Universalerben ernannt worden wäre. Nun war auch diese Gefahr beseitigt, und man athmete freier.
,, Ad V. Meine Schwester Martha", las der Stadtrichter, ,, eignet sich ganz vortrefflich zur Wirthin eines Gasthauses. Da sie selbst gern gut ißt und einem ächten Tropfen nicht abgeneigt ist," her schmunzelte Jonas Wallfisch verständnißvoll so habe ich für sie das Wirthshaus und die Schankgerechtigkeit in Segendorf erworben, und wird es nur an ihr liegen, durch prompte und reelle Geschäftsführung ihrem kleinen Wirthshause einen großen Ruf zu verschaffen."
Martha ward bleich vor Zorn, während ihre große Nase im schönsten Rubinroth erglänzte. Sie kannte das kleine, erbärmliche Wirthshaus in Segendorf, das ganze Grundstück war nicht viel über 1000 Thaler werth, und das sollte ihr ganzes Erbtheil sein! Aller Augen blickten nun auf den Hofrath, an ihn mußte jezt die Reihe kommen, wenn es dem Alter nach ging, wie bisher. Aber es hieß weiter in dem sonderbaren Testamente: ,, Ad VI. Auf einer meiner Reisen hatte ich Gelegenheit die innere Einrichtung und das Leben in einem Stift für„ betagte Unvermählte" weiblichen Geschlechtes kennen zu lernen. Mit einer scharfen Zunge und ein wenig Bosheit kann sich da eine jede
167
recht angenehm durch's Leben bringen, denn was das Dasein alter Jungfern so peinvoll macht, wird ihnen in dieser wohlthätigen Anstalt aus dem Wege geräumt. Sie erblicken hier weder einen Mann, noch ein jüngeres oder schönes weibliches Wesen, also wird weder ihre Herzensruhe gestört, noch ihr Neid erregt. Dafür dilettiren die Bewohnerinnen dieses Stiftes in allen möglichen Künsten, und wird es meiner poetischen Schwester leicht werden, ein geeignetes Publikum für ihre lyrischen Ergüsse zu finden. Ich habe mich demnach entschlossen, eine Stelle durch Einzahlung eines Kapitals für sie zu erwerben, und gebe ich ihr zu bedenken, daß, wenn sie nicht in das nauenheimer Stift übersiedeln wollte, das Geld verloren wäre und sie somit leer ausginge." Bisher hatten noch alle Genannten ihre Fassung zu bewahren gewußt, nur Emmerenzia machte eine Ausnahme. Ihre dunkeln Augen schossen Blize, die Geiernase schob sich noch mehr vor und dafür trat das Kinn fast gänzlich zurück, sie flüsterte der neben ihr fizenden Schwägerin Friederike zu, daß sie dieses ungerechte Testament umstoßen werde, und da sie bei ihrem Sprachfehler jedes Wort verstümmelt herausbrachte, klang es wie das Zischen einer Schlange. ( Fortsetzung folgt.)
Parlamentarier.
-
X.
Dr. Löwe- Calbe! Mit welchem Jubel wurde des Mannes Name genannt, als er mit einem Theile der Mitglieder des Parlaments von Frankfurt nach Stuttgart übersiedelte und dort energisch für die Reichsverfassung eintrat. Und welche Erbitterung griff um sich, als man hörte, daß der glänzende Redner und der gewandte Parlaments präsident wegen Hochverraths am deutschen Bunde vom preußischen Obertribunal zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt worden sei. Glücklicherweise war Löwe in's Ausland gegangen, und alldieweil ging es den Preußen so wie den Nürnbergern.
Löwe ist ein geborener Redner, er hat eine volltönende, kräftige und klangreiche Stimme, sein Stil ist edel und seine Ausdrucksweise geht zu Herzen was wunder, daß er 1848, in jener großen, wenn auch allzuphrasenreichen Zeit, große Begeisterung fand. Seine Pflicht that Löwe in jener Zeit, soweit es ein einziger Mann vermochte, völlig, und sein Andenken wäre allen wahrhaft freisinnigen Männern in Deutsch land theuer geblieben, wenn, ja wenn Löwe nicht nach Deutschland zurückgekehrt wäre.
Er hatte sich in die Schweiz geflüchtet, war dann nach London und darauf nach New- York gezogen, wo er von seiner ärztlichen Praxis lebte. Da nahte sich ihm das Unglück im Jahre 1861 in Gestalt der vom Preußenkönig erlassenen Amnestie. Löwe kehrte nach Deutschland Löwe kehrte nach Deutschland zurück und machte sofort den dummen Streich, sich das preußische Bürgerrecht wiederzuerwerben und in das Abgeordnetenhaus wählen zu lassen.
Geboren ist Löwe in Olvenstedt bei Magdeburg im Jahre 1814; den Zunamen Calbe hat er erhalten, weil jener Ort ihn 1848 in's Parlament wählte, in dem er zur Linken gehörte. Nach der Uebersiedlung des Parlaments nach Stuttgart wurde er zum Präsidenten gewählt. Vom Jahre 1863-70 und von 1873 bis jetzt ist er Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, dessen erster Vicepräsident er seit 1876 ist. Seit 1867 ist er Mitglied des deutschen Reichstags. Als Parlamentarier ist der Mann immer tiefer gesunken; vom Demokraten über die Fortschrittspartei hinaus, befindet er sich bei den Nationalliberalen, wenn auch nicht dem Namen nach Laster ist ihm manchmal zu frei sinnig. Er stimmte für das deutsche Militärgesez, welches auf sieben Jahre das Budgetrecht des Reichstags illusorisch machte; er stimmte für das Landsturmgeseß, daß alle Staatsangehörige bis zum 42. Jahre friegspflichtig macht und unter den Korporalstock bringt.
