zufriedenes, verjüngendes Lächeln glitt über das alte Gesicht, als sie sich vorstellte, wie hübsch und behaglich der feine, junge Herr es bei ihr haben solle. Am nächsten Morgen in aller Frühe schickte sie nach dem Gasthof, in dem Wolfgang sich inzwischen einquartirt hatte, und ließ ihn bitten, nochmals zu ihr zu kommen, und sie wunderte sich selbst darüber, wie rasch und leicht sie über alles einig wurden. Gleich am nächsten Tage wollte er von seiner zukünftigen Wohnung Besitz ergreifen, und als sie ihm erschrocken vorstellte, daß doch erst alles in Stand gesetzt werden müsse, flopfte er sie lächelnd auf die Schulter und sagte:„ Lassen Sie uns das zusammen besorgen; wir werden so rascher fertig und Sie würden mir kaum alles zu Dank machen ich habe so meine Eigenheiten, das sagte ich Ihnen schon, und Sie wissen garnicht, was für Raritäten ich mitbringe."
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Die gute Alte hatte zum Schein zugesagt, aber mit dem festen Vorsay, dennoch alles herzurichten; brachte sie nicht einen unauslöschlichen Makel auf ihre Hausfrauenehre, wenn ihr Miether nicht alles vorbereitet fand? So erließ sie denn ein klemes Aufgebot an den Heerbann ihrer weiblichen Verwandtschaft, und eine halbe Stunde, ehe Wolfgang hatte kommen wollen, war die letzte gehäkelte Decke glattgestrichen und das letzte Bild an der Wand zurechtgerückt und die letzte Fliegenspur am Spiegel wegpolirt. Aber wie bald verwandelte sich der Ausdruck gutmüthigen Triumphs, von dem ihr Gesicht strahlte, in den des Getränktseins und der Empfindlichkeit! Als Wolfgang kam, sagte er im Tone freundlichen Vorwurfs und wahren Bedauerns:„ Und nun haben Sie sich doch Mühe gemacht und zwar vergebliche Mühe, denn so kann ich das Zimmer beim besten Willen nicht brauchen. Nicht einmal das Bett kann bleiben, wie es ist ich ersticke in einer solchen Federgruft, und außer der Matraße müssen Sie alles fortschaffen eine Decke bringe ich selber mit und an andres Lager bin ich nicht gewöhnt. Wollen Sie mich einmal eine Stunde allein schalten und walten lassen und dann urtheilen?" Frau Meiling brummte zwar:„ Na, das wird eine hübsche Wirth schaft werden!" aber sie mußte doch lächeln, mit soviel Herzlich feit hatte er ihr beide Hände hingehalten und dazu gesagt:" Und nun sind Sie mir nicht böse nicht wahr? Ich hatte es Ihnen doch gesagt, und es war ja auch alles ganz hübsch und behaglich, nur nicht für einen so eigensinnigen Sonderling, als ich es bin." Sie ging hinüber zur Nachbarin, um ihm das Feld ganz zu räumen, aber innerlich gestand sie sich, es lohne sich wohl der Mühe, noch einmal jung zu werden; war er so liebenswürdig und herzlich und gut gegen eme alte Frau, bei der kein Zahn mehr fest saß, wie mußte er dann erst einem jungen Mädchen gegenüber sein, das er versöhnen und gewinnen wollte?
Als sie nach zwei Stunden wiederkam und ihr Miether sie mit einer launigen Reverenz in seine„ Gemächer" führte, mußte sie zugeben, daß er ein kleiner Herenmeister sei. Er hatte kein Stück Möbel am alten Plaze gelassen, und es war auch unbestreitbar, daß in keiner gut bürgerlichen Haushaltung eine solche Anordnung herrschte, aber hübsch und flott sah es doch aus, das mußte man ihm lassen. Alle Bilder hatte er von der Wand genommen und durch andere ersetzt, die allerdings viel schöner waren und, was ihr zur besondern Genugthnung gereichte die badenden Mädchen und ähnliches, das für Junggesellenwohnungen charakteristisch ist, fehlten ganz, und die Alte dachte im stillen: Ja, ja, er ist eben nicht wie die andern, und wie er sich's eingerichtet hat, so soll's auch bleiben, so lange ich es ihm in Ordnung halten kann." Sie betrachtete aufmerksam die Bilder; da war die See im Mondlicht und dort schäumende Wellen, sturmgejagte Fischerboote, schaumüberspritzte Düne; dann ein Wildbach im Hochgebirge, der strudelnd dahinschießt durch und über die Felstrümmer in seinem Bett und auf dessen beschäumte Fluth düstere Tannen ihre grünen Schatten werfen; weiter eine einsame Schenke auf öder Pußta und ein Forsthaus in deutschem Buchenwald ; ein Aquarell gab die Erstürmung des Kapellenberges bei Trautenau durch die Desterreicher wieder. Und dort hing ein österreichischer Jägerhut, in dessen schwarzgrün schillerndem Federbusch kaum eine Feder ungeknickt war und durch den eine preußische Kugel ihren Weg genommen hatte, und an der Wand bildeten ein verbogenes Bajonett, ein dicht überm Heft abgebrochener Reitersäbel, ein Karabiner und ein von Pallaschhieben zerhämmerter preußischer Dragonerhelm mit anderen Waffenstücken eine Trophäe. In einer Ecke des Zimmers lehnte eine prächtige sheffielder Büchse, über dem Bett hing ein Revolver, vor dessen Berührung Frau Meiling ausdrücklich gewarnt ward eine überflüssige Ermahnung, denn sie hatte wider alles Schießgewehr eine tiefe Abneigung, und daß
