ein feingebildeter, kunstsinniger und, wie man sagt, auch edel­denkender Habsburger  . Geboren im Jahr 1832, genoß er eine fürstliche Erziehung und fand trotz der Neppigkeit seiner Umgebung Zeit und Lust zu idealerem Streben. Im Jahr 1857 führte er die schöne Belgierin und Königstochter Charlotte als Braut heim und schuf sich und ihr das herrliche Miramar. Er dichtete und schrieb Memoiren, während an seiner Seite die stolze Belgierin in bildender Kunst sich übte und ein träumerisches Dasein in vollen Zügen genoß. Zwei Glückliche in einem Paradiese! Die Stellung unter den Menschen hatte sie zu Halbgöttern geschaffen; da trat der Versucher zu ihnen und bot ihnen die Kaiserkrone des fernen Mexiko  . Sie verließen das Eden ihrer bisher so un­getrübten Liebe und betraten den Weg der Abenteurer. Das Verhängniß vollzog sich. Man begrüßte ihn unter den Tropen als Kaiser, sie als Herrscherin( 1864); aber bald lehnten sich die Freiheitsdurstigen gegen ihn auf, bekämpften ihn als Usurpator, als Tyrannen. Das treue Weib schied von ihm, um bei Ver­räthern Hülfe und Rettung zu erflehen. Es war zu spät. Zehn Jahre nach ihrer Vereinigung stand er verlassen und ver­loren vor den Exekutionstruppen. Die Kugeln freier Mexikaner fanden den Weg durch den Purpur des Kaisermantels. Sein letter Gedanke war das verlorene Paradies, Miramar mit der unglückseligen Königstochter. Die Nacht der Schwermuth und Verzweiflung senkte sich über die unglücklichste der Wittwen. Das schöne Weib ist seit zehn Jahren irrsinnig, sie hat Miramar ver­lassen und eine lebende Leiche sich in die Dunkelheit des unbewußten Daseins zurückgezogen.

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Maximilian, als Mensch gut und edel, hatte vergessen, daß es in unserm Jahrhundert ein halsbrecherisches Unternehmen ist, sich in fremden Landen fremden Völkern als Herrscher aufzu­drängen. Er war ein Träumer der in der neuen Welt ein neues Reich verkündet und für seinen Wahn gestorben," sagt der Dichter von ihm*).

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,, Mit dem Wahne kam das Strafgericht, Ein Herrscher sieht die finstern Mächte nicht, Mat dhenes die ihre ſichre Beute stets umlauern Er wollte Samen auf Ruinen streu'n, Und an der reichen Ernte sich erfreu'n, In einer Kaiserburg mit morschen Mauern."

Wasma forma

Wir haben hier nicht zu untersuchen, in welchem Verhältniß Schuld und Sühne im Leben des verlornen Kaisers und der ehrgeizigen, jezt von schwerer Geistesnacht niedergedrückten Königs tochter zu einander stehen. Wir beschäftigen uns hier nicht mit dem in Purpur gehüllten Imperatoren, sondern mit dem Schöpfer von Miramar, dem kunstsinnigen Menschen, dem Freund der Musen, der im Unglück selbst noch sein Leid zu besingen versteht. ,, Was frommt des Herzens Zug  , Gebricht die Kraft zum Flug?

weine!"

Theurer, dent' an mich, und weine Miramar! Ich bewundere das Meer!" Der zauberhafte Name, das Drama, welches sich an denselben knüpft und vor allem der überwältigende Reiz der Natur, welcher diesem Plätzchen Erde eigen ist, üben auf Leidvolle wie auf Fröhliche eine außergewöhn= liche Zugkraft aus. Miramar ist der Wallfahrtsort jener Glück­lichen, die während der Flitterwochen ihrer jungen Ehe die Adria  besuchen; es ist aber gleichzeitig auch der letzte Zufluchtsort jener Unglücklichen, die sterben, weil sie lieben. Man hat im Verlauf von wenigen Wochen dort drei weibliche Leichen aus dem Meer gezogen: unglückliche Frauen, verlorene Bräute. Es wurde uns gelegentlich die Stelle gezeigt, wo man letthin eine blühende Triestinerin mit dem Fischernetz aus dem Wasser zog an sonniger Stelle eine nasse Leiche. Und was hat sie zum Selbst mord getrieben? Sie hat geliebt, einen Mann mit Leidenschaft geliebt, der als gemeiner Verbrecher sich enthüllte und niemals ihr Gatte werden durfte ein Brigand. Ja, die Liebe ist kein leerer Wahn, und Miramar hat recht sonnige Pläßchen, um selig sterben zu können. Wir machen zuerst dem Schloß einen Besuch. Man zeigt uns das Schlafzimmer Maximilians, sein Arbeits­zimmer, die Bibliothek, Gesellschafts- und Audienzzimmer, die Speisesäle, die Schloßkapelle und den Thronsaal. Nicht die fürstliche Ausstattung, sowohl als die Einfachheit all' dieser Räume und der edle Stil der Architektonik sind es, welche dem Innern des Feenschlosses am Meer" so eigenthümlichen Reiz verleihen. Aber überall stoßen wir auf Reminiscenzen traurigster Art. Biblio­thek und Gemälde verrathen den gebildeten Literatur, Kunst

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*) Dranmor's gesammelte Dichtungen, pag. 167-177. Berlin  . 1873.

