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,, Ad IX, X und XI. Meinen drei Nichten Adelgunde von Bartels, Franziska Bartels und Rosa Bartels, gebornen von Bartels, vermache ich je die Summe von eintausend Thalern. Sie sind gehalten, dieses Geld entweder zu ihrer Aussteuer zu verwenden, wie Adelgunde, falls dieselbe noch einen Mann bekommen sollte, oder aber sich für die jährlichen Zinsen zu fünf Prozent Puzz und Kleidungsstücke zu kaufen, um nicht dieserhalb ihren Männern damit zur Last zu fallen. Das Kapital soll nicht angegriffen werden und dürfen die beiden Frauen Franziska und Rosa erst nach ihrem Ableben darüber zu Gunsten ihrer Männer oder ihrer Kinder wenn sie solche haben verfügen. Im Falle keine Leibeserben da sind und auch die Männer dieser beiden Frauen vor denselben gestorben sein sollten, fällt das Kapital an das von mir gegründete Haus der Barmherzigkeit.
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" Ad XII. Meinem Neffen und Pathen Jakob Bartels" der junge Mann neigte das Haupt bescheidentlich, als lasteten die vielen neugierigen und neidischen Blicke schwer und niederdrückend auf ihn hinterlasse ich ein Kapital von fünftausend Thalern, dessen Zinsen er zur Vergrößerung seines Geschäftes verwenden möge. Das Kapital soll nach meinen spezialisirten Bestimmungen darüber angelegt und verzinst werden." Bis dahin hatte noch ein jeder und eine jede der Erben und Erbinnen den Schmerz über die eigene Enttäuschung im Hinblick auf die der anderen verwunden, man hatte sich gegenseitig mit spöttischen, ja feindseligen Blicken gemessen jetzt aber war das allgemeine Erstaunen so groß, daß alle Parteileidenschaften im Nu zum Stillschweigen gebracht wurden und nur eine Frage auf allen Gesichtern, in Auge und Mienenspiel ausgesprochen lag: wer ist nun endlich der Erbe des trotz der vielen Legate immerhin noch beträchtlichen Vermögens?!
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Jedenfalls hatte der Erblasser in der boshaften Absicht, die Spannung seiner Verwandten noch zu steigern, diese Hauptperson gleichfalls mit einem Legate bedacht, um dann ganz am Schlusse erst, den Namen derselben, als den des Universalerben zu nennen - denn Einer das war ja noch der einzige Trost mußte es doch sein aber horch, da kamen ja schon die Legate an die Dienstboten, denn der Stadtrichter las:
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,, Ad XIII. Meine langjährige, treue Hausgenossin, Frau Gertrud Gundelheim, bitte ich, daß sie nach meinem erfolgten Tode meinem Erben dieselbe Pflege und Treue angedeihen lassen und sein Haus verwalten wolle, solange dies ihre Kräfte gestatten. " Frau Gertrud Gundelheim erhält aus meinem Nachlaß die Summe von 6000 Thalern, über deren Zinsen sie nach ihrem Belieben verfügen möge. Das Kapital fällt nach ihrem Ableben gleichfalls an das von mir gestiftete Haus der Barmherzigkeit.
" Ad XIV. Mein Hausknecht Martin erhält einen neuen schwarzen Anzug und seinen Jahrlohn ausgezahlt, ebenso soll mein Hausarzt, Doktor Binder, sein Jahreshonorar und die gleiche Summe mit dem Bemerken erhalten: daß ich ihm für jedes weitere Jahr, um welches seine Kunst mein Leben verlängert hätte, das demselben einstmals scherzhaft in Aussicht gestellte hohe
Honorar von 1000 Thaler in Wirklichkeit gegeben haben würde. Ich bin nun sicher davon überzeugt, daß er meinen Hintritt schmerzlich betrauert.
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" Ad XV. Meinen ehemaligen Schulfreund und Rathgeber in die allen wichtigen Geschäftssachen, Herrn Stadtrichter Melzer- Stimme des Vorlesers bebte leicht bitte ich als ein Andenken an mich meine Mineraliensammlung anzunehmen, die ihn stets interessirte. ,, Ad XVI. Herrn Moses Bär in Wolfsburg , Chef des Hauses Bär& Compagnie, der jahrelang mit Nußen meine Geldgeschäfte geleitet, kann ich nicht wohl ein Geschenk hinterlassen, damit er aber sich doch zuweilen meiner erinnere, möge er die zehn Stück Aktien der Schwindelfreien Drahtseil- Bahn", zu deren Ankauf er micht verleitete, für sich behalten, und warne ich zugleich meinen Universalerben vor dergleichen Unternehmungen, wenn sich dieselben auch sehr vertrauenerweckend als„ schwindelfrei" annonciren."
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Herr Melzer hielt erschöpft inne. Jedenfalls war er bei der letzten Nummer in der Liste der Legate angelangt. Er hatte sich nicht wenig angestrengt und die kurze Ruhepause war ihm gewiß zu gönnen, obgleich es allen Versammelten schier ewig dünkte, bis er fortfuhr:
,, Ad XVII. 3un Universalerben meines, in Werthpapieren deponirten, in der Höhe von 111,500 Thaler vorhandenen Vermögens, bestehend in( nun folgte eine lange Liste von Staatspapieren, Obligationen, Eisenbahnaktien, Baarwerthen in Gold und Silber 2c., bei deren Aufzählung die Gesichter der Erben sich mit einem Schimmer freudiger Morgenröthe überzogen) und hier meines Hauses am Markte in Dohlenwinkel, ernenne ich" mußte dem Stadtrichter etwas in die Kehle gekommen sein, denn er räusperte sich vernehmlich, hielt inne, räusperte sich wieder, um alsdann mit einem gar seltsamen Lächeln forzufahren:
,, ernenne ich meinen einzigen Sohn Hans Bartels, der jahrelang ohne sein nahes Verhältniß zu mir zu ahnen, in meinem Hause lebte und meinem Geschäfte vorstand."
