des Nordens; aber zwischen ihnen stehen wildwachsend Opuntien und Agaven und erzählen von Meriko und vom verlornen Kaiser und der irrsinnig gewordenen Kaiserin.

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Ich habe schon viele Gärten und Anlagen gesehen, allein diese Mannichfaltigkeit und diesen Artenreichthum noch nirgends in dem Maße auf so kleinem Fleck Erde  . Namentlich sind es die Nadel­hölzer und Cupressineen, die hier eine Vertretung fanden, wie faum in einem botanischen Garten des europäischen Festlandes. Die libanotische Ceder, aus deren Holz bekanntlich der salomo­nische Tempel aufgebaut ward, und der kalifornische Mammuth­baum( Sequoia gigantea) gedeihen hier beide gleich prächtig, obschon sie sich im Vaterland Gegenfüßler sind. Im ganzen Park finden wir vorwiegend immergrüne Baum- und Straucharten, so daß selbst im Winter, der übrigens selten Schnee bringt, das Grün ausharrt und über den nordischen Gesellen triumphirt.

Auf der großen, ebenen Parkterrasse mit dem unvergleichlichen Ausblick auf das Meer, steht eine Doppelreihe prächtiger Fächer­palmen von doppelter Manneshöhe( Chamaerops excelsa). Nur eine dieser Pflanzen ist männlichen, alle übrigen sind weiblichen Geschlechts. Und das, was uns der Gärtner von diesem Pflanzen­Sultan und seinem Harem erzählt, erinnert mich unwillkürlich an die Meinung der lautern Brüder", arabischer Gelehrten des 10. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, wonach die Palme auf der höchsten Stufe der pflanzlichen Entwicklung steht, weil sie eine Thierpflanze ist, welche in ihren Handlungen und Zuständen denen der andern Pflanzen ferner steht, wiewohl ihr Körper pflanzenartig bleibt." Im Palmbaum ist nämlich die handelnde ( männliche) Kraft von der leidenden( weiblichen) getrennt, und die männlichen Stämme haben befruchtenden Blüthenstaub für die Weibchen, wie dies bei den Thieren."

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Welche Fortschritte hat die Naturerkenntniß seit jener Zeit gemacht, da die Botanik allein um der Arznei willen betrieben wurde und ein Theophrastus Paracelsus   ab Hohenheim   um 1500 von den Medizinern verlangte, daß sie auch die Anatomei in solcher Gestalt der Kräuter und aller Gewächsen" studiren, auf daß ihr da zusammen die gleiche Anatomei der Krankheit in Ord­nung bringet. Ein Kraut ist frauisch, eins ist männisch. Nun sieh die Wurzeln der Manneskrankheiten und besiehe die Wurzeln der Frauenkrankheiten, und size darüber und rechen es aus, wie du bestehen wirst mit deiner physica und causis und indiciis. Allein es sei denn, daß du den Frauen gebest ihre besondern Wurzeln, den Mannen ihre besondern, und wissest die Arznei, daß sie gespalten ist, den Mannen ein Theil, den Frauen

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den andern Theil, sonst wirst du kein Arzt sein, sondern ein Ver­führer: dazu du mit viel Künst darfest Lügen und Tellerschlecken, wie denn euer aller Art ist und Studiren auf den hohen Schulen!" Die Fächerpalmen auf Miramar tragen Früchte; das einzige männliche Exemplar hat alle weiblichen Blüthenstände befruchtet. Wir wissen heute auch ganz bestimmt, daß die Alten nicht recht hatten, als sie meinten, daß weibliche und männliche Palmen sich zur Blüthezeit gegen einander neigen.

Unten am Meeresufer sind untergetauchte Wasserpflanzen. Mit dem Mikroskop erkennst du bei genauerer Untersuchung als­bald, daß das geheimnißvolle Liebeleben in der Pflanzenwelt schon bei niedern Gewächsen zum wunderlichsten Ausdruck gelangt und ohne Zweifel bei den niedersten Pflanzen seinen Anfang ge­nommen hat.

Ungemein erfrischend und zugleich reich an perspektivischen Aspekten sind die langen, zum Theil sich kreuzenden Schatten­gänge mit den schwarzgrünen Epheudächern. Einer derselben ge­währt vom hintersten Ende aus einen wunderbaren Blick das Laubwerk seiner Wände und Decke entlang bis zur vordern Deffnung und dann hinaus, direkt in's Meer und hinüber an die Felsküste, auf deren Höhen Duino   mit Thurm und weithin schimmernden Häusern grüßt. Dicht hinter letzteren guckt auch noch der Thurm von Monfalcone   hervor und schaut zu uns in den langen Schattengang herein, als spähete er nach Liebes­tändeleien.

