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die glänzende Begabung ihres Landsmanns, und dieser versäumte nicht, denselben für dauernd an sich zu ziehen. Plan hat circa sechzig Briefe veröffentlicht, welche Mirabeau an seinen Mitarbeiter schrieb, und dieselben beweisen, daß zwischen den beiden ein herzliches, auf gegenseitiger Hochachtung begründetes Verhältniß bestand. Ein Brief, datirt vom 4. Januar 1790, ist das Begleitschreiben zu einer Arbeit über die Reform einer kriminalrechtlichen Materie, welche Reybaz zur Durchsicht unterbreitet wird. Unterm 28. Januar spricht ihm Mirabeau seinen lebhaften Dank aus für die ihm gelieferte Abhandlung über die moralischen und politischen Konsequenzen des priesterlichen Cölibates. Er entschuldigte sich, daß er in seiner Rede einige Worte ausgelassen habe und versicherte, daß sie im Druck erscheinen werden. Einmal flagt er auch mit reizender Höflichkeit über die Schrift, welche für die Tribüne zu fein sei. Die Reden über das Duell, über die Organisation der Nationalgarde, die Besteuerung der Rente u. s. w. sind unter direkter Mithilfe von Reybaz entstanden. Auch einen Entwurf über die Umund Neugestaltung des öffentlichen Erziehungswesens, den ,, Anker der Revolution" sollte er abfassen, Mirabeau forderte ihn hierzu mit schwungvollen Worten auf. Von seinem Sterbelager aus richtete er noch einen Brief an Reybaz, in welchem er die Hoffnung ausdrückt, bald wieder auftreten zu können. Der Tod ereilte ihn jedoch am 2. April 1791; drittes Tags darauf bestieg Talleyrand die Tribüne, verlas die( von Reybaz entworfene) Rede, welche Mirabeau hatte halten wollen und nannte sie dessen„ legten Seufzer". Der Entwurf zu dem meisterhaften Votum über die Priesterehe fand sich vollständig im Nachlasse von Reybaz vor. Wird Mirabeau , von dem Viktor Hugo irgendwo sagt, es sei kein Mensch und kein Volk, sondern ein unermeßliches Ereigniß, das zu uns spreche," durch Plan's Enthüllung vom Piedestal geworfen? Keineswegs. Wie seit der Entdeckung der Sonnenflecke die Sonne uns nicht minder majestätisch erscheint, so bleibt Mirabeau in seiner ersten Periode doch eine großartige Gestalt, ein flammendes, leider aber bald in einer Korruptionslache untergegangenes Gestirn. Schon seine ersten, zum Theil im Gefängniß und gewiß ohne Beihilfe dienst barer Geister geschriebenen Werke( es sei nur an seine ,, Briefe über die Verhaftungsbefehle und die Staatsgefängnisse" erinnert) athmen eine Kraft und Leidenschaftlichkeit, wie sie nur genialen Naturen innewohnt. Und gerade darin, daß er den bescheidenen und unberühmten Reybaz nach kurzem Verkehr, beinahe auf den ersten Blick als einen Mann von fongenialem Wesen erkennt, ist ein Beweis seines eminenten Scharfsinnes. Mirabeau vertrat den Konstitutionalismus in der Revolution; Reybaz war Republikaner, aber ein sehr gemäßiger, der an der weiteren Entwicklung keine sonderliche Freude hatte. Als Vertreter seiner Vaterstadt bei den französischen Machthabern entwickelte er später viel Energie und kehrte dann in's Privatleben zurück, um seinen Studien zu leben. Er starb 1804. Seine Tochter vermählte sich mit dem dänischen Dichter Baggesen.
R. R.
Rouget de Lisle trägt zum erstenmal die Marseillaise vor. ( Bild Seite 161.) In Straßburg war es, wo das weltberühmteste und wirkungsreichste aller Lieder gedichtet und zum erstenmale vorgetragen wurde. Der dort garnisonirende französische Ingenieuroffizier Rouget de Lisle hatte durch einen Schlachtgesang die französischen Truppen für die Kämpfe gegen die verbündeten Preußen und Desterreicher begeistern wollen, aber es sollte ihm viel mehr gelingen, als er träumen konnte sein Lied ward nicht nur binnen fürzester Frist zum Schlachtgesang der Rheinarmee, sondern es drang auch von der Armeeher in's Volk von ganz Frankreich und hielt mit den marseiller Revolutionssoldaten im Hochsommer 1792 seinen denkwürdigen Einzug in Paris , um als Kampfund Sturmlied der großen Revolution das französische Volk zur äußersten Anspannung seiner Kraft, zu himmelauflodernder und schier unverlöschlicher Leidenschaft zu begeistern. Ob eine Ahnung davon die ersten Zuhörer beschlichen, daß in dem Liede eine weltgeschichtliche Triebkraft gezeugt war von unberechenbarer Gewalt, ob ein Funken jener wilden Gluth, die es in den Gemüthern der Millionen entflammte, den Dichter, als er es vortrug, beseelte, wer könnte uns heut noch davon Kunde geben? Aber unser Bild deutet darauf hin, und wir halten es kaum für anders möglich, daß dort im Hause des Bürgermeisters von Straß burg die markigen Worte, die knappen, wuchtigen Verse einen tiefen, gewaltigen Eindruck hervorriefen und auf die Gemüther gewirkt haben mögen, wie das dumpfe Brausen eines von weiter Ferne heranziehenden
Orfans.
