fachsten Art und bestanden die Letzteren auch nur aus abgebrochenen Baumzweigen oder aufgelesenen Kieselsteinen, so muß man darin gleichwohl jene gewaltigen Bahnbrecher erblicken, die im Laufe von weiteren Jahrtausenden für die Kultur die Wege ebneten.
Der Umstand, daß man gegenwärtig in denjenigen Ländern, wo die Natur ihre Schätze in üppigster Fülle ausbreitet, gewöhnlich eine verhältnißmäßig niedrige Kultur antrifft, spricht nicht gegen die oben gekennzeichnete Annahme. Buckle erklärt diese Annahme sehr richtig damit, daß der Mensch von Hause aus nur soweit Lust zur Arbeit hat, als zur Befriedigung seiner Bedürfnisse absolut nothwendig ist, und daß demnach in weniger reich bestellten Gegenden, wo die Fristung der Existenz des Menschen mühsamer bewerkstelligt werden kann, die Grundlage zur Entfaltung einer regeren Thätigkeit gegeben sei. Somit hat der fetteste Boden der Erde den Menschenverstand nur gezeitigt, während er seine höhere Entwicklung da erlangte, wo die mäßig ausgestreuten Lebensmittel nicht ohne Scharfsinn erworben werden konnten. Doch diese Verhältnisse sind schon kulturhistorischer Natur, und brauchen daher hier nicht weiter erörtert zu werden. Es galt ja nur, die
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Entstehung des Menschen anzubeuten; dies glauben wir nun in hinlänglicher Weise gethan zu haben.
Zum Schlusse noch einen Blick in die Zukunft! Wenn in fernen Jahrtausenden einmal der ganze Erdball von der Civilifation beherrscht sein wird, kann es sicherlich keinen Raum mehr geben für Raub und sonstige schädliche oder unnütze Thiere; dagegen wird der Mensch auf dem Wege der künstlichen Zuchtwahl Thierarten geschaffen haben, die er lediglich für seine Zwecke verwenden kann; er selbst aber wird sich auch bedeutend verändert haben, und vom heutigen Zeitalter wird man ungefähr in der Weise reden, wie wir jetzt vom Zeitalter der Seedrachen sprechen! Wird man dann auch noch daran zweifeln, daß die Arten der Organismen nicht aus der Hand des Schöpfers" hervorgingen, sondern Produkte eines allgemeinen Umgestaltungs- und Entwicklungsprozesses sind? Das ist wahrlich nicht zu befürchten; denn schon ist die jüngere Gelehrtenwelt damit beschäftigt, die alte eingerostete Glaubensmaschinerie in Scherben zu schlagen und der Erkenntniß zum Durchbruche zu verhelfen; und das Uebrige besorgt der Sozialismus!
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Die Stenographie und ihre Bedeutung.
Von E. Trachbrodt.
Unter allen den großartigen und tief in das Verkehrsleben eingreifenden Erfindungen der Neuzeit zieht in erster Reihe die deutsche Stenographie die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Wenn schon dieselbe seit längerer Zeit als Dienerin der Deffentlichkeit" in Parlamenten, in Volksversammlungen, wissenschaftlichen Körperschaften u. s. w. in glänzender Weise die Nüßlichkeit ihres Wirkens gezeigt hat und gradezu unentbehrlich geworden ist, so ist es doch jetzt speziell das größere Publikum selbst, welches mehr als je ein reges Interesse an der Stenographie bekundet und immer mehr zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Einführung einer Kurzschrift an Stelle der langsamen und geist tödtenden Kurrentschrift zur Nothwendigkeit geworden ist. Wie würde es wohl um unsere so rasch und großartig entwickelte Journalistik stehen, wenn Zeitungsschreiber und Berichterstatter nur kurze Protokolle über Reichs- und Landtagsverhandlungen 2c. aufnehmen und ihren Lesern nicht die wortgetreue Wiedergabe der Verhandlungen, welche allein nur die Stenographie ermöglicht, unterbreiten könnten? Wie würde es mit dem regen politischen Interesse, welches jetzt in allen Schichten und Kreisen des deutschen Volkes wahrzunehmen ist, beschaffen sein, folgte nicht der Stenograph mit seinem Griffel den bedeutungsvollen Reden der Staatsmänner und Staatsvertreter, wodurch allein die Möglichkeit gegeben ist, daß schon nach Verlauf einiger Stunden die Zeitungen in ganz Deutschland dem Publikum die genaue Wiedergabe der Verhandlungen mittheilen können?
