voll austönen zu lassen, deshalb wird der zu enge Rahmen er­weitert durch solche refrainartige Zusäße.

Neben Percy's Ueberresten altenglischer Poesie"( erste Aus­gabe 1765, dann öfter) gab noch bedeutende Anregung Mac­phersons Fälschung der Lieder des gälischen Skalden oder Sängers Ossian  . Diese beiden Erscheinungen riefen einen wahren Sturm in dem literarischen Deutschland   hervor.

Wie tief die Gemüther von den Ossianliedern gepackt und er­schüttert wurden, dafür haben wir ein klassisches Zeugniß in der Prosaübersetzung eines schönen Gesanges in Goethe's   Leiden des jungen Werther", und auch an anderen Stellen dieses merkwürdig revolutionären Werkes:" Ossian   hat in meinem Herzen den Homer verdrängt," schreibt Goethe, der junge Stürmer und Dränger, beeinflußt und bestimmt durch Herder, durch den er in Straßburg  als Student 1770 und 71 die Poesie von einer ganz neuen Seite kennen lernte". Im Elsaß   sammelte Goethe für den Freund Lieder, die er beim Volke singen hörte, und dabei lernte der spätere Altmeister deutscher Poesie jene Töne anschlagen, die von unfehl­barer Wirksamkeit auf die Gemüther waren und die in seinem eigenen Dichten und Denken uns so oft entgegenklingen. Im Werther trat der junge Apoll   gar scharf und schneidig auf gegen die Herren von Schule und Regel, die die Welt vergriecht und verlateinert" hatte. Aus Percy's Sammlung heben wir als Probe nur die eine Ballade" Edward" heraus.

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,, Dein Schwert, wie ist's vom Blut so roth, Edward, Edward?

Dein Schwert, wie ist's vom Blut so roth, Und gehst so traurig her?

D!"

Ich hab' geschlagen meinen Geier todt, Mutter, Mutter!

Ich hab' geschlagen meinen Geier todt, Und keinen hab' ich wie er

,, Dein's Geiers Blut ist nicht so roth, Edward, Edward!

-D!"

-

Dein's Geiers Blut ist nicht so roth, Mein Sohn bekenn' mir frei D!" ,, D, ich ha geschlagen mein Rothroß todt, Mutter, Mutter!

D, ich hab' geschlagen mein Rothroß todt,

Und' s war so stolz und treu

"

Dein Roß war alt, hast's nicht noth, Edward, Edward!

-

Dein Roß war alt, und hast's nicht noth, Dich drückt ein andrer Schmerz

-

D!"

,, D, ich hab' geschlagen meinen Vater todt, Mutter, Mutter!

-

D!"

O, ich hab' geschlagen meinen Vater todt Und weh, weh ist mein Herz D!" , Und was für Buße willt du nun thun, Edward, Edward?

"

Und was für Buße willt du nun thun, Mein Sohn, bekenn' mir mehr ,, Auf Erden soll mein Fuß nicht ruhn, Mutter, Mutter!

Auf Erden soll mein Fuß nicht ruhn, Will gehn fern über's Meer- 0!" ,, Und was soll werden dein Hof und Hall, Edward, Edward?

Und was soll werden dein Hof und Hall, So herrlich sonst und schön

D!"

Ich laß es stehn bis es sink' und fall', Mutter, Mutter!

Ich laß es stehn, bis es sink' und fall', Mag nie es wiedersehn

-

,, Und was soll werden dein Weib und Kind, Edward, Edward?

Und was soll werden dein Weib und Kind, Wenn du gehst über Meer?- D!" Die Welt ist groß, laß sie betteln drinn, Mutter, Mutter!

"

Die Welt   ist groß, laß sie betteln drin,

1!

Ich seh sie nimmermehr D!"

-

D!"

Und was willt du lassen deiner Mutter theu'r, Edward, Edward?

-

Und was willt du lassen deiner Mutter theu'r? Mein Sohn, das sage mir D!" ,, Fluch will ich euch lassen und höllisch Fen'r, Mutter, Mutter!

Fluch will ich euch lassen und höllisch Feu'e, Denn ihr, ihr riethet's mir!

-

D!"

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Das ist Kraft, das ist Leben! Das ist elementare Natur, und dabei könnte der geschulteste Kunstdichter nicht feiner und schärfer zeichnen und kunstreicher steigern und die Spannung immer mehr erhöhen, bis die Handlung endlich ihren Abschluß findet in dem schrecklichen Fluch des Sohnes über seine mord­anstiftende Mutter!

