,, Kein Laut entschlüpfet deinem Ohr Und nie versagt es dir den Dienst, Doch nimmer füllet sich dein Blatt. Sanft gleitend drückt die Rechte nur Leicht auf des Wachses Fläche fort. Und sprach ich viel aus aller Kraft, Umschweifend stets nach Redner Brauch, Hast du das kaum gesproch'ne Wort

Schon schnell in's weiche Wachs gedrückt."

Mit dem Verfall der römischen Kultur ging auch die Kunst der tironischen Noten allmählich verloren, und unter Kaiser Justinian   wurde die Verwendung der Stenographie bei staat­lichen Angelegenheiten ganz verboten. Der Grund hierzu war, daß dieselbe durch die eingerissene Sittenverderbniß zu vielen unedlen Zwecken benutzt wurde, welche Vergehen jedoch sehr streng, unter anderem mit Abschneiden der Finger des betreffenden Steno­graphen bestraft wurden. Es tauchten nur von Zeit zu Zeit einzelne Versuche von Stenographieen auf, deren jedoch keine in Bezug auf Vollkommenheit dem System Tiro's im entferntesten gleichkommt.

Der erste Versuch bei den neueren Völkern, ein System der Stenographie zu begründen, wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in England durch den Mönch John of Tibury gemacht. Doch hat dieses System, wie so verschiedene andere, eine weitere Ausbildung und Vervollkommnung nicht erfahren, und erst im Jahre 1786 publizirte Professor Samuel Taylor   in Drford ein System der Geschwindschreibekunst, welches nicht nur jetzt noch in England von der Mehrzahl der Stenographen praktisch benutzt wird, sondern auch in Uebertragungen auf die ver­schiedensten Sprachen zu sehr ausgedehnter Verwendung gelangte. Große Erfolge erzielte ferner der Volksschullehrer Isaak Pitmann mit seinem im Jahre 1837 veröffentlichten stenogra­phischen Systeme, welches ursprünglich nur eine Verbesserung des Taylor'schen Systems sein sollte, jedoch zu einer vollständig selbst­ständigen Erfindung führte.

In Deutschland   verschwand im 10. Jahrhundert bei der hereinbrechenden Unwissenheit des Mittelalters mit der Kenntniß der Schreibekunst im allgemeinen auch die der Kurzschrift. Das Schreiben war lediglich eine Beschäftigung der Mönche, und erst nach dem Wiederaufleben der Wissenschaften, der Erfindung der Buchdruckerkunst und der allgemeineren Verbreitung der Volks­

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bildung, sowie durch das verbesserte Schulwesen, erwachte, als sich schon aus der steifen, eckigen gothischen Schrift des Mittel­alters die neuere Kursivschrift gebildet hatte, das Bedürfniß einer Kurzschrift von neuem. Die erste nachweisbare Verwendung einer solchen fand bei der Aufzeichnung der von Dr. M. Luther ge= haltenen Predigten und Tischreden statt, wobei sich ein Freund desselben, Dr. Crußiger, durch außerordentliche praktische Fertig­teit auszeichnete.

3m Jahre 1796 entschloß sich, nachdem bereits eine große Anzahl stenographischer Systeme geschaffen worden war, der Kon­sistorialrath Friedrich Mosengeil   dazu, das Taylor'sche Werk auf die deutsche Sprache zu übertragen. Aber alle diese vielfältigen Versuche ruhen nun meist im Staube der Bibliotheken oder, wenn sie auch hier und da noch einzelne zerstreute Anhänger haben, so ist deren Zahl doch gewiß sehr mäßig, sodaß diefe Schriftarten kaum mehr einen größeren Werth als irgend eine Geheimschrift haben können, die auf eine bedeutungsvolle Zukunft Anspruch zu machen nicht gedenkt.

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Da publizirte im Jahre 1834 der Ministerial- Sekretär Franz Xaver Gabelsberger   in München   eine Anleitung zur deutschen Redezeichenkunst oder Stenographie"- die Frucht seines siebzehn­jährigen rastlosen Forschens, welches Werk denn auch als das vorzüglichste und beste aller stenographischen Systeme anerkannt werden muß. Als der Sohn armer Eltern wurde Gabelsberger  nach dem frühzeitig eintretenden Tode seines Vaters von dem Lehrer und Chorregenten Plinkhart zu Haag in Oberbayern   er­zogen, und später sorgten für seine weitere Erziehung die Kloster­geistlichen zu Attel. Nach dem Besuch der Schule des Benediktiner­stiftes zu Ottobeuern, dann des Knabenseminars und endlich des Gymnasiums zu München   wurde Gabelsberger   von einer schweren Krankheit befallen, die ihn hinderte, an einigen Schulprüfungen theilzunehmen. Kurze Zeit darauf versiegten auch die dürftigen Hülfsquellen zur Fortsetzung seiner Studien, sodaß er sich zu seinem größten Leidwesen gezwungen sah, von einem weiteren Studium abzusehen und für seine Subsistenz Sorge zu tragen. Nachdem er kurze Zeit eine untergeordnete Privatstelle bekleidet hatte, ward er im Jahre 1823 zum Sekretär im Staatsmini­sterium befördert und einige Zeit später in das statistische Bureau des Finanzministeriums versetzt.

