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meistermanier als funkelnagelneue Weisheit vordozirt wird, hat sich unsereiner längst an den Stiefelsohlen abgelaufer das Meiste weiß man besser aber das Unglück ist eben, daß ich nicht kann. Der Zorn, der mit beiden Fäusten dreinschlagen möchte, würgt mich förmlich ab, aber es ist, als hätte ich emen Pfropf im Halse, der nicht heraus will, und wenn ich ja einmal ein paar Worte sage, so kommen sie der Quere heraus, und so ein grüner Laffe, der eben erst aus dem Seminar gekommen ist und sich für ein Licht der Welt hält, in Wirklichkeit aber des lieben Herrgotts Reitpferd, d. h. ein Esel ist( siehe Einzug in Jerusalem), fährt mir über den Mund und hat schließlich die Lacher auf seiner Seite. Da habe ich kürzlich einmal, als sie wieder eine volle Stunde von der Befreiung des deutschen Geistes durch den groben wittenberger Mönch geschwafelt hatten, ein kräftig Wörtlein von Darwin fallen lassen, der ein viel größerer Wohlthäter und Befreier der Menschheit sei und von dem man an allen Straßenecken predigen sollte. Was glauben Sie, das nun tam? Der Reftor unserer Stadtschule, ein ganz gewöhnlicher Klavierpauker, dessen wundeste Stelle sein leeres Knopfloch ist, tanzelt mich von obenherab ab, meint, ich würde wohl von Darwin auch nicht mehr wissen, als ich in einem Gartenlauben Artikel gelesen hätte, ergeht sich in Ausfällen gegen vorlaute Halbbildung" und stellt für die nächste Zeit eine Beleuchtung der Irrthümer Darwin's in Aussicht. Soll man da nicht aus der Haut fahren? Ist es denn nun zu viel verlangt, wenn ich Sie bitte, diesen Vortrag mit anzuhören und am Schlusse dem aufgeblasenen Schulmonarchen eins auf den vorlauten Schnabel zu geben, daß ihm Hören und Sehen vergeht? Sie können reden wie ein Buch und darauf, daß Sie von Darwin mehr verstehen als dieser dummstolze Bakelschwinger, gehe ich jede Wette ein. Und sehen Sie, wenn es nun einmal an's Hinrichten geht, so fönnen Sie ihn am Ende auch gleich einmal an seiner kizlichsten Stelle fassen; er fängt vollständig an zu rappeln, wenn von des deutschen Reichs erlauchtem Kanzler die Rede ist, den er so ungefähr für das Gehirn des deutschen Volkes hält, und seine Schulreden triefen förmlich von Kaiser- und Kanzlerbewunderung und von Franzosen - und Pfaffenhaß. Ich weiß nicht und will garnicht wissen, welche politische Ansicht Sie haben, aber das steht für mich fest, daß Ihnen dieser fanatische Schwindel doch zu toll wäre. Wenn Sie die Reden einmal lesen wollen, um den Mann kennen zu lernen, so stehen sie Ihnen zu Diensten- unsere Kleine Quetsche ist gewürdigt worden, diese erhabenen Offenbarungen eines delirirenden Schulmeistergehirns durch den Druck aller Welt zugänglich zu machen, und ich habe mit der genialen Orthographie des Herrn Rektors und seiner verwegenen Interpunktion meine liebe Noth gehabt."
Die gesunde Derbheit und der ehrliche Ingrimm, die diese
legung charakterisirten, hatten Wolfgang nicht blos belustigt, er hielt Krone die Hand hin und sagte gut gelaunt: " Ich bin kein Freund des Redenhaltens und Debattirens, aber im Nothfall stelle ich schon meinen Mann, und Ihr Herr Rektor wird sich entschieden im Lichte stehen, wenn er wirklich die Unverfrorenheit hat, die Irrthümer Darwin's" beleuchten zu wollen. Ich komme also, sobald Sie mich benachrichtigen, daß der Vortrag stattfindet, und ich verspreche Ihnen weiter, dem würdigen Pädagogen die Perücke ganz gehörig zu zerzausen, wenn er, wie vorauszusehen ist, fälscht und verdreht. Sind Sie zufrieden?"
