158

Sen glatten, saloppen Weltton anzunehmen, den er an Leuten, die lange nicht so reich waren als er, bewunderte und um den er sie beneidete. Die gute Frau hätte wohl auch den Kopf ge­schüttelt, wenn man sie in das Boudoir ihrer Kleinen" geführt hätte, welches unser Herr Kommerzienrath für den Inbegriff aller Eleganz und Vornehmheit hielt und nach seinen Begriffen halten mußte die Einrichtung dieses kleinen einfenstrigen Gemachs hatte ja ein ganz ansehnliches Stück Geld gekostet. Er wußte freilich nicht, daß die Töchter seines Banquiers in Breslau , die seine Emmy einmal besucht hatten, über dieses Boudoir ver­stohlen die Näschen rümpften; sie fanden, Tapete, Vorhänge und Meublemert seien sehr kostbar, stimmten aber in der Farbe nicht harmonisch zusammen, man habe nach und nach viel zu viel in das kleine Zimmer hineingepfropft, nach Laune und Zufall, statt dasselbe nach einem bestimmten Plan mit geschmackvoller Enthalt­samkeit und einfacher Eleganz auszustatten, und neben Gegen­ständen, die einen wirklichen Kunstwerth besäßen, fänden sich andere, die vielleicht theuer gewesen seien und dem Kommerzien­rath dadurch imponirt hätten, die aber eine wirklich vornehme junge Dame nur belächeln, über die sie nur die Achseln zucken

könne.

-

Es kann uns wohl nicht zugemuthet werden, ein Urtheil darüber abzugeben, inwieweit diese Kritik eine berechtigte war; wir verstehen ja von solchen Dingen auch nicht allzuviel und werden uns wohl in der Hauptsache auf die beiden Damen aus der Provinzialhauptstadt verlassen dürfen; ich sage ausdrücklich ,, in der Hauptsache" es gibt nicht viele Frauen, die nicht ein wenig boshaft, ein wenig ironisch und ein wenig maliziös würden, wenn von der Einrichtung oder der Toilette einer andern, und sei es selbst eine sehr liebe" Freundin, die Rede ist, und diese erfahrungsmäßig feststehende Thatsache macht es nothwendig, in Gedanken die etwas zu strengen Aeußerungen um eine Kleinigkeit zu mildern und abzuschwächen.

Was wir selber an dem Zimmerchen der jungen Dame aus­zusetzen haben, ist, daß sich dem Duft der vielfarbigen Hyazinthen­kerzen und der milchweißen Maiblumenglöckchen, die den Blumen­tisch schmücken, der Duft eines starken modischen Parfüms beimischt in einer für schwache Nerven jedenfalls höchst empfindlichen Weise.

Fräulein Emmy merkt davon freilich nichts; sie hat von der Mutter eine gesunde, kernfeste Natur geerbt, sich aber allerdings darüber, daß sie so gar nicht weiß, was Nerven sind und über ihre frischen Farben, die ihr fast bäurisch erscheinen wollen, schon Vorwürfe gemacht und ihre Pensionatsfreundinnen um ihre nervöse Disposition und ihre matte Farbe ernstlich beneidet; es ist jeden falls wesentlich feiner" und einer Kommerzienrathstochter würdiger, von den Nerven tyrannisirt zu werden und sich einer schmachtenden, interessanten Blässe rühmen zu können. Ihre Nerven wider stehen dem betäubenden Duft, von dem ihr Zimmerchen erfüllt ist, die Dame jedoch, welche sich nachlässig in die andere Ecke der blausammtnen Causeuse gegossen hat( Fräulein Emmy hat auch das noch nicht weg" und gibt sich viele Mühe, es zu erlernen), muß sich schon eher dem Jdealzustande nähern, denn als die dritte, welche, von den schweren Vorhängen fast verdeckt, am Fenster sitzt, dieses öffnet, sagt sie lebhaft:

-

" Recht so, Martha es ist unerträglich schwül und Emmy sollte entweder ihre Hyazinthen wegbringen lassen oder ihr Parfüm nicht wie Weihwasser versprißen. Zu starke Gerüche sind auch nicht bon ton, Kind."

Die Schweigsame am Fenster erwidert nichts und sieht hinaus in den Garten, aus dem das Plätschen des wieder in Stand ge­sezten Springbrunnens durch die Stille dringt; der Garten ver­läuft sich allmählich in Gebüschpartien, nimmt nach und nach vollständigen Parkcharakter an und geht zuletzt am Fuße des Höhenzugs in den Wald über, der diesen bedeckt, nur durch einen hohen Wildzaun von den königlichen und städtischen Forsten ge­schieden.

Fräulein Emmy hat inzwischen, obgleich etwas betreten, ihr orientalisches Parfüm, das sie rasend" liebt, in Schutz genommen, wird jedoch erst lebhaft, als die Dame, die sie kind" genannt hat, das Gespräch auf den nächsten Kasinoball in W., der be­nachbarten Kreisstadt, bringt. Im Tone unverkennbaren Interesses erkundigt sie sich:

Wir sind auch eingeladen, aber ob ich hingehe, steht doch noch nicht fest; meine besten Tänzer sind augenblicklich nicht da und du weißt wohl auch nicht, ob sie bis dahin zurückkehren werden; es wäre unverzeihlich- aber auf diese Herren ist nicht

immer voller Verlaß und man muß sich doch immer wieder ver­söhnen lassen, sonst werden die Bälle ja ganz fade."