( Schluß folgt.)

Ruine Partenstein  ( im Spessart  ).

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Da oben auf dem Berge Stand einst ein stolzes Schloß, Wo eben nach der Lerche

Der Edelfalke schoß.

Das Mühlchen, im Thale   gekauert, Geht noch seit grauer Zeit; Das Gute überdauert In alle Ewigkeit.

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Kurt Moot.

Ferdinand Freiligrath  ( Seite 504), einer der bedeutendsten und einflußreichsten Dichter der jüngsten Vergangenheit, wurde zu Detmold  am 17. Juni 1810 geboren. Bis zum 15. Lebensjahre besuchte er das Gymnasium seiner Vaterstadt und widmete sich alsdann mit Rücksicht auf die Beerbung eines in England lebenden wohlhabenden Oheims, dem Kaufmannsstande. Zuerst als Lehrling in Soest  , später in einem Wechselgeschäft in Amsterdam  , schließlich, von 1837-39, in Barmen in Stellung, beschäftigte er sich in seinen spärlich bemessenen Mußestunden mit Erd- und Naturkunde. mit besonderer Vorliebe das Morgenland bevorzugend, und mit dem Studium der französischen   und englischen Literatur. Im Jahre 1839 trat er zum erstenmale vor die Deffentlich­feit mit einer Se ag von Gedichten, deren mit den reichen Farben des Drients ge ctte Phantasie sich so raich die herzen eines weiten Leserkreises er te, daß er sich entschloß, auf die kaufmännische Karriere zu verzichter Seiner von jugendlicher Unbekanntschaft mit den sozial­politischen rhältnissen getragenen Ueberzeugung folgend, nach welcher der Dicht auf höherer 23arte stünde, ale auf der Binne der Partei", gerieth er mit der geharrischten Muse Herwegh's in Konflikt, die mit flammenden Gedichten die politische Huhe Deutschlands   zu stören begann. 1842 ward ihm dafür der Lohn in einem Jahrgehalt des preußischen Königs, das es ihm möglich machte, in St. Goar   am schönen

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Rheinstrome mit dem durch gleiche Gunst heimgesuchten Geibel ein heiteres, nur der Poesie gewidmetes Zusammenleben zu führen. Doch ertrug Freiligrath's Mannesstolz die Fesseln, in die ihn die königliche Gnade geschlagen, nicht lange; in seinem Glaubensbekenntnisse" trat er unter das Banner entschiedener Freisinnigkeit und leistete 1844 auf die preußische Pension rückhaltslos Verzicht. Schon 1845 trieben ihn Verfolgungen in die Schweiz  , und da diese ihm auch dort nicht er­spart blieben, siedelte er 1846 nach London   über, wo der deutsche Dichter als Korrespondent in einem Handelshause ein Unterkommen suchen mußte und fand. Der 1848er Bewegung warf er sich mit den Gedichten Die Revolution" und Februarklänge" begeistert in die Arme es litt ihn nicht mehr in London  , er kehrte in das Vater­land zurück. In seinem den Berliner   Märzgefallenen geweihten Ge­dichte Die Todten an die Lebenden" fand ein Staatsanwalt Staats­verbrechen; er ward verhaftet, aber am 3. Oktober 1848 von dem Geschworenengerichte freigesprochen. Einer abermaligen Verhaftung wegen des 1851 erschienenen zweiten Heftes seiner politischen und sozialen Gedichte entzog er sich durch die Rückkehr nach London  . Von da an lebte er wiederum in faufmännischer Stellung in London  , um 1868 von neuem nach Deutschland  , und zwar nach Stuttgart  , zurück­zukehren. Die Dichtungen der unpolitischen Epoche seines Lebens sind größtentheils ganz eigenartige Bilder aus dem Menschen- und Thier­leben der heißen Zone, in denen geniales Schilderungstalent mit ge­waltiger Phantasie und höchster Formvollendung um den Preis ringen. Auch seine zahlreichen politischen Poesien tragen den unverkennbaren Stempel der Meisterschaft und haben noch heute ihre intensive Wirkung auf die politisch empfänglichen Gemüther der Volksmassen nicht ver loren. Das neue deutsche Reich fand nur noch den Dichter, nicht mehr den politisch urtheilsfähigen und überzeugungstreuen Kämpfer Freiligrath unter den Lebenden; derselbe hatte sich, gleich so vielen Anderen, in einen Anbeter des brutalen Erfolges verwandelt. Am 17. März 1876 starb auch der Mensch Freiligrath  . Freiligrath  - der Poet der Revolution wird leben, so lange es freiheitbegeisterte Menschen gibt.

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