träger zu werden, der sich in vertrautem Kreise dahin vernehmen ließ: Was wollen Sie? Man wird alle Tage älter, alle Tage flüger, alle Tage reicher und darum auch alle Tage stolzer!" so hast Du den Mann so scharf umrissen vor Dir, als blähe er sich Dir selbstgefällig in einem Schattenriß Konewtas entgegen und Du kannst Dir selber ergänzen, daß es für ihn ein Dogma ist, seinen Reichthum ausschließlich seiner Klugheit zu verdanken, und daß jeder, der es nicht soweit gebracht hat, in seinen Augen ein verlotterter Mensch oder ein von der Mutter Natur zum Stiefel wichser bestimmtes Individuum ist und an einem heillosen Mangel an Intelligenz frankt. Wär's nicht so unergründlich lächerlich, man fönnte sich darüber erbosen.

Die Herren im Comptoir sind, wie üblich, der Abhub der Gymnasien und Realschulen, Menschen ohne Wissen und ohne Streben; ihre geistige Armseligkeit verursacht ihnen keinerlei Skrupel und sie plätschern ganz Lustig in dem stagniren­den Pfuhl ihres öden Daseins herum und suchen sich nach Kräften zu ,, amüsiren". Man hat so­fort Versuche gemacht, mich für einen Skatklub, für eine Regelgesellschaft, für ein beständiges Ball­fomité, ja sogar für ein fleines Liebhabertheater anzuwerben; die guten Leute sahen etwas ver­blüfft aus, als ich ihnen sagte, daß ich prinzipiell feine Karte anrühre, daß ich lieber mit der Pistole nach der Scheibe, als mit Holzkugeln nach hölzernen Kegeln ziele, daß ich nur in meinen vier Pfählen ab und zu einmal ein Lied anstimme, daß ich nie ge­tanzt habe und nie tanzen werde, und daß mir das Leben Komödie genug ist. Sonst sind sie ja harmlos bis auf einen. Der Herr Kommerzienrath hat da eine Art Faktotum einen Kriecher und Schlei­cher, wie er im Buche steht. Im Laufe der Jahre hat er sich in eine Stellung emporgeschmei­chelt, wie sie ihm ander­wärts, wo man ihn nur nach seinen Kenntnissen und Leistungen tariren würde

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mehr in den Branntweinschänken und auf dem Tanzboden ver­jubelt werde, und daß man das Geld in einen Brunnen werfe, wenn man das Volt" nicht so knapp als möglich halte. Und ich habe doch bereits genug gesehen, um zu wissen, daß die Leute unglaublich arm und doch brav und treu und fabelhaft genügsam sind und daß die Löhne auf einem Niveau stehen, das sich absolut nicht mehr erniedrigen läßt. Darüber werde ich wohl mit dem Alten früher oder später zusammenrennen; es wird mir nicht will­kommen sein, aber ich bin es schon den wackern Leuten schuldig, die mich zu ihrem Hauptmann bei der freiwilligen Feuerwehr gemacht haben und mir die rührendsten Beweise von Anhänglich­keit und Vertrauen geben, für sie einzutreten, wenn sie von einem glatten Schleicher wahrheitswidrig verunglimpft werden. Du sagst: Aha, da hat er ja schon ein Amt!?" Dazu bin ich allerdings sehr

ohne mein Buthun ge­kommen. Es besteht hier die Bestimmung, daß alle jungen Leute bis zum 35. Jahre in der Bürger­feuerwehr, einer Art von Landsturm für den Fall größerer Brände, zn die­nen haben, dafern sie nicht nachweisen, daß sie der freiwilligen Feuer­wehr angehören, die da­neben besteht und auf der die Hauptlast ruht, oder dafern sich der Arzt nicht zur Ausstellung eines Untauglichkeitsattestes herbeiläßt. Man deutete mir an, daß einer der Herren Aerzte in diesem Punkte sehr ,, coulant" sei, und als ich erwiderte, daß ich die krummen Wege nicht liebe und als alter Feuerwehrmann, der noch aus der einst berühmten leipziger Schule stammt, in die freiwillige Feuerwehr eintreten würde, lächelte man und meinte, das würde ich mir schon anders über­legen, wenn ich die Leute erst gesehen hätte. Die frei­willige Feuerwehr rekrutire sich fast ausschließlich aus den untersten Schichten der Bevölkerung, und die paar jungen Commis, die mit­thäten, stellten sich nur der Uniform zuliebe in Reih und Glied neben Weber und Handwerksgesellen. Du weißt, wie ich über diesen Punkt denke ich meldete mich sofort und habe es nicht bereut. Der Hauptmann, ein braver Schlossermeister, hatte bei den Steigerübungen bald erkannt, daß ich von der Sache mehr verstand, als er, und schon vor der Generalversammlung, die nicht lange danach stattfand, hatte er seine Leute Mann für Mann überzeugt, daß es nur recht und in der Ordnung sei, wenn ich an seiner Stelle gewählt würde; was war auch gegen sein Argument einzuwenden, daß ich alles besäße, was er habe bieten können- Treue und guten Willen, aber auch noch etwas mehr: gründliche Sachkenntniß und Jugend? Er trat in die Steigerabtheilung zurück und dient jezt mit altem Eifer unter mir, und nach dem ersten Exerzitium unter meiner Leitung kam er zu mir und sagte:" Sagen Sie nicht selber, daß alles einen ganz andern Zug und Schick hat?" Und dabei glänzte sein roth­braunes, verwettertes Gesicht vor Befriedigung.

Ludwig Feuerbach. ( Seite 179.)

und nicht nach seinen Bedienteneigenschaften, nie wieder zutheil würde; nun flammert er sich krampfhaft an seinen Posten und sucht sich das persönliche Wohlgefallen des Herrn Reischach um jeden Preis zu erhalten. Den unter ihm Stehenden ab und zu ein Bein zu stellen, ist sein eifriges Bestreben, und es ist nicht Einer im Comptoir, der ihn nicht verachtete, haßte und lächerlich machte; es ist für alle ein Fest gewesen, zu hören, daß der alte Weinlich einen Vorgesezten erhalten würde, und erlaubte es ihnen die Klugheit W. kann ja eines schönen Tages wieder obenauf kommen! sie brächen in offene Rebellion gegen ihn aus. Der Alte ist mir mit viel zu süßer Freundlichkeit entgegengekommen, als daß ich mir nicht hätte sagen müssen: Eitel Falschheit, alter Fuchs; innerlich bist du Gift und Galle !" Ich würde mich aber nicht viel um den Alten fümmern, wenn ich nicht bereits wüßte, daß er es ist, der den Kommerzienrath im Widerstand gegen jede Lohnerhöhung und in der steten Geneigtheit zu Lohnreduktionen aus Leibeskräften bestärkt und die Weber, wo es nur angeht, verleumdet und verdächtigt; seinen Einflüsterungen ist es zuzu­schreiben, wenn der Kommerzienrath überzeugt ist, jede Lohn erhöhung diene nur dazu, daß am Sonnabend Abend noch etwas

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Weiter schrieb unser junger Freund in dieser Nacht nicht. Er stüßte plößlich den Kopf in die Hand und versant in ein Nachdenken, dessen Resultat der vorläufige Verzicht auf's Weiterschreiben war. Fühlte er sich müde oder konnte er nur mit dem, was er zu erzähleu hatte, nicht jo ohne weiteres in's reine kommen?( Forts. folgt.)