erwähnten Stellung bewogen und dann in ein frühzeitiges Grab stürzten. Vielfache geistige Aufregungen, Sorgen und Kümmernisse über einen verfehlten Lebensberuf haben zu diesem frühen Ende ohne Zweifel viel beigetragen.
Hinsichtlich seiner schriftstellerischen Thätigkeit war Fendt früher nur Journalist und Polemiker, und als solcher in einer mannigfachen und erfolgreichen Weise thätig gewesen. Vor zwei Jahren jedoch faßte er einen Theil seiner zerstreuten Arbeiten in dem Rahmen seiner ,, Erinnerungen und Erlebnisse" zusammen und gab 1875 im Selbstverlag das höchst interessante und vielbesprochene Buch Von 1846 bis 1853" heraus, dessen Studium allen denjenigen zu empfehlen sein dürfte, die endlich aus den heute so verworrenen Begriffen über die achtundvierziger Bewegung in's klare kommen möchten. In seiner Schreibweise hatte Fendt viel von Börne und Jean Paul , welche beide seine Lieblingsschriftsteller
Wiener Lebensbilder.
II.
Wenig Erbauliches habe ich Ihnen mit meinem vorigen Briefe geschrieben, und wahrlich auch wenig Erbauliches bleibt mir heute zu berichten. Das neue Jahr ist zwar angebrochen, aber wohl niemand, der nüchternen Blickes in die Zukunft schaut, hofft von demselben ein Besserwerden. Wohin wir blicken, dasselbe trostlose Bild, grau in grau gemalt: unmittelbar im Südosten unseres Reiches ein schreckliches Menschenschlachten, das an Grausamkeit alles bisher Dagewesene zu überbieten strebt und dessen Ende niemand absieht, so daß selbst unsere guten alten Spießbürger, die sich bei Beginn des Krieges damit trösteten, daß es ja hinten weit in der Türkei " sei ,,, wo die Völker aufeinanderschlagen", wie es ihnen ihre tägliche ,, geistige Nahrung" vorgesagt, nun bange zu fragen beginnen, ob wir nicht am Ende noch selbst verwickelt werden in die große Kazbalgerei; im Innern unfertige Zustände überall die ,, Monarchie auf Kündigung" ist seit Neujahr wieder abgelaufen, und da die sich gegenüberstehenden cisleithanischen und transleithanischen( Kapitalisten-) Interessen dem Abschlusse eines neues Paktes bisher hindernd im Wege standen, leben wir im schönsten ,, Provisorium" dafür aber, wahrscheinlich zur Entschädigung, die trost lose Aussicht auf neue Steuern neue Steuern für das arbeitende oder auch, weil ohne Beschäftigung, nicht arbeitende, immer aber darbende Volk!
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Unser guter Herr Finanzminister Freiherr de Pretis, der vor drei Jahren bereits frohen Muthes prophezeihte: Es wird bald besser werden" und der ein Jahr später auch ungenirt behauptete:„ Es ist schon besser geworden", Herr de Pretis hat allerdings Ursache sich zu freuen: eine neue progressive Personal- Einkommensteuer ist ihm bewilligt worden, die jedes Einkommen von 600 fl. und darüber treffen wird, und wenn auch über deren Höhe und sonstige Kleinigkeiten die hochweisen Herren vom Reichsrathe bisher nicht einig wurden ,,, im Prinzipe" hat er die Steuer doch! Zwar würde auch ein größeres Finanzgenie, als es unser cisleithanischer Defizitverwalter ist, mit einer derart ,, im Prinzipe" bewilligten Steuer die fünf Millionen Gulden Steuerrückstände, welche die wiener Bevölkerung allein schuldet, nicht bezahlen können; aber er wird sich in seiner Ungeduld wohl mit Emittirung einiger billigen Rententitelchen zu helfen wissen, bis die ersehnte Goldquelle aus dem„ ,, bisher unbesteuerten" Einkommen, dem fargen Lohne des unbemittelten Arbeiters, kommt. Und dann gibt es ja auch noch neue Verbrauchsteuern auf Reis, auf Kaffee, auf Petroleum u. s. w.! Freue dich, armer Mann, der du bisher beim dürftigen Petroleumlämpchen dein Elend betrachten konntest, du wirst nun wieder zur ,, Schusterkerze" oder zum Kienspan zurückkehren müssen, wie weiland in der guten, alten Zeit"; der Reiche aber brennt ja ohnedies tein Petroleum, sondern Rüböl, Stearin oder Wachs wozu aljo klagen?