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Der brave Krone war feuerroth vor Freude geworden- er preßte Wolfgang's Hand mit so herzhaftem Druck, daß dieser sich gerade keine Wiederholung wünschte, und die blaugrauen Augen blitten in fast wilder Befriedigung. Als nun Wolfgang vollends hinzufügte, daß ihm der Bismarckfultus, der in Deutschland getrieben werde, als eine Thatsache erscheine, die sich der ernstlichsten Beachtung der Frrenärzte empfehle und für deren Verständniß ihm thatsächlich die Organe abgingen, gelobte sich Krone im stillen, seinen jungen Hauptmann fernerhin gegen jedermann bis auf's äußerste zu vertreten bis auf's äußerste zu vertreten wer etwas gegen ihn hatte, bekam es mit ihm zu thun und er sollte einen harten Stand haben. Wer weiß, wie lange Krone noch am Bett Wolfgang's gesessen hätte, wäre Frau Meiling nicht( zum sechstenmale) in's Zimmer getreten und hätte Wolfgang einen Wink mit den Augen gegeben bei Krone war mit solcher Zeichensprache, wie sie bereits erprobt hatte, nichts auszurichten, sodaß sie sich an den Verwundeten selber wenden mußte. Dieser verstand sie auch sogleich und sagte lächelnd:" Nun aber machen Sie, daß Sie fortkommen, Krone, wenn Frau Meiling Sie nicht hinaus werfen soll; unsere lange Unterhaltung hat ihre höchste Misbilligung, und ich glaube, wir sind nach ihrer Meinung auch um ein Erhebliches zu laut gewesen, und wenn Sie das Feld geräumt haben, wird sie mir in mütterlich- strafendem Tone eine Vorlesung über die Schädlichkeit jeder Aufregung halten und ich werde Mühe haben, ihr zu beweisen, daß zu Gunsten meines Retters eine Ausnahme gemacht werden mußte."
In der That war Frau Meiling garnicht damit einverstanden, daß der ihrer Obhut anvertraute Rekonvaleszent eine so lange Audienz gab, und als Krone gegangen war, schärfte sie Wolfgang beinahe ängstlich die Nothwendigkeit ein, sich nunmehr unbedingte Ruhe zu gönnen und nicht etwa noch leſen zu wollen. Wolfgang war auch wirklich müde und verfiel in einen tiefen, träumelosen Schlaf, in dem ihm aber etwas recht sonderbares passiren sollte, ohne daß es ihm zum Bewußtsein gelangte. ( Fortsetzung folgt.)
Am letzten Tage des Jahres 1877 starb bei Vevey , am blauen Lemansee, Gustave Courbet ,„ der Maler des Häßlichen" wie eine zimperlich- pedantische Kritik ihn genannt hat, der Maler des Wahren, der Maler der Natur," wie das Beiwort von Rechtswegen lauten sollte. Er war ein Bauernjunge aus der FrancheComté, jener Freigrafschaft", wo deutsches Blut sich so ziemlich zu gleichen Theilen mit dem celtischen gemischt hat. Eine treff liche Mischung, der Frankreich so manchen seiner tüchtigsten Denker, Kämpfer und Künstler verdankt einen Cuvier, Proudhon , Victor Hugo ( trotz seines Monstrephrasenthums doch eine groß angelegte Persönlichkeit) und endlich last not least, unseren ,, Colonnard"( Säulenzertrümmerer) Courbet . Der unsre war er. Dem Volf, aus dem er hervorgegangen, hat er angehört bis zum Tod, und der Künstler Courbet war stets ein Kämpfer für die Befreiung des Volks. Geboren im Jahre 1819, verließ er sein heimisches Dorf Ornans, um in Besançon der Vater war ziemlich wohlhabend und wollte aus seinem Sohne etwas machen" das Lyceum zu besuchen, und fam, 20 Jahre alt, nach Paris , wo er die Rechte studiren sollte, aber, ohne zu wissen wie, rein seinem Hange folgend, Maler wurde. Einen Lehrer hatte er nicht." Wer war Ihr Lehrer?" fragte ihn einst ein Besucher. " Moi" Jch!- antwortete er in seinem breiten Dialekt. Úud sich selbst betitelte er: élève de la nature Schüler der Natur. Und einen besseren Schüler konnte die Lehrerin sich nicht wünschen.
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und keinen fleißigeren. Vom Himmel herab fällt die Kunst nicht, wie eine gebratene Taube im Schlaraffenland.„ Fleiß ist neun Zehntel des Genies," hat einmal ein Engländer gesagt. Courbet begriff es instinktmäßig, eben weil er ein Genie war. „ Es sind keine zehn Jahre her," so berichtet der Verfasser eines trefflichen Nekrologs in der Neuen Freien Presse" sind keine zehn Jahre her, erklärte er uns einmal in seiner gloriosen Weise, wie er Maler geworden. Als junger Mensch bewohnte ich eine Kammer mit frisch geweißten Wänden; darin stellte ich einen weiß gefärbten Tisch auf, breitete darüber ein weißes Tischtuch und postirte darauf einen weißen- Suppentopf. Nun begann ich, dieses Stillleben zu malen, malte es fünfzig, hundert, hundertundvierundzwanzigmal beim hundertundfünfundzwanzigstenmal war ich ein Maler.""
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Nun, ganz so glatt wird's nicht abgegangen sein. Thatsache ist: In dem Ausstellungskatalog des Jahres 1844 figurirte ein gewisser Courbet, élève de la nature, cin Name und ein Titel, die vordem von niemand gehört worden, mit einem Selbstporträt. Ein prächtiger, gesundheitsstrogender, sorglos und doch kraftbewußt dreinschauender Kopf, der dem Maler und Original wie im Sturm die Sympathien gewann. Das Publikum, im großen", die wahren Kunstverständigen, die unabhängige„ öffentliche Meinung" waren erobert und fielen nie ab von dem rasch sich vervollkommnenden, seine Eigenart immer mehr entwickelnden„ Schüler