An anderer Stelle treffen wir in einem dieser Laubgänge einen alten Bekannten, eine bronzene Kopie der nackten Statue von Napoleon I.  , die in der Brera zu Mailand   dem Besucher so fremdartig entgegentritt. Die Kopie ist als solche sehr gelungen; aber wir können diesem in Erz antiquirten Welteroberer keine ästhetische Seite abgewinnen, am allerwenigsten in unsern Tagen, da sich die ganze denkende Welt wieder schmerzlich daran erinnert, daß es Napoleon I.   war, welcher die Errungenschaften der fran­ zösischen   Revolution für lange Zeit zu lähmen vermochte. Canova hat diese berühmte Statue schon 1810, also noch zu Lebzeiten Napoleons  , modellirt und in Rom   aus der Hand des Gießers hervorgehen sehen. Von 1814 bis 1836 lag die Statue in den Magazinen der Akademie, hernach im Museum, bis sie 1859 im Hof der Brera auf das Postament erhoben wurde. Auf wessen Veranlassung hin diese Kopie in Miramar ihren Einzug hielt, ist uns unbekannt. Wahrscheinlich ist sie ein Geschenk Napoleons   III., welcher den Erzherzog Miximilian nach Mexiko   und in's Ver­derben führte. ( Schluß folgt.)

Ein Wort über Stenographie.

Der Bildungstrieb unseres arbeitenden Volkes dringt immer raftloser vorwärts. Es ist dabei nicht zu verwundern, wenn der Durst nach Wissen, der unsere Proletarier beseelt, oft genug nicht immer an den reinsten Quellen zu stillen versucht wird. Seit das Volk weiß, daß Wissen Macht ist, wirft es sich mit wahrem Ungestüm dem Lernen in die Arme; woher sollte es wissen, welche Bahnen die richtigsten, welche Ziele die greifbarsten sind. Das Lernen selbst ist auch eine Wissenschaft und keine von denen, die immer leicht zu handhaben sind.

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In der neueren Zeit ist die Stenographie mit Enthusias­mus als Bildungsmittel des Volkes proklamirt und mehr oder weniger als großartige Kulturerrungenschaft aufgestellt worden. Die Neue Welt" hat sich veranlaßt gesehen, am Schlusse des ersten Jahrgangs eine solche Auslassung zu veröffentlichen. Ein Blick in die Arbeiterzeitungen überhaupt zeigt, daß in den An­zeigen der Bildungsvereine der Stenographieunterricht eine vor ragende Rolle spielt.

Was ist der Grund dieser Erscheinung? Verdient die Schnell­schreibekunst wirklich den Platz, den ihr enthusiastische Verehrer erweisen? Gehört sie wirklich in dem Sinne zu unsern Kultur­errungenschaften, daß sie berufeu ist, Gemeingut aller zu werden und die Entwicklung des Geistes überhaupt zu fördern? Zur Beantwortung dieser und einiger damit zusammenhängenden Fragen erbitten wir uns die Aufmerksamkeit. des Lesers.

Es ist eigenthümlich, daß die Stenographie geradezu an den Orten, wo sie anscheinend am meisten Nutzen bringen könnte, an unseren Hochschulen, nirgends so recht Eingang findet. Tausende

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von jungen Leuten fizzen zu den Füßen des Lehrers, ihr Ohr- hängt an dessen Munde und die flüchtige Feder bringt die Worte zu Papier  . Wie trefflich, wenn man die Kunst versteht, alles, jedes einzelne Wort zu fixiren! Denn was man Schwarz auf Weiß besißt, kann man getrost nach Hause tragen." Wie unangenehm aber, wenn man diese Kunst nicht versteht und so manches Wort, so mancher Gedanke des Lehrers der flüchtigen Feder entrinnt! Da ist die Kunst der Stenographie gewiß ein herrliches Aus­funftsmittel! Und doch ist dem nicht so. Zwischen Schreiben und Schreiben ist ein großer Unterschied. Der Student, welcher gut stenographirt, bringt es allerdings fertig, am Schluß der Vorlesung alles, jedes einzelne Wort, das vom Lehrer gesprochen wurde, in seinem Hefte zu haben; sein" Manuskript" ist tadellos, vollständig. Aber und das ist ein Hauptgrunder hat die Worte des Lehrers nur in seinem Hefte, nicht aber in seinem Kopfe. Der Student dagegen, welcher nicht stenographirt, sondern die gewöhnliche Schrift, weun auch mit beliebigen Abkürzungen, benutzt, hat zwar kein wörtliches Manuskript", aber er kann sich ganz gut das Wissenswertheſte fixirt und dasselbe was wiederum ein Hauptpunkt ist ein Hauptpunkt ist zugleich in seinen Kopf, d. h. in sein Ver­ständniß, aufgenommen haben. Eine kurze Erläuterung wird das verständlich machen.

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Je gewandter nnd rascher der Vortrag eines Lehrers ist, desto weniger hat der Stenographirende Zeit, dem Inhalt der Worte auch nur die geringste Aufmerksamkeit zuzuwenden. Er hört den Laut oder Schall der Worte und die nothwendige Eile, jeden Laut zu firiren, macht es ihm rein unmöglich auch den Sinn zu