"

Am tiefsten war in Deutschland   die Wirkung, welche Herder ausübte durch Veröffentlichung seines Bändchens Volkslieder", das im Jahre 1778 erschien und erst später umgetauft und Stimmen der Völker" betitelt wurde, als nach Herders   Tode dessen gesammelte Werke herausgegeben wurden. Herder   gibt auch Zeugnisse für die Volkslieder aus älterer Zeit; ich denke aber, wir bedürfen deren weiter nicht. Als interessant mag nur eins hervorgehoben werden, welches Philipp Sidney zum Urheber hat und lautet: Nie hörte ich den alten Sang, Percy und Douglas', ohne daß ich mein Herz von mehr als Trompeten­flang gerührt fand; und doch war's nur irgend von einem blinden Bettler gesungen, nicht mit rauherer Stimme als Versart." Daran knüpft er die Betrachtung: wie gewaltig wohl diese so schlecht zugerichteten Lieder, befreit von dem Staube eines un­gebildeten Jahrhunderts, etwa im Stil des Pindar  " aufgeputzt, wirken würden! Das sei ferne, den nordischen Kern mit süd­licher Schale zu umhüllen, daß man nicht mehr erkennt, welch' Baumes Frucht man vor sich hat!

-

Als das Wort Ballade" durch Percy bei uns bekannt und besprochen wurde, legten sich auch bald Leute auf das Balladen­dichten"; so der alte Gleim, der freilich Erregung starker Leiden­schaft der menschlichen Gesellschaft für schädlich hielt und dabei wohl an das politische Leben dachte. Auch von anderer Seite wurde gelehrt, Romanzen und Balladen( beides eigentlich dasselbe und nur das eine der nordisch englische, das andere der romanische Name für Volkslied") sollten abenteuerlich und wunderbar und von einer possirlichen Traurigkeit(!) sein."

Ganz anders ist das bei den Nachbildungen Herders  , der so zart und fein Inhalt und Ton nachfühlte und nachdichtete, wie keiner vor oder nach ihm. Freilich ging dieses neue Evangelium nicht unangegriffen in die Lande hinaus. Besonders der Buch­händler und Schriftsteller Nikolai in Berlin   trat satirisch dagegen auf mit einer Sammlung von ächten alten und selbstgefertigten Volksliedern, die betitelt war: Ein feyner fleyner Almanach vol schönerr echterr ljblicherr volksljder von Daniel Seuberlich   1777 und 1778."

Weil

Das ächte Volkslied sollte aber seinen Eindruck nicht ver­fehlen und Herders Stimme verhallte nicht ungehört. Das be= weist vor allem Bürgers Herzensausguß über das Volkslied", den er unter dem Namen Daniel Wunderlich herausgab. Darin lehrt der Sänger der Lenore  ", daß die Dichtkunst nicht blos für die obersten Klassen da sei, der Beruf der wahren Dichter sei es, gleich verständlich und unterhaltend für das Menschen­geschlecht im ganzen zu dichten. Dann wendet er sich scharf gegen die Entfremdung der Kunstdichter vom Volfe und meint: wir so hoch und so tief gelehrt sind, daß wir schier aller Völker Sprachen reden können, ihre Handlungen, Sitten und Gebräuche, all' ihre Weisheit und Thorheit auswendig wissen, überall bei ihnen heimisch, mit allem bei ihnen bekannt und bewandert sind, so sind wir in unserem Dichten und Trachten, Reden und Thun  so fremd und so ausländisch, daß der Ungelehrte unserer Lands­Leute selten flug aus uns werden kann. Das schlimmste ist, daß das, was wir der Art lernen, meistens todtes Kapital bleibt. Dann verweist er darauf, wie neulich einige ächte Söhne der Natur" Volksliedern auf die Spur gekommen seien, von denen man den wahren Balladen- und Romanzenton lernen könne. Auch in der höheren Lyrik gibt es Werke, die bei alledem sehr volksmäßig sind und", fährt er fort, die höhere Lyrik, die nicht für das Volk ist, mag hinlaufen, wo sie hin will!"

In diesem Geiste ist denn auch seine unsterbliche Lenore  ", wie er sie selbst nennt, empfangen und geboren worden, nur schade, daß bei ihr das nächtliche Grausen zu überwiegend die Hauptsache ist. Brieflich äußert Bürger während der Arbeit an Sieser berühmtesten deutschen Ballade:" Ich denke, Lenore   soll Herders   Lehren einigermaßen entsprechen," und weiterhin: Das ist dir ein Stück, Brüderle, keiner, der mir nicht erst seinen Bazen gibt, soll es hören. Der Stoff ist aus einem alten Spinnstuben­gefang entnommen; ich will es komponirbar dichten, daß es mir wieder in die Spinnstuben kommt."

Bürger war, wie man sieht, auf dem richtigen Wege und gab auch thatsächliche Beweise und Proben in seinen Gedichten, die