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sein im Himmel, den die Menschen so sehr verwüstet haben in| blinder Verblendung und thörichter Thorheit, und es wird eine Zeit kommen, da Menschen zu Göttern und Staubgeborne zu Licht trägern der Weisheit und Wahrheit werden. Und man wird jene fürstliche Kapelle, drüben im Schloß, man wird die das Kruzifir verherrlichende Halle auskehren und ich werde ab und zu dort an die Stelle des Gekreuzigten versetzt und ich werde wieder angebetet werden, angebetet von denen, welche den Tag mehr lieben, als die Nacht, und das Leben mehr achten als den starren Tod, angebetet von denen, welche das Rauschen des Meeres und das Lispeln der Bäume und das Gekose der Liebenden lieber hören, als die tollen Litaneien und das Klappern der Skeletknochen jener, die man als Heilige" in Prozessionen herumträgt. Die Freunde der Palmen und die Bewunderer der Leuchtmonade, die Schazgräber des wirklichen Wissens, die forschenden Forscher und Feinde des glaubenden Glaubens: sie werden meine Anbeter, meine Diener und meine Apostel sein!"-

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Also sprach die Mediceerin, als der Nachtwind durch die Lorbeerzweige rauschte und die Cicade ihr Cello strich. Eine schäumende Welle am plätschernden Meeresufer hob neugierig ihren Kopf über die von Tangen bewachsenen Steine empor. Wasser sprizte auf und eine meerschaumgeborne, eine weiße, blendendweiße Frauengestalt erhob sich über den dunkeln Steinen; leuchtende Monaden warfen ihr röthlich phosphoreszirendes Licht auf die Meergeborne. Sie ward lebendig, fleischfarben durch wärmt, eine leibhaftige Venus, ein Götterweib mit schwellenden Adern, straffem Busen und liebeglühendem Antlig. Und sie nickte herüber und lächelte. Es war das Original, dessen Abbild die Mediceerin auf der Terrasse. Aber schnell wie sie gekommen, zerstob die Welle am steinbesäeten Ufer; der Sephir strich über den weißen zischenden Schaum und das Götterweib war ver­schwunden.

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Die Bronzestatue stand wieder todt vor mir, ihren Arm wieder gesenkt über keuscher Stelle. Aber auf ihrem Antlig blieb das ewige Lächeln.

Noch einen Blick auf die feenhafte Herrlichkeit! Die Mond­sichel stand schon weit vom leichenfarbenen Schloßthurm ab- und der Abendstern, die weißschimmernde Venus des Sternen­himmels, leuchtete nur matt durch verhüllende Nebel! Wir wandten uns und gingen.

An anderer Stelle des Parkes, auf der Südostseite, im An­gesicht der lichtschimmernden Seestadt, findet sich auf einer Fels­fante ein düsteres, heimliches Pläßchen, eine schattige Reblaube mit lichten Fensteröffnungen gegen Morgen und Mittag. Schmale Ruhebänke laden zum Sigen ein. Dort weilten wir am liebsten, als wir noch Verlobte waren!" sagte die liebliche Frau meines Freundes, und wie Silberglöckchen- Stimme klang das hinauf zum freudig lächelnden Gatten, der sein Weib umfangen hielt. Wir setzten uns, und Ort und Stimmung gestatteten die Frage nach dem Wie? des Anfangs im Roman zweier Glücklichgewordenen. Mein triestiner Freund erbat sich erst von seiner Donna die Er­laubniß zum Erzählen, und als diese ohne Anstand über die

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Lippen des jugendschönen Weibes geflossen, da hub er an und erzählte:" Sie, mein Freund, haben das Glück, ein gelehrtes und wissenschaftlich gebildetes Weib ihr eigen zu nennen. Alle Zeitungen haben's uns erzählt, und wir haben uns damals mit Ihnen ge­freut; denn von meinem Weibchen läßt sich ähnliches sagen., Auch ich ward in Arkadien geboren!' Sie ist die Tochter eines braven Mannes, der sein Kind alsbald in die Hallen des Natur­wissens einführte; sie kennt die Blumen des Feldes, die Bäume des Waldes und die Tange am rauschenden Meeresufer. Und da ich einst vor etlichen Jahren auszog, um marine Algen zu suchen, da habe ich sie bei gleichem Streben gefunden. Wir beide haben die Blüthentange der Adria bewundert und schließ­lich uns selbst liebgewonnen. Dieser Park war ihr Asyl, und wir haben hier die goldenen Tage des Brautstandes durchlebt. Nun begreifen Sie, warum wir hier jedes stille und jedes hübsche Pläßchen genauer kennen, als irgend ein anderer Sterblicher. Das ist der Anfang unseres Liebelebens das übrige wissen Sie." Ein Kuß, gewechselt zwischen Gatte und Gattin, hat bestätigt, daß auch hier die Liebe kein leerer Wahn. Es war vollends Nacht, als wir von jenem Koseplätzchen Abschied nahmen, und als wir beim Gärtnerhaus antamen, hatte die Mutter der jungen Frau bereits für ein komplettes Abend­essen gesorgt. Der kleine, im Hofraum angebundene Affe hatte schon seine Decke umgeworfen, um sich vor der Nachtfrische zu schützen und schlafen zu legen. Er ward wieder aufgescheucht und zeigte mit munterem Wesen und freudegrinsendem Antlig seine prächtig weißen Zähne. Verlor er beim Herumspringen seine Decke, so wußte er sie gleich wieder mit den graziösesten und ge­schicktesten Bewegungen umzulegen. Auch hier trat mir die Lehre Darwins in neuen Beweisen entgegen. Jawohl, Darwin hat recht!