Wie alle Neuerungen auf geistigem Gebiete lange und erbitterte Kämpfe gegen das bestehende Alte führen mußten, selbst auch dann, wenn der Nußen einer neuen Schöpfung klar und deutlich vor Jedermanns Augen lag, so sind auch der deutschen Stenographie harte Kämpfe gegen althergebrachte Vorurtheile und Bedenken aller Art nicht erspart worden, und noch immer werden der Verbreitung der Stenographie Hindernisse und Schwierigkeiten in den Weg gelegt, die den Zeitpunkt der Erfüllung des Wunsches ihres Schöpfers ,,, die Stenographie möge Gemeingut aller Gebildeten werden," noch in die Ferne rücken. Doch die Verwirklichung dieser Idee ist nur noch eine Frage der Zeit, da für die Anerkennung derselben ein Faktor mitwirkt, dessen Macht allein im Stande ist, alle Hindernisse zu beseitigen das Bedürfniß aller gebildeten Nationen, eine Schrift zu besitzen, welche, frei von allem geisttödtenden Mechanismus und zeitraubender Schwerfälligkeit, im Stande ist, dem Fluge des Gedankens zu folgen. Hierfür bürgt der Geist der Zeit und dafür zeugt auch die Verbreitung, welche die Stenographie bereits gefunden hat.
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Was nun die Stenographie im Allgemeinen anbelangt, so ist dieselbe durchaus keine neue Erfindung zu nennen. Bereits bei den alten Aegyptern und Juden will man die Spuren einer zweiten, kürzeren und flüchtigeren Schriftart neben der gewöhnlichen gefunden haben, und aus der Blüthezeit der Griechen ist uns bekannt, daß Xenophon mittels geschwindschriftlicher Zeichen die Vorträge seines Lehrers Sokrates aufnahm und zur öffentlichen Kenntniß brachte. Eine auf die Eigenthümlichkeit der Sprachformen gebaute und von wissenschaftlichem Geiste durchwehte Stenographie finden wir erst bei dem denkwürdigsten Volke der Erde, den Römern, und Tausende von uns bedienen sich noch heute, unbewußt mancher ihrer geschwindschriftlichen Noten in deren Ursprache oder in Nachahmung derselben, bei Abkürzung von Vornamen, Titeln und Aufschriften, bei Bezeichnung von Nr. und&, sowie in der Pharmazie bei den Rezepten 2c. Das Alter dieser Kunst bei den Römern ist zwar nicht bekannt, wohl aber erwiesen, daß ein Freigelassener des Cicero - Marcus Tullius Tiro , geboren 103 v. Chr. dieselbe in hohem Maße ausbildete und mittels Gehülfen zur Aufnahme von Reden im Senat verwendete. Die römischen Stenographen, Notare genannt, bedienten sich zu ihren Niederschriften mit Wachs überzogener Holztafeln und eines spitzen metallenen oder beinernen Griffels, und wurden die Tafeln nach ausgeführter Uebertragung der stenographirten Rede wieder geglättet.
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Man würde sich aber täuschen, wollte man dem Gedanken Raum geben, die römische Stenographie oder die„ tironischen Noten" hätten nur in einer Summe planloser und willkürlicher Bezeichnungen der einzelnen Worte bestanden, welche Zeichen der Stenographie sich alle hätten dem Gedächtnisse einprägen müssen; sie bestanden vielmehr in einer ausgiebigen Kürzung der Buchstaben, sowie in Abkürzung von Worten und Rebensarten- nach Gründen der Logik und Sprache und in solcher Regelmäßigkeit, daß das Wiederlesen jederzeit möglich war. Außer Tiro haben noch verschiedene andere Männer sich um Vervollkommnung der römischen Noten große Verdienste erworben, und beläuft sich die Zahl der zur Zeit bekannten römischen Noten auf etwa 13,000.
Welche Würdigung damals der Stenographie seitens des Staats zutheil wurde, geht allein schon daraus hervor, daß Kaiser Augustus dieselbe in den Rang der nützlichen Künste erhob und unter seiner Regierung sich in seinem Reiche dreihundert Schulen für Stenographie bildeten.
Auch die damaligen Dichter spendeten der Stenographie großes Lob. So heißt es in einem Epigramm des Ausonius: