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machen, sich eine Gasse zu bahnen. Aber die Bajonnette werden gepadt, und mit eiserner Kraft entreißen die fleischlosen Hände den Soldaten die Gewehre. Ein furchtbares Gemezzel erfolgt, und unter dem Triumphgeschrei des Volkes muß das Militär fliehen; in den Fabriken, die durch eine Mauer geschützt werden, sucht es Rettung. Ein gewaltiges Thor bildet den Eingang, da hinein stürzt Alles, was sich gerettet, es kann nicht mehr ge­schlossen werden, und von neuem entbrennt ein furchtbarer Kampf. Die Soldaten erkennen, daß mit dem Verlust des Thores Alles verloren ist, und mit Verzweiflung vertheidigen sie es. Aber sie müssen erliegen, dem gewaltigen Ansturm des Volks können sie nicht lange Widerstand leisten. Jetzt naht ein Zug, ein großes goldnes Kreuz wird vorangetragen, die Geistlichkeit kommt; voran marschirt der Konsistorialrath, der frühere Pfarrer Lehnert. Es stockt der Angriff beim Anblick des Kreuzes, zu dem man so lange gläubig und hoffend aufgeblickt. Nur einen Augenblick zögert die Menge; sie begreift, daß das Kreuz sie zum Gehorsam zurück­führen soll, aber sie will nicht mehr gehorchen, nicht mehr genarrt werden. Mit einem Wuthgeschrei begrüßt man die falschen Priester, das Kreuz wird seinem Träger entrissen und auf dem Pflaster zerschmettert, ein furchtbares Getümmel umringt die Geistlichen; man schlägt auf sie ein, man reißt ihnen die schwarzen Gewänder vom Leibe; einige- mit ihnen der Konsistorialrath fliehen, andere brechen unter den Mißhandlungen des empörten Volkes zusammen. Die Soldaten benutzten die Verwirrung zu einem verzweifelten Vorstoß, und er wäre geglückt und hätte vielleicht zu einer Niederlage des Volkes geführt, wenn nicht ein Mann, eine hohe Gestalt mit edlem Gesicht und feurigen Augen, dem Militär mit Riesenkraft sich entgegengeworfen hätte; schon bei den ersten Kämpfen hatte er immer in vorderster Reihe gestanden. ,, Mir nach!" erschallt sein lautes Kommando. Er ist mit einer Büchse bewaffnet, und unter seinen wuchtigen Schlägen weichen die Soldaten zurück, jubelnd folgt das Volt. Der Eingang wird erzwungen, die Vertheider suchen sich in die Gebäude zu retten. Da kracht aus nächster Nähe noch ein Schuß, die hohe Gestalt fährt zusammen, die Hand greift nach der Brust, ein Blutstrom quilt hervor. Er wankt, man springt ihm bei und stützt ihn. ,, Vorwärts, ihr Männer!" so ruft er noch einmal mit Donner­stimme, dann bricht er zusammen.

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Bestürzt blickt das Volk auf seinen heldenmüthigen Führer, der mit der Hand noch winkt, das Werk zu vollenden, und von neuem stürzt man sich auf den Feind.

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Jetzt betraten die drei Freunde den Hof; auf dem Wege hatte man sie von allem, was geschehen war, unterrichtet, mit eigenen Augen hatten sie die Heldenthaten des unbekannten Mannes wahr­genommen, und nun standen sie vor ihm, er lag am Boden, bleich und regungslos.

,, Der Förster Schlegel!" rief Berner bewegt. Ich hatte mich nicht getäuscht."

,, Er ist todt," sagte der Doktor, der sich über ihn gebeugt und ihn untersucht hatte.

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Egler betrachtete erschüttert die vom Sturm gefällte Eiche. " Was er an uns gesündigt, das hat er hier gefühnt," sagte er. ,, So ist es recht," rief Berner. Er ruhe in Frieden!" ,, Nun frisch an die Arbeit!" mahnte der Doktor. Ein Jeder sehe zu, wo er nüßen kann. Wir Beide, lieber Berner, müssen uns mit Geduld wieder in unser unabänderliches Schicksal finden, Wunden zu verbinden, und Sie, Egler?"

,, Meine Stelle ist dort, wo sie geschlagen werden!" entgegnete Egler und folgte den Männern, die dem Kampfplaze zuströmten. In den Fabriken flammt es auf, man hat die Gebäude, nachdem man ihr Inneres total zerstört, in Brand gesteckt. Auch vom Gefängnisse steigt eine Rauch- und Feuerwolke empor.

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Das arbeitende Volk hat einen glänzenden Sieg erkämpft. In eiliger Flucht hat der Rest des Militärs die Stadt und Gegend geräumt. Freude strahlt nun aus allen Gesichtern, und mit Genugthuung blickt man auf den denkwürdigen Tag zurück. Man hofft auf eine allgemeine Erhebung. Boten tragen die

Siegesnachricht in die Nachbarschaft, und Freudenfeuer, die des Abends von den Bergen aufflammen, verkünden es in weitere Kreise.

Welche mächtige Feuersäule aber erhebt sich plötzlich am dunklen Horizont, dort, wo Waldau und die Falkenburg liegt? Feuerroth färbt sich der Himmel, es ist ein mächtiger Brand, und Boten bringen die Nachricht, daß die Waldauer Weber unter Jörg's Führung die Falkenburg überfallen und dort ein schreckliches Gericht gehalten hätten. An diesem Abende sollte auf der Falken­burg die Verlobung gefeiert werden, in vier Wochen sollte ihr die Hochzeit folgen und dann Graf Hugo in der Stadt sein Amt antreten. Von nah und fern waren die alten Geschlechter erschienen, in reichster Kleitung, in Sammet und Seide die Damen, behängt mit dem Schmucke vieler Jahrhunderte. Wie glänzend, wie überschwänglich prachtvoll dieses Fest! Doch, welch' eisiger, alle Freude ertödtender Zug durchwehte es. Die Hauptpersonen des Festes fehlten, Fräulein von Rabenberg und ihr Vater fehlten noch, und sie kamen nicht. Alle Entschuldi­gungen waren erschöpft, und wenn der Graf so unbändig lachte, so geschah es nur, um vor den Gästen seine verzweifelte Angst zu verbergen. Aber Niemanden konnte er täuschen, und peinlicher und unbehaglicher gestaltete sich von Augenblick zu Augenblick das Fest. Da sprengte ein Reiter in den Hof, der Graf stürzte, seiner Ungeduld nicht mehr länger Herr, hinaus. Er kehrte nicht in den Saal zurück Fräulein von Rabenberg war wahn­sinnig geworden. Die religiöse Stütze vermochte sie, eine Strede weit die unnatürliche Laft zu tragen, dann war sie mit zerrüttetem Geiste zusammengebrochen. Grenzenlose Bestürzung und Ver­wirrung erweckte das Ereigniß, Alles rüstete zum Aufbruch, Schüsse krachten, ein doch jetzt brach die Sintfluth herein. Feuerschein stieg auf. Man eilte zum Ausgange, mit zerschmet­tertem Kopfe fand man auf der Schwelle den alten Grafen. Wildes Geschrei erhob sich von allen Seiten, glühende Augen zeigten sich, und mit rasender Wuth stürzten sich die Hungrigen auf die versteinerten Gäste. Nur wenigen von ihnen gelang es, zu entkommen, die meisten fanden ihren Tod von den Händen der Weber oder wurden beim Brande des Schlosses von seinen Trümmern erschlagen.

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Mehrere Tage sind vergangen. Eine Militärdivision rückte von Schweidnitz mit schwerem Geschütz heran, von Breslau kamen auf der Bahn Schüßen, Musketiere und schwere Kavallerie. Von Ohlau haben sich die Husaren auf den Weg gemacht, nach Neisse , Glogau und Glatz find Staffetten abgegangen, um noch mehr Militär herbeizuholen. Zweitausend Mann nur sind die Hungrigen stark, aber man hat die Kraft der Verzweiflung kennen gelernt; diese Menschen können nicht im ehrlichen Kampfe besiegt werden, nur die kolossalste Uebermacht vermag sie zu bewältigen.

Auch in der Nachbarstadt ist es zum Aufstande gekommen, die Ausbeuter hat man verjagt und die Fabriken zerstört, aber weiter will die Bewegung nicht dringen, nur amtliche Berichte werden veröffentlicht, in denen man die Aufständischen als Diebe und Räuber brandmarkt; jeder Brief wird geöffnet und unter­So erstickt schlagen, sobald er eine wahre Nachricht enthält. man systematisch die Sympathien, die aller Orten für die Sache der Unterdrückten vorhanden sind. Immer enger wird der Militärkreis, der sich um den Herd des Aufstandes zusammen­zieht; immer näher rückt die Stunde, welche die Schlußkatastrophe bringen soll.

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Waldau ist von der Erde verschwunden; es mußte schrecklich die Hand der Gerechtigkeit fühlen. Was der Hunger am Leben gelassen, damit räumte das Militär jetzt auf. Die Flammen verzehrten das Dorf sammt seinen Bewohnern, und was aus dem Feuer sich retten wollte, das ist unter den Kugeln der Ordnungs­männer gefallen, die kein Leben im Dorfe verschonten. Alle Straßen sind besetzt, alle Ausgänge gesperrt, und nur eine Wahl ist den Aufständischen gelassen, entweder sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben oder zu sterben. Sie haben den Parla­mentär, den man ihnen geschickt, zurückgesandt; sie wollen kämpfen,