Wäre der Engel mit der Posaune plötzlich in dem Gemache erschienen, um den Beginn des Weltgerichts zu verkündigen, oder hätte der selige Erbonkel höchstselbst sich als Seraph gekleidet in der Versammlung gezeigt, die Wirkung hätte nicht größer, nicht sensationeller sein können.
Einen Augenblick lang herrschte das Schweigen des Todes in dem Raume, dann schüttelten die betrogenen Erben allmählich die lähmende Starrheit ab, welche sich ihrer bei dieser fürchterlichen Kunde bemächtigt hatte. Ein tumultuarischer Auftritt entstand, da jeder zuerst sprechen und seine Meinung äußern wollte und demnach alle auf einmal sprachen.
In dieses Stimmgewirr, aus dem man die Zischlaute Emmerenzia's deutlich heraushörte, mischte sich jetzt der tiefe Bariton des Stadtrichters, der sehr energisch die Bitte um Ruhe aussprach. ( Fortseßung folgt.)
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Ludwig Feuerbach. ( Porträt Seite 172.) Er war ein Mann, ein ganzer, wahrhaftiger, vollendeter Mann; er war einer der Ersten und Edelsten unseres Jahrhunderts, einer der Besten und Größesten seines Geschlechts," so konnte Karl Scholl, der Sprecher der nürnberger freien Gemeinde, am 15. September des Jahres 1872 auf dem Johannisfirchhofe zu Nürnberg seine Gedächtnißrede am offenen Grabe Ludwig Feuerbachs schließen. Einer der Ersten und Größesten war er, weil er auf der Bahn der Erkenntniß vorangeschritten ist der gesammten Kulturwelt, und weil er das undurchdringliche Dickicht religiöser Wahnvorstellungen mit dem wuchtigen Beile eines wunderbar scharfen Verstandes niedergemäht hat; einer der Edelsten und Besten, weil er der Menschheit treu blieb und ausharrte im Kampfe für ihren Geistesfortschritt, obgleich ihm die Menschen seine unermeßlichen Verdienste damit lohnten und dankten, daß sie ihn ungestört der Noth und dem Hunger überließen. Ludwig Feuerbach war der Sohn eines hochbedeutenden Mannes des berühmten Kriminalisten Anselm von Feuerbach , der an den Universitäten von Jena , Kiel , Landshut juristische Kollegien gelesen, später als zweiter Präsident des Appellationsgerichts in Bamberg , dann als erster Präsident des Appellgerichts in Ansbach und schließlich als Wirklicher Staatsrath in königlich bayerischen Diensten gestanden. In mehreren philosophischen Schriften hatte sich Anselm Feuerbach als geist- und kenntnißreicher Denker bekundet, und die lange Reihe seiner juristischen Werke erwarb ihm als einem der größten Rechtsgelehrten einen Weftruf. Mit seinem 1808 erschienenen Entwurf zur Abschaffung der Folter brach er einer einigermaßen menschlichen
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Kriminaljustiz in Bayern Bahn, sein bis 1813 entworfenes ,, Strafgesetz buch für das Königreich Bayern" erlangte nicht nur in Bayern , sondern auch in anderen deutschen und außerdeutschen Staaten Anerkennung und Geltung, und seine 1832 vollendete Schrift ,, Kaspar Hauser , ein Beispiel des Verbrechens am Seelenleben," bewies noch kurz vor seinem Tode seinen unbestechlichen Rechtssinn. Die fünf Söhne Anselm von Feuerbachs wurden alle als Gelehrte und Schriftsteller bekannt: Friedrich Anselm als Archäolog und Aesthetiker , Karl Wilhelm als Mathematiker, Eduard August als Jurist und der jüngste, Friedrich Heinrich , als Orientalist und Philosoph. Der bedeutendste aber ward der am 28. Juli wir sagen 1804 zu Landshut geborene Ludwig Andreas , unser das mit ebensoviel Berechtigung als Stolz- unser Philosoph! Er das Mittelalter behauptete war in strenger Frömmigkeit erzogen zu Anfang des 19. Jahrhunderts in den Köpfen der deutschen Gelehrtenwelt seine düsteren Winkel- und grade aus ihm sollte ein Gottesstreiter, ein Theologe, werden. Im Jahre 1822 begab er sich auf die Universität Heidelberg , um stark zu werden im Worte Gottes. Da flangen aber aus den Vorlesungen des spekulativen Theologen Daub die dumpfen Glockentöne der hegelschen Philosophie an sein Ohr, und die magische Gewalt, welche der merkwürdigste unter allen Philosophen auf seine Zuhörer ausübte, der preußische Staatsphilosoph und Vater eines weltzerseßenden wissenschaftlichen Radikalismus, Friedrich Hegel , diese unwiderstehliche Gewalt zog auch unsern an den Heilswahrheiten" des Kirchenglaubens bereits gründlich irre gewordenen Ludwig Feuerbach 1824 nach Berlin . Seine Studien hatten ihm, gleich so vielen andern