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Wer es aber trotzdem noch nicht glauben will, daß es bereits besser geworden", der lasse sich sagen, daß dieser Tage in der Umgegend von Mährisch- Kromau ein gerichtlich auf 1000 fl. geschäztes Haus um Einen Gulden und eine gerichtlich auf 8000 fl. geschäßte Halblahe um zwanzig Gulden verkauft wurden, allerdings in egetutiver Feilbietung aber ein Haus um einen Gulden! was will man denn da noch für bessere Zeiten?!
aber
Ich bin im Zweifel, was interessanter wäre, ein Rückblick auf das abgelaufene Jahr oder eine Ausschau auf die uns im neuen Jahre bevorstehenden Freuden. In ersterer Beziehung lassen wir diesmal lieber den wiener Correspondenten eines liberalen Provinzblattes reden, der folgenden Bericht über die eminent fortschrittliche Entwicklung Wiens und seiner Bewohner gibt: ,, Daß die Bevölkerung Wiens im verflossenen Jahre sittlicher und besser geworden ist, wird niemand behaupten wollen, der die Chronik der Verbrechen mit Aufmerksamkeit verfolgt hat; es scheint jogar, als ob Leben und Eigenthum mehr gefährdet waren als in früheren Jahren. Die Zahl der Einbrüche, Diebstähle, Betrügereien und Unterschleife ist eine erschreckend große, und es gäbe eine lange, traurige Liste, wenn ich die Verbrechen hier verzeichnen wollte, welche Aussehen erregten oder erschütternd auf das Publikum wirkten. Es ist besser, man zieht einen Vorhang vor dieses traurige Bild."
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waren. Nur tritt bei ihm. die sprudelnde Lebendigkeit des geübten Volksredners und des tampflustigen Journalisten beträchtlicher hervor. Fendt ist den demokratischen Ueberzeugungen seiner Jugend bis zum letzten Hauch treu geblieben. Die Berechtigung des sozialdemokratischen Programms hat er wiederholt anerkannt mißbilligend äußerte er sich blos über den baseler Beschluß, betr. die Grund- und Bodenfrage, den er für durchaus verkehrt hielt. Indeß forrigirte er auch in dieser Beziehung später sein Urtheil. Das leztemal trat er vor die Oeffentlichkeit zu Ende der 60er Jahre, wo er durch einen denkwürdigen Prozeß die moralische Hinrichtung des Erzhumbugs Metz, nationalvereinlichen Angedenkens, vollzog.
Diese That allein sichert ihm ein Anrecht auf die Dankbarkeit des deutschen Volks. B.
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Und im neuen Jahre? Schon in den ersten Tagen lasen wir in unsern Blättern eine Notiz über eine von der ,, Sicherheitsbehörde" in den Spelunken der westlichen Vororte vorgenommenen Streifung, welche ein Ergebniß von 92 Arretirungen hatte. 17 der Verhafteten waren bereits abgestrafte Diebe u. s. w., die übrigen hatten sich, wie hinzu gefügt wird, keines andren Verbrechens schuldig gemacht, als daß sie nichts haben". Wer möchte die Wechselbeziehung zwischen der citirten Correspondenz des Provinzblattes und der obigen, scheinbar unbedeutenden Notiz verkennen: Verbrechen und Elend Wirkung und Ursache! Man beseitige die Ursache und die Wirkung wird von selbst verschwinden! Das scheint freilich leichter gesagt als gethan; namentlich unseren Bourgeoispolitikern, die in der Polizei das Alpha und Omega aller Staatskunst erblicken, will bei dieser Frage gänzlich das Latein ausgehen. So forderte der Herr Reichstagsabgeordnete Dumba im Budgetausschusse bei der Berathung des Polizei- Etats Abhilfe gegen das immer mehr überhandnehmende Vagabunden- und Bettler- Unwesen in Wien ; leider kann er sich auf die Idee, die soziale Frage mittelst Schub und Arrest zu lösen, nicht einmal ein Patent geben lassen, sie ist von unserer ,, liberalen" Regierung schon ein Lustrum hindurch praktisch gehandhabt.