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ihr faufter Miethsmaun ihr so gefährliche Dinge in ihr ruhiges Haus brachte, war ihr eigentlich garnicht lieb. Um so besser gefielen ihr die zahlreichen exotischen Schmetterlinge, die in hübschen polirten Kästen hinter Glas ihre farbenprunkenden Flügel breiteten, und die ausgestopften Vögel auf dem Schrank, die an Pracht der Farbe und Seltsamkeit der Zeichnung mit den Faltern, Seglern und Schwärmern wetteiferten. Und wie viele Bücher waren zum Vorschein gekommen und füllten, sorgfältig geordnet, die Abtheilungen des Bücherschranks! Frau Meiling hat später einmal ein wenig in diesen Büchern gestöbert, aber es dauerte recht lange, bis sie endlich einmal ein deutsches Buch fand, und auch diese deutschen Bücher klappte sie sehr rasch wieder zu; Historisches , Kulturgeschichtliches, Volkswirthschaftliches neben Lessing und Goethe und einigen modernen Poeten, vor allem Herwegh und Freiligrath war nichts zum Vorlesen an den Winterabenden, und da alles andere englisch , französisch oder italienisch war, so bekam sie einen tiefen Respekt vor der Gelehrsamkeit des jungen Mannes, der nun ihrem mütterlichen Schuße anbefohlen war und den zu bemuttern ihr ein Herzensbedürfniß war, seit sie wußte, daß seine Mutter kurz nach seiner Geburt, sein Vater wenige Jahre später gestorben sei, daß ihn ein strenger und mürrischer Vormund erzogen und ihn sich selber überlassen habe, sobald er im Stande war, für sich zu sorgen, und daß er ohne Geschwister oder nähere Verwandte so recht nutterseelenallein auf der Welt stehe. Sie sagte sich freilich, für einen so schmucken, jungen Mann fänden sich zehn für eine, die bereit seien, ihn aus der Vereinsamung zu erlösen, und er brauche sich nur nach den Mädchen umzusehen, aber seltsamerweise schien es, als sei er auch in dieser Beziehung ganz anders, als seine Altersgenossen; sie wußte genau, daß manches hübsche Bürgermädchen, deren Eltern auch etwas in die Milch zu brocken hatten", ihrem schlanken Miether zu Gefallen ging und eine Besorgung grade in die Zeit verlegte, zu der er nachdenklich aus dem Comptoir nach Hause schlenderte, oder gradezu einen Umweg machte, um ihm zu begegnen, und es war unter den Nachbarinnen darüber schon mancherlei Geflüster und Gemunkel gewesen und die Spottlust hatte reiche Nahrung gefunden; er aber schien von alledem nichts zu bemerken oder be merkte wirklich nichts, und wenn er abends gegessen hatte, rief er seinen mächtigen, flugen Hund und wanderte mit ihm hinaus in die Berge und in den Wald und nach seiner Rückkehr brannte die Lampe in seinem Zimmer regelmäßig bis lange nach Mitternacht. Hatte er vielleicht drüben in dem nebligen England eine Braut? Frau Meiling wagte danach nicht zu fragen, denn er hatte ihr einmal bei Gelegenheit erklärt, er möge mit Menschen, die andere neugierig nach ihren persönlichen Verhältnissen ausfragten, nichts zu schaffen haben und sie könnten sicher sein, daß er ihnen zur Strafe in aller Unbefangenheit die tollsten Geschichten aufbinde, wenn er grade in der rechten Stimmung sei. Sie hatte aber überlegt, daß sich unter den Porträts, welche die eine Wand seines Zimmers schmückten, auch nicht ein einziges weibliches Gesicht befand, welches nur einigermaßen in den Verdacht gerathen konnte, das einer Geliebten, ihres Miethsmannes zu sein; zudem würde dieses Bild doch einen Ehrenplay erhalten haben und vor den andern so oder so ausgezeichnet worden sein. Oder ließen ihn die hübschesten Mädchen nur deshalb so gleichgiltig, weil er höher hinaus wollte? Sie hätte es ihm garnicht einmal verübeln können, denn sie fing nachgrade an, den jungen Mann in erklärter Parteilichkeit und mit fast mütterlicher Bewunderung mit anderm Maße zu messen, als andere gewöhnliche Menschenkinder.
Wolfgang war mit seinem Abendbrot bald fertig, obwohl er nach Art geistig sehr regsamer Menschen während des Essens zugleich eine Zeitung studirte, indessen haben wir Zeit, ihn während dieser Doppelbeschäftigung uns genauer anzusehen. Hat er auf den ersten Blick einen entschieden martialischen Eindruck gemacht, so stellt sich bald heraus, daß wir uns dabei durch einen Bug von Stolz und den dem ganzen Gesicht aufgeprägten Ernst irreleiten ließen; es ist im Grunde nichts Soldatisches an ihm, als der sorgfältig gepflegte, seidenweiche blonde Schnurbart, dessen letzte Spigen fast die Schulterblätter berühren. Die großen blauen Augen erhalten einen ihnen nicht natürlichen Ausdruck von Strenge nur durch den forschenden, prüfenden Blick, der ihnen eigen' iſt und jeder Seele ihr Geheimniß abfragen zu wollen scheint; im Grunde sind sie sanft, und enthusiastische ältere Mädchen würden sie sogar unbestreitbar träumerisch finden. Zu diesem fast weiblichen Zug stimmen auch das weiche Kinn, die feingeschnittene Oberlippe, die über die Unterlippe auffallend dominirt, die kleine,