Gebiete der menschlichen Fortenwicklungsbestrebungen zurückhält und unter dessen Schutze sich auch die wirthschaftliche und poli- tische Freiheit allein entwickeln kann. Unter den Namen der politischen Freiheitshelden wird die Geschichte der Freiheit auch die Namen derjenigen Gelehrten zu verzeichnen haben, welche die Wissenschaften dem Volke zugänglich machten und seine Urtheilsfähigkeit erzogen, und unter diesen wird der Name Otto Ule  genannt werden. In der Umgegend von Frankfurt   a/O. liegt amRande eines herrlichen Eichenwaldes, an den Gehängen des Oder- thales, das Oertchen Lossow, in welchem Otto Eduard Vincenz Ule   als das fünfte von den sie- ben Kindern des dorti- gen Predigers, des nach- maligen Konsistorialraths Ule geboren wurde. Die erziehlichen Einflüsse und die Schönheit der ihn umgebenden waldesdufti- gen, lebensfrischen Natur erregten in des Knaben empfänglichem Herzen schon frühzeitig jene schwärmerische Liebe für die Natur, die das spätere wissenschaftliche Wirken deS Mannes erfüllt, die Gemüthstiefe, welche dessen idealistische An- schauungswcise der Natur und des Lebens erzeugte. Die Waldesluft von Lossow mag auch den dichterischen Hauch in die Schriften Ule's ge- weht haben, welcher die­sen ihre eigenthümliche Frische und Lebendigkeit verleiht. Trotz dieser mehr gemüthlichen Bildung zeichnete den jungen Ule doch auch schon auf dem Frankfurter   Gymnasium eine hohe Verstandes- begabung aus; die Mathematik beherrschte er so vollkommen, daß seine Lehrer schließlich für ihn nichts mehr zu lehren hatten. Diese Verschiedenheit der Anlagen, diese auseinandergehenden Strebensrichtungen erzeugten eine Vielseitigkeit der Wissenschaft- lichen Leistungen, die nur zu sehr eine schöpferische Vertiefung in eine bestimmte Wissenschaft verhinderte, welche von großem Er- folge hätte begleitet sein müssen, befähigte aber Ule auch hervor- ragend für die Aufgabe, die Kenntniß der wissenschaftlichen That- fachen und Gesetze in allgemein verständlicher Weise im Volke zu verbreiten. Ursprünglich für das Studium der Theologie bestimmt, be- zog Ule   1840 die Universität Halle, wo der Kampf zwischen Rationalismus und Orthodoxie damals am lebhaftesten geführt wurde. Es war kein Wunder, daß der verständige Mathematiker an den orthodoxen Lehren eines Tholuck und Julius Müller kein sonderliches Gefallen fand, und daß er sich den sogenannten Lichtfreunden" König, Uhlich und Andern anschloß, die Theologie ganz aufgab und sich in der philosophischen Fakultät einschreiben ließ. Er studirte nun Mathematik und Naturwissenschaft. Burmeister, der treffliche Lehrer war es, der durch seine Vorträge über dieSchöpfungsgeschichte" in Ule   die Gedanken zu seinem ErstlingswerkeDas Weltall" erweckte. Der Verkehr mit ihm mochte auch die Ueberzeugung von der sittlichen Bedeutung der Naturwissenschaften in Ule geschaffen haben, der er in allen spä- teren Schriften und Reden Ausdruck gab. Von Halle siedelte Ule   dann nach Berlin   über, wo der Einfluß Dove's ihn dem Studium der Chemie und der Physik gewann. Im Jahre 1845 beendete er dann seine akademischen Stu- dien, indem er in Halle das Oberlehrer- Examen ablegte und zum Doktor der Philosophie promovirt wurde. In jene Zeit fällt das Erscheinen von Hum- boldt'sKosmos  ", der mit überraschender Ge- schwindigkeit sich in den Kreisen der sogenannten Gebildeten verbreitete. Ule kennzeichnet die Ur- fache dieses in Deutsch  - land unerhörten Erfolges eines wissenschaftlichen Werkes, und die allge- meine Unfähigkeit, es zu verstehen, in der Vorrede zu seinemWeltall  " tref- send:Jeder fühlte," sagte er darin,daß nur die Mode ihn zwang, in dieBewunderung undBe- zeisterung für die Schön- heit dieses Meisterwerkes einzustimmen, während ihm die geistige Tiefe jenes Gemäldes selbst verschlossen blieb." Er beklagte nicht lauge die naturwissenschaftliche Un- bildung verdeutschen Ge- bildeten, sondern legte Hand an, sie zu besei- tizen. Vor einem zabl- reichen Kreise von Frauen und Männern Frankfurts  , wo er nun als Lehrer wirkte, hielt er im Jahre 1847 Vorträge, welche dem Verständniß für Humboldt's Meisterwerk die Bahn ebnen sollten. Das Jahr 1848 entriß ihn diesem Wirken. Der naturwissenschaftliche Ethiker konnte den Freiheits- träumen jener Zeit sein Ohr und Herz nicht verschließen, zumal ihn die Uebernahme einer Lehrerstelle an der landwirthschaftlichen Schule des Pastor Hildenhagen zu Quetz bei Halle mit diesem liberalen Abgeordneten und mit dem nachmaligen ökonomischen Quacksalber, dem damaligen Kreisrichter Schultze, in Verkehr brachte. Der rednerisch begabte Ule ward bald einer der eifrigsten Führer der liberalen Partei im Kreise Bitterfeld  -Delitzsch  . Eine Aeußerung, welche das Ministerium Brandenburg- Manteuffel der politischen Giftmischerei beschuldigt haben sollte, brachte ihn dann auf die Anklagebank und trug ihm eine mehr- monatliche Haft ein. Hier in Quetz war es auch, wo er zuerst mit Karl Müller aus Halle in Beziehung trat, der ebenfalls, wie Ule, die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse und einer auf diese gegründeten Weltanschauung im Volke sich zum Strebensziele gesetzt hatte. Beide strebten sie damals nach einer akademischen Laufbahn, die ihnen unter dem damaligen Regime