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6.
Die Universalmühle von Steimmig, von Hörde& Comp. in Wien fabricirt, mahlt in großen Mengen Getreide aller Art, während zu ihrem Betriebe nur sehr geringe Kraft erforderlich ist. Namentlich in Gegenden, in welchen es an Wasser fehlt, oder die von Mühlen entfernt sind, macht sich das Bedürfniß für derartige Maschinen geltend, die oft unvollkommen construirt sind, große bewegende Kraft erfordern, theuer sind und wegen ihrer Complicirtheit zu große Anlage- und Unterhaltungskosten und theure Reparaturen verursachen. Alles dies ist bei der Steimmig'schen Mühle vermieden. Sie besteht einfach aus einer vertikalen Mühle, die an horizontaler Are befestigt ist. An der Seite dieser Mühle befindet sich ein Segment aus Stein, das auf einem
Wagen in einer Art Kasten ruht und durch ein Handrad der Mühle genähert oder von ihr entfernt werden kann. Bei kleinen Mühlen ist die Einrichtung umgekehrt: das Segment ist fest und die Mühle läßt sich nähern und entfernen. Das zu mahlende Getreide wird in den am obern Theile der Mühle befindlichen Fülltrichter geschüttet und wird mittels Cylinder zwischen das Segment und die Mühle geführt. Gewöhnlich erhält man nur grobes Mehl, will man feines haben, so muß das Segment fast bis zur Berührung mit der Mühle gestellt werden. Da etwa nur der vierundzwanzigste Theil der seitlichen Fläche der Mühle arbeitet, so ist die Reibung fast unmerkbar und wird mit größter Leichtigkeit durch die Kraft des Schwungrades überwunden; da das gemahlene Getreide die Mühle sofort verläßt, so ist nur eine geringe bewegende Kraft erforderlich. Wenn man nur schroten will, so wird bei der kleinen thätigen Mahlfläche nur äußerst wenig Mehl selbst bei kleinsten Körnern gebildet. Die verwandten Mühlsteine sind derart, daß man sie wochenlang ohne aufzuhauen gebrauchen kann, und wenn Schärfen nöthig wird, so kann dies in einer halben Stunde geschehen, ohne daß die Mühle demontirt werden muß. Ueberhaupt sind Reparaturen nur sehr selten nöthig. Die großen Vorzüge dieser Mühle sind, daß man, je nach der Stellung des Segments zu der arbeitenden Mahlfläche gleichmäßig alle Arten Getreide darauf mahlen kann, ferner Gewürze, Farben, Kaffee, kurz alle Substanzen, die sich in der Kälte und im trocknen Zustande überhaupt mahlen lassen. Die erforderliche bewegende Kraft ist nur gering, denn ein zwölfjähriger Knabe kann stündlich 150 bis 200 Kilogramm Getreide auf dieser Mühle mahlen; durch eine Pferdekraft betriebene Mühlen liefern täglich 7,500 bis 10,000 Kilogramm Mehl. Eine der wichtigsten Anwendungen dieses Apparats ist zum Schroten des Hafers für Pferde, wofür man bis jetzt noch keine gute Maschine hatte; ein Mann kann mit Leichtigkeit in einer Viertelstunde das tägliche Futter für zwei starke Pferde schroten. Als lezter Vorzug der Steimmig'schen Universalmühle sei die Präcision angeführt, mit welcher der Abstand des Segments von der Mahlfläche geregelt werden kann. Namentlich für Brauereien ist der Apparat sehr nüßlich, da er fast gar kein Mehl, sondern Schrot liefert. Eine Pferdekraft gab bei einem Versuche Stündlich 525 Kilogramm. Die Fabrik liefert die Mühlen in vier Größen. Die Dimensionen der Größen( Nr. 1) sind: Länge 1.42m, Breite 0.90m, Höhe 1.80m. Durchmesser der Mühlsteine bei Nr. 1 ist 1.10m, bei Nr. 2, 3 und 4 resp. 1m, 0.80m und 0.60m. Nr. 4 ift 0.80m lang, 0.30m breit und 1.60m hoch. Der Durchmesser der Welle ist bei Nr. 1 0.60m, ihre Länge 0.12m. Die Zahl der Umdrehungen ist 30 bis 50( Nr. 1), 60 bis 80( Nr. 3), 30 bis 40( Nr. 4). Die tägliche Produktion ist bei Nr. 1 15,000 Kilogramm, bei Nr. 2 10,000 Kilogramm. Die nöthige bewegende Kraft ist 1 bis 11/2 Pferdekraft bei Nr. 1 nnd 2, 4 Pferdekraft bei Nr. 3 und 15 Pferdekraft( ein Knabe) bei Nr. 4. Die Preise sind in Francs:
Nr. 1 1250 Mühle und Segment 225,00. Emballage 37,50.
