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geschichtet waren und welche die in dem anstoßenden Zimm tobende Gluth ergriffen hatte, in verhältnißmäßig furzer Zeit a gelöscht, um sich einen Weg zu Wolfgang zu bahnen) in den Gang und wollte seinem Hauptmann das bewußtlose, todtbleiche Mädchen abnehmen,- aber so fest hatten ihre Arme den Nacken ihres Retters umklammert, daß es ohne Anwendung von Gewalt nicht möglich gewesen wäre, sie loszulösen, und in wenig Augenblicken hatte sich Wolfgang auch soweit erholt, daß er mit ihr die Leiter hinabsteigen konnte. Man drängte sich von allen Seiten neu gierig und theilnehmend an ihn heran, aber er befreite sich sanft von den Armen des betäubten jungen Geschöpfs, warf ihr seinen Regenmantel über, mit dem seine brave Wirthin sich, vor Auf regung zitternd, herandrängte, ordnete kurz an, daß man sie in ein Haus trage und nach dem Arzt schicke, nahm den Rapport des Sprißenmeisters entgegen, der für ihn das Kommando ge­führt hatte und übernahm, als sei nichts geschehen, die Leitung der weiteren Löscharbeiten. Inzwischen war auch Krone, dem die Gluth das Bart- und Kopfhaar arg versengt hatte, zurück gestiegen und hing die Leiter aus; als er ruhig in Reih und Glied treten wollte, drückte ihm Wolfgang warm die Hand und sagte leise zu dem vor Freude roth Werdenden: Wir sprechen uns noch, Krone- ohne Sie waren wir beide verloren." Das alleinstehende Haus war nicht zu retten, und da es windstill war und feine weitere Gefahr durch Flugfeuer drohte, so konnte Wolfgang den abgelösten Mannschaften die Annahme der Er­frischungen, welche man von allen Seiten herbeibrachte, gestatten; er selber schien keine derartigen Bedürfnisse zu kennen und stand so aufrecht und ruhig da, als befände er sich auf dem Uebungs­plaze. Er hatte sich grade in die Nähe des brennenden Hauses begeben, um die regelwidrige Legung eines Schlauches zu korri­giren, als der Diener des Kommerzienraths mit einem silbernen Bräsentirteller auf ihn zutrat, seine Gamaschen ängstlich vor den Wasserlachen, verkohlten Balken und halbverbrannten Mobiliar stücken behütend, zwischen denen er sich durchwinden mußte. Wolfgang wollte ihn aufänglich mit einer ungeduldigen Hand­bewegung wegschicken, als der Mensch aber ausrichtete, daß der Herr Kommerzienrath und Fräulein Hoyer ihn bitten ließen, ein Glas Tofaier anzunehmen, besann er sich anders, goß sich ein Glas ein und, das Schuppensturmband in die Höhe schlagend und dann den Helm abnehmend und mit dem Aermel über die mit Schweißperlen bedeckte Stirn fahrend, wollte er das Glas mit dem dunklen süßen Wein eben an die Lippen sezen, als es, den Inhalt verschüttend, seiner Hand entsant und er lautlos nach rückwärts zusammenbrach. Die Umstehenden schrieen auf was war ihm zugestoßen? Man sollte nicht lange darüber in Zweifel sein. Das Blut, das unter dem Haar hervorsicherte und über die Stirn rieselte, führte zur Entdeckung einer tüchtigen Kopf wunde, und bald fand sich auch das messerscharfe Schieferstück, welches bei dem unerwartet frühen Zusammenbruch eines kleinen Theils des Daches abgesplittert war und sich, heftig geschleudert, so weit verirrt hatte. Der Arzt, der grade kam, um die Mit theilung zu bringen, daß das junge Mädchen völlig zum Bewußt fein gelangt sei und lediglich infolge des jähen Schrecks, der ausgestandenen Angst und des erstickenden Rauchs vorübergehend Ohnmachtserscheinungen gezeigt habe, konstatirte, daß bei Wolfgang eine Verlegung der Kopfhaut vorliege, die an sich ungefährlich sei, aber infolge der vorhergegangen Aufregung immerhin Be­denken rechtfertige und die sorgsamste Pflege erheische; eine Gehirn­entzündung oder ein Nervenfieber seien mindestens möglich. So wurde denn Wolfgang von einigen Leuten seines Korps behutsam aufgehoben und nach seiner Wohnung getragen; seine Wirthin, die anfänglich ganz außer sich war, faßte sich rasch, als der Arzt, der den kleinen Transport begleitet hatte, ihr vorstellte, die Ge­nesung des Verwundeten hänge von der strengen Befolgung seiner Befehle ab und er müsse sich auf dieselbe verlassen können, da er sonst gezwungen sei, Wolfgang nach dem Krankenhause bringen zu lassen. Sie konnte sich ein Beispiel an Proud nehmen. Das fluge Thier gab die lebhaftesten Zeichen von Unruhe, verhielt sich aber ganz still und verfolgte nur jede Bewegung der um seinen Herrn Beschäftigten mit den Augen, als suche es den Zweck dieser ungewohnten Thätigkeit zu errathen. Als sich dann der Arzt für befriedigt erklärte und Ruhe, vollständige Ruhe als das zunächst Erforderliche bezeichnete, sah Proud grade so aus, als wolle er sagen: Ich kann leider bei der schlimmen Sache weiter nichts thun, für die Ruhe aber verbürge ich mich." Und als alle das Zimmer verlassen hatten, sprang er geräuschlos auf den Stuhl am Kopfende des Bettes, legte einen Moment seinen mächtigen

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f neben den seines Herrn auf das weiße Kissen und sah ihn seinen ehrlichen Augen besorgt und traurig an. Dann legte er sich vor die Schwelle der Thür, als sei er entschlossen, diesen Posten nicht eher wieder zu verlassen, als bis sein Herr selber es ihm befehlen würde.