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und Naturfreund. Unter den Delgemälden fesseln uns weniger die Porträts der gekrönten Häupter, unter denen weniger geniale, als mittelmäßige und beschränkte Kapazitäten zu sehen sind; auch die Verräther des verlornen Kaisers" fehlen nicht; es sind viel mehr einige Meisterwerke moderner Künstler, wie dasjenige eines Italieners, der Venedig   bei Nacht mit wunderbarer Naturtreue zu geben vermochte. Ein anderes von ergreifender Wirkung stelt den orientalischen Sklavenmarkt dar, wo weibliche Schönheit und Unschuld von der personifizirten Häßlichkeit und Gemeinheit um schnödes Geld feilgeboten wird. Hier hat der Künstler bewußt den krassesten Ausdruck für das soziale Elend gefunden, das am Mark der lebenden Gesellschaft zehrt. Wir sagen, un­bewußt" bewußt" und" unbewußt" hat der fürstliche Käufer dieses Gemäldes das Zerrbild unserer sozialen Verkehrtheit in die un­mittelbare Nähe seines Thrones verseßt. Oder ist dem nicht also? Bietet uus nicht die ganze sogenannte zivilisirte Welt ein trau­riges Abbild jenes orientalischen Sklavenmarktes? Sklave ist der schaffende Mann, Sklavin ist seine Tochter, vor deren Schönheit und Unschuld die Schazkammer des Reichen sich öffnet, um beides für schnödes Gold zu kaufen.

Lassen wir das weitere Reflektiren! Drüben auf einem Tisch steht ein kleines Gemälde, von der schönen Königstochter Charlotte selbst gefertigt: ein Schiff auf der Adria  . Die Malerin hat in den glänzenden Meeresspiegel ihre eigenen Gedanken versenkt. Sie wollte Kaiserin von Mexiko   werden und malt das Schiff, das sie mit ihrem Gemahl aus dem Paradies von Miramar wegführt und hinüberträgt an die ferne, fremde Küste. Trostlos ist sie einige Jahre später von dort wieder zurückgekommen, um an ihrem Schicksal irre zu werden.

Im Thronsaal hängen die Bilder der berühmtesten Habsburger  und eine herrliche Komposition zur Geschichte dieses Königshauses: eine Allegorie auf Karl V.  , in dessen Reich die Sonne nie unter­ging. Ueber diesem großen Gemälde ist auch das Porträt eines , vergangenen" Kaisers angebracht, dessen ganze im Bild zur Darstellung gekommene Erscheinung unwillkürlich an den Menelans in der schönen Helena" erinnert eine lächerliche Gestalt. Sie verunzierte den ganzen Thronjaal.

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Wozu aber überhaupt dieser Thronsaal in Miramar?

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Man sagt uns, daß er die Ausführung einer Idee des ver­lorenen Kaisers von Meriko sei. Allerdings eine köstliche Idee. Man findet auch weise Sprüche an passender Stelle angebracht; Lateinische Verse mit tiefem philosophischen Inhalt, die der Wandersmann verweilend liest und ihren Sinn bewundert."- Gewiß, Maximilian war ein Schöngeist! Aber er hat den Thron­faal nicht mehr vollendet gesehen. Ein Thronsaal für einen Todten! Das Szepter liegt zerbrochen auf seinem Sarg und die Krone zertreten im merikanischen Sand. Die Republik   hat ihm den Tod gebracht. Weise Prätendenten können von ihm lernen. Der Thronsaal ist eine Ironie auf die herrliche Schöpfung Maximilians, und sollte dereinst das Feenschloß in Trümmer gehen, so wird es der Thronsaal verschuldet haben.

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Wir erinnern uns nochmals des Sklavenmarktes" in einem benachbarten Gemach. Und die neue Zeit flüstert uns zu: Du sollst dich nicht treten lassen.

Du sollst dich nicht unterdrücken lassen. Du sollst den Sklavensinn von dir thun. Du sollst die Knechtseligkeit von dir thun.

Du sollst dich nicht bücken vor einem lebendigen Menschen; Denn er ist nicht mehr als du.

Es war der Thronsaal das letzte, was wir im Schlosse sahen; denn in der Schloßkapelle war es finster und wir haben sie nur gestreift, als wir hinaustraten, um in den großen Park zu wan­dern. Der helle Sonnenschein lag über der prächtigen Meeres­bucht mit dem schloßgekrönten Landvorsprung, als wir außen rings herumgingen um das sonderbare Trauerhaus. Du magst an irgendeiner Stelle deinen Blick vom Schloß wegwenden und hinausschweifen lassen in die Natur: überall wird dich letztere bezaubern. Das Meer ist ein ewiges Leben, eine nimmerruhende Bewegnng; sein Bild ist in keinem Augenblick identisch mit dem vergangenen; die Zukunft jeder Augenblick bringt dir immer neue Aspekte. Und wenn du, an irgendeiner Stelle am Ufer ihm in's leuchtende Antliß schaust, so kehrst du immergrünen Gebüschen, Lorbeerhainen und duftenden Wäldern den Rücken. Delbaum und Lorbeer, Eiche und Myrthe, Cypresse und Fächerpalme, Ceder unb Mammuthsbaum, Araukarien und Weymouthstiefern mahnen an fremde Lande, zumeist an den gesegneten Süden. Eiche und Fichte, Ephen und Stechpalme, Wachholder und Sinngrün sind Kinder:

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