2 1125
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3 750
187,50. 125,00.
11
" 1
11
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" 1
4 375
" 1
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11
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75,00.
11
30,00. 25,00. 20,00.
Die Maschine Nr. 4 ist die einzige, die speziell für Handbetrieb eingerichtet ist. Dr. B.-R.
Korrespondenz.
Breslau . Maurer F. G. Einfilbige Räthsel hält man am besten ganz kurz und scharf pointirt. Ihre Verse zeigen Sinn für Rhythmus und ziemlichen Gedankenreichthum, in der Form sind sie jedoch mangelhaft und darum für uns nicht verwendbar. Versuchen Sie Sich weiter in derartigen Leistungen! Frl. Alwine Tn. Daß Sie Ihrer Tante den 2. Jahrgang der ,, Neuen Welt", schön gebunden" zu Weihnachten schenken, ist lobenswerth und erfreulich; weniger erfreulich war uns Ihr, bescheidener Wunsch", wir möchten doch recht rasch ein paar ganz kleine Verse machen", die Sie als Motto"( Sie meinen wohl: Widmung?!) in das Geschenkeɣemplar hineinschreiben könnten! Sie sind gewiß noch sehr jung, liebes Fräulein Alwine?
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Kohlfurt. Dr. C. Friedrich. Sie scheinen auf den Abbrud Ihres zweiten Briefes verzichtet zu haben, Sie Streiter im Herrn und ,, ehemaliger" Sozialdemokrat!? Heut zutage ist es wirklich Kinderspiel, die Frommen im Lande, wenn sie sich auch gelegentlich einmal gar truziglich geberden, zu den Stillen im Lande zu machen!
Berlin . St. Es wäre doch sehr schlimm, wenn Sie recht hätten, daß ,, doch jeder ficher solchen Familienhader" zu erleben hatte. Uebrigens beweist Ihr Urtheil, daß Sie von einer der Krankheiten unserer Zeit, der Sucht nach dem Außergewöhnlichen, Erschütternden nicht frei sind. Nervenabstumpfung ein schwer zu furirendes Leiden! Probiren Sie die Medizin, deren ersten Löffel Ihnen diese unsere Neujahrsnummer beut. Degesloch. Schriftsezer W. G. Die Münzabbildung, welche Sie uns zur Entväthselung eingesandt, ist uns selber vorläufig ein ungelöstes Räthsel. Insbesondere irritiren uns die Zahlen: auf dem Avers 1536, auf dem Revers MDCCVI, b. i. 1706, 2c.; der König Karl III, der einzig mit dem Carolus III , rex Hispaniae, gemeint sein tann, ist 1716 geboren, ward 1739 König beider Sizilien und 1759 König von Spanien . Wie ist die vermeintliche Münze beschaffen und wo haben Sie dieselbe her?
Paris . E. B. Eine französische Ausgabe der ,, N.." erscheinen zu lassen, ist nicht so leicht, als Sie zu glauben scheinen. Dazu gehören, ganz abgesehen von dem mehr als zweifelhaften Erfolg, viel größere Mittel und weiterreichende Verbindungen, als uns gegenwärtig zu Gebote stehen. Eine Modenzeitung, wie der ,, Bazar" oder die Victoria " tann mit viel größerer Sicherheit als internationales und vielsprachiges Blatt auftreten, als die ,, N. W." oder sonst irgendein Preßorgan für Unterhaltung und Belehrung.
An R., Zerbst , E. und Sch- y, Berlin , F. Kl., Weißenfels , B., Glauchau , B- n, Hamburg , H- t, Hannover und Xxx, Oderberg sind in der letzten Woche Mipte remittirt ( Schluß der Redaktion: Freitag, den 21. Dezember.)
worden.