-

Also Premierlieutenant von Ehrenfels, Lieutenant von Brandt, Lieutenant von Werner, Rittmeister von Heldrich? ich nenne sie nach der Anciennität, d. h. nach der ihrer Gunst bei dir." Die Frage hat eine leicht ironische Färbung. Fräulein Emmy ist viel zu naiv, arglos und eifrig, um diese Nüance nicht zu überhören. Sie meint:

Das ist aber noch keine Antwort; ich wollte doch wissen, ob du etwas über die Rückkehr der Herren gehört hättest."

" Ja, nach dem, was man mir sagte, hast du wenig Aussicht, die Namen der Herren in angemessener Abwechslung hinter die einzelnen Tänze zu schreiben und dich an lichtblaue Attilas mit silberner Verschnürung zu schmiegen du wirst wohl einmal mit dem bürgerlichen schwarzen Frack vorlieb nehmen müssen, womit ich nicht gesagt haben will, daß ich denselben für über­mäßig geschmackvoll halte."

-

Ach, das ist es ja nicht allein; du wirst doch zugeben, daß die Unterhaltung mit einem Offizier bei weitem interessanter ist, als die fast aller Herren vom Civil?"

Womit du jedenfalls andeuten willst, man brauche nur klingende Sporen an den Hacken zu tragen und einen klirrenden Säbel über's Pflaster zu schleifen, um der Inbegriff ritterlicher Galanterie und männlicher Schönheit zu sein? Nun, du wirst mit der Zeit auch auf andere Gedanken kommen, hoffentlich ohne schmerzliche Erfahrungen und lediglich durch das Wachsen deiner Einsicht." Fräulein Emmy ist sichtlich überrascht.

" Das klingt ja förmlich pathetisch und es möchte einem ganz angst und bange werden. Aber was in aller Welt hast du denn plötzlich gegen die armen Offiziere? Du hast doch früher nie solche Ansichten geäußert, sondern( und hier machte sie einen schüchternen Versuch, etwas wie Fronie in ihre weiche, helle Stimme zu legen) die Herren so sichtlich begünstigt, daß deine Verlobung bald mit dem, bald mit jenem von ihnen wiederholt mit aller Bestimmtheit vorausgesagt wurde."

,, Wie die Ereignisse bewiesen haben, stets mit Unrecht; du hättest gerade nicht nöthig gehabt, Werth auf diese leichtsinnig ausgestreuten Gerüchte zu legen, von denen du doch weißt, wie sie entstehen. Es braucht noch gar keine Kaffeegesellschaft gehalten zu werden, es brauchen nur zwei junge Damen in einem Dämmer­stündchen die blonden oder braunen Köpfchen zusammenstecken, wie wir es jetzt thun, und es ist eine neue Verlobung so gut wie proklamirt und wandert als Thatsache von Mund zu Mnnd, natürlich unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit."

,, Nun ja, icy will es ja gerne glauben und du brauchst nicht gleich böse zu werden, aber ich muß noch einmal fragen: Was haben dir die Offiziere gethan?"

" Ich denke, Kind, wir lassen das; es würde nichts dabei herauskommen. Jedes junge Mädchen aus guter Familie hat eine Periode, in der die Herren mit den blanken Knöpfen, den buntgeränderten Tellermüßen und der näselnden, affektirt- nach­lässigen Sprechweise ihr als Ziel aller Wünsche vorschweben, be­sonders aber die von der Kavallerie, und zwar je nach dem indi­viduellen Geschmack Husaren, Dragoner, Ulanen oder Kürassiere. Dieser Geschmacksverirrung entrinnen sie so wenig wie zehn Jahre früher den Kinderkrankheiten, doch bleibt sie gleich diesen meist ohne Folgen und man erinnert sich ihrer mit einem Achsel­zucken. Ich habe diese Periode, wie ich ohne weiteres zugebe, ebenfalls durchzumachen gehabt, aber jezt, meine liebe Emmy, suche ich Männlichkeit, adligen Sinn, wahren Muth und Zart­gefühl überall anders eher, als bei den Offizieren und habe für die recht schablonenhaften und recht durchsichtigen Künste der Herren nur noch ein leichtes Achselzucken und ein spöttisches Lächeln. Ich wünsche um deinetwillen, daß du zu der gleichen Ueberzeugung gelangst und daß du die Erkenntniß weder zu spät erwirbst, noch um einen höheren Preis als ich."

Die Angeredete, die erst ein wenig ungeduldig hatte werden wollen, hat sich dem Eindruck des ruhigen Ernstes, mit dem jenes Bekenntniß abgelegt ward, umsoweniger zu entziehen ver­mocht, als sie gewohnt war, sich der um fast zehn Jahre älteren mütterlichen Freundin, der jungen Wittwe eines pensionirten Dragonerobersten, welche in der Kreisstadt im Hause eines Schwagers, eines höheren Beamten, lebte und ein häufiger und immer gern gesehener Gast im Reischach'schen Hause war oft auf Wochen, ihres Scharfsinns, ihrer Welterfahrenheit und ihrer vielseitigen Bildung halber ohne langes Ueberlegen gläubig