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Allerdings ist es von unseren Volksvertretern zuviel verlangt, sich auch mit volkswirthschaftlichen Studien zu befassen und den Ursachen der heutigen miserablen Zustände auf den Grund zu gehen haben ja Wichtigeres zu thun! Dumba selbst ist ein großer Sänger vor dem Herrn, dem die Lorbeeren des wiener Männergesangvereins wahrscheinlich mehr am Herzen liegen dürften, als die Interessen seiner Mandatgeber für den Reichsrath. Ob er auch Mitglied des reichsräthlichen Turnclubs ist, weiß ich nicht. Wenn nicht, wäre es wahrlich schade, er gäbe ein prächtiges Seitenstück zu seinem reichsräthlichen Kollegen Baron Walterskirchen, der sich jüngst als„ Dauerläufer" produzirte. Ohne Spaß! Zu erfahren, daß der edle Baron, ein Arbeiterfreund vom reinsten Wasser( etwa wie Ihr Schulze aus Delitzsch ), ein gewandter Turner sei, nahm mich nicht gerade Wunder, denn die rhetorischen Bocksprünge, die er zu unterschiedlichenmalen in den Debatten unseres ,, hohen Hauses" zum Besten gab, sind aller Anerkennung werth. Nun hat er, wie gesagt auch als Dauerläufer seine Probe abgelegt. Er hatte mit mehreren seiner Kollegen aus dem Parlamente gewettet, daß er die ganze Ringstraße im Dauerlaufe, ohne anzuhalten, passiren werde, und an einem frühen Morgen lief er diese Strecke richtig innerhalb 232 Minuten, unter der Kontrole der turnerischen Abgeordneten. Daß ob dieses Sieges das obligate Festessen nicht ausbleiben durfte, ist wohl selbstverständlich, wo bliebe denn sonst die gute, alte deutsche Sitte, daß jegliches Thun mit Speise und Trank wohl beschlossen werden müsse. Und unserere reichsväterlichen Turner sind gute Deutsche: das Menu des Wettlauf Essens" durfte auch nicht Einen französischen Ausdruck enthalten! Daß Champagner und Bordeaux ebenfalls verbannt waren, meldet Fama nicht, es ist indeß schwerlich anzunehmen, denn bekanntlich ,, der echte deutsche Mann mag feinen Franzen leiden, doch seine Weine trinkt er gern". Launige Toaste gab es, recht gewagte Turnerkünste kamen vor und das Ganze währte bis in die späte Abendstunde und da will man noch haben, die Herren sollten Zeit finden, dem Elende des Volkes abzuhelfen!
Zur Vervollständigung unseres Bildes fehlt jetzt eigentlich nur noch ein ,, Reichsraths- Tingl- Tangl". Die Kräfte wären so schön beieinander. Der Sänger Dumba, der Turnklub als Akrobatentruppe, Walterskirchen als Dauerläufer, an unterschiedlichen Clowns und Kautschuckmännern dürfte es ebenfalls nicht fehlen und im Nothfalle könnte man ja auch den ehemaligen Kollegen Brandstätter, der jetzt im Karlauer Strafhause die Folgen seiner Unvorsichtigkeit bei Ausfertigung von Wechseln absigt, einen Gastrollen- Cyklus im Concertzeichnen geben lassen. und um ein geeignetes Lokal hätte man gleichfalls nicht lange zu suchen, ist doch in nächster Nähe des Abgeordnetenhauses"( falls man dieser Bretterbarake selbst nicht mehr die genügende Widerstandsfähigkeit gegen einen größeren Andrang zutraut) die soeben wieder verwaiste ,, Komische Oper"!
Diese ,, Komische Oper", die schon die längste Zeit her mehr ,, komisch" als Dper" war, ist wieder einmal gekracht wenn wir nicht irren, seit den fünf Jahren ihres Bestehens zum sechsten Male und zwar
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