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Das Nachtessen hat herrlich gemundet und die Havannah auch, welche unser Gastgeber servirte- und die Zuckermelonen eben­falls, die Freund H. aus Triest mitgenommen hatte und nun opferte. Auch die Weintrauben von Miramar sind honigsüß; ich habe sie gekostet.

Nach dem Nachtessen wurden unsere Algen nochmals in frisches Wasser gebracht. Dabei beobachtete ich zum erstenmal in solcher Nähe das phosphoreszirende rothe Licht der Leuchtmonade. Die Tange blizten oft hell auf.

Gegen 11 Uhr nachts lag ich wieder wohlverwahrt in der Villa Boinowich, hinter dem Tüllvorhang( Mosquitero) meines schnackenumschwärmten Bettes. Die Quälgeister der Nacht sangen draußen und bemühten sich umsonst, mir auf den Leib zu rücken. Schlafend begann ich zu träumen, nachdem ich machend wie im Traume gewandelt war. Traume gewandelt war. Und ich träumte schlafend vom Feen­schloß am Meer, vom Paradies zu Miramar, vom verlorenen Kaiser und von der sinnverwirrten Königstochter, und von der bronzenen Medizeerin mit ihrem ewig heitern Lächeln. Den einen Gedanken werde ich nimmer los: über dem Schönsten, was ich sah, liegt die Melancholie, eine Folge des Verhängnisses. Miramar! un paradiso perduto ein verlorenes Paradies! Dr. A. D.-P.

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Ein Achtundvierziger aus dem Orient.

Während wir mit berechtigtem Eifer die große Volksbewegung im Jahre 1848 in ihren Ursachen, Details und Konsequenzen zu verfolgen suchten, habe viele von uns es übersehen, daß eine ähnliche, sogar verwandte Bewegung im Osten, dem Lande der Mythen und Wunder, stattgefunden hat, die jene große, noch wenig bekannte Welt in ihren Tiefen aufwühlte und die Völker und Staaten vom Himalaya bis zum Marmorameere erschütterte. Noch sind wir nicht in der Lage zu beurtheilen, ob und welche Beziehungen diese orientalische Erschütterung mit der gleichsam vulkanischen Bewegung im europäischen Völkerleben hatte; wir müssen uns einstweilen bescheiden, über die Ereignisse in ihren Folgen zu referiren.

Wir heben zuerst einen Blutzeugen von Achtundvierzig her­vor, dessen Name nicht allgemein bekannt sein dürfte. Unser Held ist Ali Muhamed, genannt Bab, Pforte zur Erkenntniß Gottes und der Wahrheit", zu Schiraz in Persien geboren.

Die interessanten Details aus seinem Leben und Wirken ver­danken wir den Essays und Studien von Hermann Ethé , einem trefflichen Buche.

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Ali Muhamed war der Sohn wohlhabender Eltern und zum Kaufmannsstande bestimmt, zu dem er jedoch keinen Beruf gehabt haben muß, denn er vertiefte sich früh in die Lehren der reinen Mystik, des in Persien so weit verbreiteten sufischen Pantheismu Dabei befähigten ihn auch seine vortheilhafte äußere Erscheinung sowie ein sittenstrenger, matelloser Wandel, zu der außerordent­lichen Rolle, die er schon sehr zeitig spielen sollte. Er sann und grübelte über neuen Doktrinen, zu denen ihn sein vielfacher Ver­kehr mit Juden und wohl besonders die Lektüre der Evangelien in persischer Uebersetzung angeregt haben mögen. Nachdem er so in Kufu manch' schwere Seelenkämpfe durchgerungen, faßte er den Entschluß, seine volksbeglückenden Ideen ohne Wanten, selbst mit Lebensgefahr durchzuführen, und sammelte 1844 in Schiraz die ersten Anhänger, indem er in der Moskee unter großem Zulauf der Menge, mit gewaltiger Beredtsamkeit schonungslos gegen alle herrschenden staatlichen wie religiösen Uebelstände eiferte.

Der hervorragendste Parteigänger Babs war der Molla Hussaim, der auch als erster Sendbote der neuen Lehre die Pro­vinzen Frak und Chorasan durchzog und ihr überall Jünger