Löwe ist fett geworden, sehr fett; sein Herz ist fett geworden, sein Hirn und seine Stimme und so fett, so zahm ist er auch geworden. Erhält der rothe Revolutionär von 1848 nun noch eine Geheimrathsstelle im Reichsgesundheitsamt, auf welche er spekuliren soll, so ist ec politisch vollends todt, und so wollen auch wir ihn zu den Todten werfen. H.
Verein."
-
Es ist ganz unzweifelhaft, daß die Noth, das Bedürfniß, die Menschen zur Vereinigung geführt. Wir haben in der Natur noch ähnliche Vorgänge; die einzelne Strähe ist einem Habicht nicht gewachsen, vereint aber wird er bezwungen, und so ist es im Menschenleben, gleichgiltig auch, ob der feindliche Gegenstand ein Menschenfresser oder ein anderes Uebel iſt. Die Menschen wollen ein friedliches und ein ihrer Kultur entsprechendes glückseliges Leben führen. Jeder Mensch hat das berechtigte Streben nach dem vollen Genuß aller Vorzüge, welche der Gesellschaftsverband dem einzelnen zu bieten vermag, und diesem Streben begegnen wir bereits in den ersten Anfängen der Menschheitsgeschichte. Von einzelnen wurden Erfindungen und Entdeckungen gemacht, welche ihnen Vortheile brachten. Die Vertheidigung derselben, das Bestreben, sie allein auszunuzen, erweckte Gesellschaftskämpfe, da die übrigen Mit glieder des Verbandes das sehr natürliche Verlangen trugen, die Vortheile, welche der einzelne vor den anderen genoß, zu verallgemeinern, ein ebensolches Dasein zu führen, wie ihr zufällig bevorzugter Genosse. Wo der Glückliche sich dazu verstand, an den Vorzügen, zu denen er gelangt, auch andere theilnehmen zu lassen, um nicht mit allen theilen zu müssen, da entwickelte sich der Klassenstaat, da gab es auf der einen Seite Starte und Mächtige, Herrscher, und auf der andern Schwache und Abhängige, Sklaven. Diesen Kämpfen begegnet man auch heute noch. Einer großen Menge, der der Lebensgenuß vorenthalten und verkümmert wird, den die Kulturstufe bietet, welche der Gesellschaftsverband erreicht hat, steht ein kleiner Bruchtheil Genießender gegenüber. Die Menschen in ihrer Allgemeinheit beseelt nicht, wie neuerdings von einem namhaften Gelehrten auf dem Gebiete der Sozialwissenschaft behauptet wurde ,,, das ruhelose Streben nach bevorzugtem Dasein, nach Vortheilen vor anderen und selbst auf Kosten anderer," sondern allein das Verlangen nach der denkbar höchsten Glückseligkeit. So wollen die arbeitenden Klassen auch nicht ein schwelgerisches Leben, wie die Genießenden es sich bereiten können, sondern ein auskömmliches und gleich glückliches für alle. C. L.
Ein Mitarbeiter Mirabeau's . Das in meinem Artikel über die Jakobinermüze erwähnte Buch von Professor Galiffe enthält auch einen Brief von Etienne Salomon Reybaz. Der Name dürfte nur dem kleinsten Theil der Leser der ,, Neuen Welt" bekannt sein; er lieh seinen Glanz einem andern und größern, und der unverdienten Vergessenheit entriß ihn erst ein 1873 herausgekommenes Buch von Plan, das an der Hand von auf der genfer Stadtbibliothek befindlichen Originalien den strengen Beweis durchführte, daß Mirabeau nicht allein von Reybaz fortwährend mit Material für die parlamentarische Aktion versehen wurde, sondern daß er auch mehrere Reden hielt, welche dieser für ihn entworfen und bis in's Detail ausgearbeitet hatte. Im Jahre 1781 kam es in Genf zu blutigen Wirren, die Nachbarstaaten intervenirten und die Häupter der revolutionären Natifs entzogen sich der Rache des siegreichen Patriciats durch die Flucht. Unter den Geflohenen war auch Reybaz. Ein geborener Waadtländer, hatte er nach VollHauslehrerſtelle bekleidet, dann als Mentor eines jungen schwedischen Gcafen Frankreich durchreist, in literarischen Kreisen daselbst viele Bekanntschaften angeknüpft und bei seiner Rückkehr in der schönen Lemanstadt das Bürgerrecht erworben. Mit seiner scharfen Feder verfocht er die Sache der Natifs und die Niederlage dieser Partei machte auch seine Stellung unhaltbar. Dekonomisch unabhängig, lebte er in Paris , wohin er sich gewendet, ganz seinen Studien und arbeitete nur gelegentlich für eine Zeitung. Zwei Mitarbeiter des von Mirabeau begründeten ,, Courrier de Provence" machten ihren Meister aufmerksam auf
Die ersten Anfänge der Gesellschaftsbildung. Bei der Beschreiendung theologisch- philosophischer Studien in Genf längere Zeit eine bung des ägyptischen Thierdienstes erzählt Diodor : ,, Als die Menschen aus dem thierischen Zustande zum geselligen Leben übergingen, so fraßen sie einander auf und bekriegten sich, wobei der Stärkere immer den Schwächeren überwältigte. Nachher aber fanden es die, welche an Stärke den anderen nicht gewachsen waren, vortheilhafter, sich schaarenweise zu sammeln und sich gewisse Thiere, die später heilig gehalten wurden, zu Merkzeichen zu wählen. Bei einem solchen Mertzeichen tamen nun Leute zusammen, die in beständiger Furcht gelebt hatten, und bildeten so ihren Verfolgern gegenüber einen achtunggebietenden