Von den vom Arzt für möglich gehaltenen Komplikationen des Falls trat keine ein und die Heilung verlief bei Wolfgangs gesunder und unverdorbener Natur normal. Auch die vorüber­gehenden Trübungen des Bewußtseins und der Erinnerung ver­loren sich und nur eine tiefe Müdigkeit und ein großes Schlaf­bedürfniß blieben zurück, zur größten Befriedigung des Arztes, der in ihnen die sicherste Gewähr für die rasche Wiederherstellung seines Patienten sah.

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Am Tage nach jener ereignißreichen Nacht empfing Frau von Larisch, die inzwischen nach W. zurückgekehrt war, von der kleinen Emmy nachfolgendes, in großer Hast hingeworfenes, durch eine sehr mangelhafte Interpunktion und einige orthographische Schnitzer auf die Höhe weiblicher Liebenswürdigkeit emporgehobenes Briefchen: Meine theure Leontine!

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Kaum hast Du den Rücken gekehrt, so passiren hier die roman­tischsten Dinge und Dein Protégé, dieser Herr Hammer mit seinem unendlichen Schnurrbart, fängt an, mir fürchterlich zu werden. Denke Dir, gestern Nacht bricht nur ein paar Häuser von seiner Wohnung Feuer aus, und ich kann Dir versichern, es war ein so heilloser Skandal, daß ich mich vor dem schauerlichen Blasen und Tuten unter die Steppdecke verkrochen und mir die Ohren mit dem Kopftissen verstopft haben würde, wäre es nicht andrer­seits so komisch, dem Laufen und Rennen der Feuerwehrleute zuzusehen, die in ihrem blinden Eifer und in der Finsterniß über alles wegstolpern, was ihnen in den Weg kommt. Du hättest mitlachen müssen, wenn Du gesehen hättest, wie von Zweien, denen ein Gartenzaun im Wege war, der Eine wie ein Reh im vollen Lauf über denselben wegsezte, während der Andere darüber klettern wollte und damit zu seiner Verzweiflung nicht recht zu Stande kam. Und ein paar Schritte davon stand die Garten­thür sperrangelweit offen! Es war alles bei uns munter und wir beobachteten vom Fenster aus das Umsichgreifen der Flammen das Haus selber war uns verdeckt d. h. Martha trat nur ab und zu einmal an's Fenster; die meiste Zeit ging sie, die Arme ineinander gesteckt, geräuschlos, aber in einer nervösen Un­ruhe, im Zimmer auf und ab und gab ganz verkehrte Antworten; Was hat das zu sie hörte offenbar nicht, was man ihr sagte. bedeuten, Leontine? Am Ende gardoch ich werde mich hüten, Konjunkturen( oder Konjekturen wie heißt es nun eigentlich?) anzustellen. Nach einiger Zeit kommt Dorette und meldet ganz aufgeregt, daß Herr Hauptmann Hammer noch in dem über und über brennenden Hause sei und ein junges Mädchen suche, das von ihrer Tante vermißt werde. Jetzt kann ich darüber lachen, aber im Moment habe ich mich beinahe vor Martha gefürchtet, die in einen Stuhl am Fenster sant und die Stirn auf das Fensterbrett legte und mir gar keine Antwort gab, als ich sie schüch­tern anrief. Ich hatte wirklich nicht das Gefühl, als könne diesem verwegenen Herrn Hammer etwas zustoßen; Vater war schon bedenklicher, schnipste nachdenklich mit den Fingern und meinte: Das wäre nun am Ende nicht nöthig gewesen." Es mag wohl nicht gar so viele Minuten danach gewesen sein, aber die Zeit ist uns natürlich peinlich lang geworden, als Dorette wieder Rapport brachte und diesmal stotterte sie und verschluckte sich vor Eifer, Rührung und Freude. Da hatte Dir also der toll­kühne Mensch das Mädchen wirklich gefunden und sie auf seinem Arme die Leiter heruntergetragen sie war ohnmächtig gewesen, ist aber dann wieder zu sich gekommen. Nun wußten wir auf einmal, warum kurz vorher von der Brandstelle herüber ein Hurrahgeschrei kam selbst Martha war in die Höhe gefahren und hatte uns angesehen, als wollte sie fragen:" Was heißt das? In Sicherheit?" Aber das dicke Ende kommt erst nach. Als Bapa hörte, daß Herr Hammer seelenruhig das Kommando führe, meinte er, man solle ihm wohl ein Glas Wein anbieten, Port­wein, Sherry oder so etwas, und Jean könne es hinübertragen. Ich habe Martha in meinem Leben noch nie eine so fabelhafte Geschwindigkeit entwickeln sehen, als in diesem Augenblick, und bei aller Eile hatte sie doch noch soviel Geistesgegenwart, zu überlegen, daß dem ehemaligen österreichischen Freiwilligen ein Glas Tokaier am willkommensten sein werde. War das nicht

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