verschiedene Pilze verursacht und verbreitet werden.

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Es mag genügen, blos an den Getreiderost, an die Staubkrankheit der Weinrebe, an den russigen und stinkenden Brand mancher Getreide arten, an den Gitterrost der Birnbäume und den Mehlthau so vieler Gemüsepflanzen zu erinnern, um der Ueberzeugung zu rufen, daß es eine große Zahl verhängnißvoller Epidemien der Pfanzenwelt gibt, welche allein auf das Leben und Treiben mikroskopisch kleiner Pilze zurückzuführen sind.

Hierbei ist wohl zu beachten, daß diese verschiedenen Pilze wirklich die Ursachen der betreffenden Pflanzenkrankheiten und keineswegs blos als zufällige Begleiter oder als natürliche Folgen von Krankheiten aufzufassen sind; denn auch die gesundesten Pflanzen werden krank, sobald sie mit dem entsprechenden Krank­heitspilz geimpft" werden.

Da es ganz entschieden niedere Pilze sind, welche bei vielen Pflanzenarten, und zwar nicht allein bei Kulturgewächsen, sondern auch bei wildwachsenden, epidemische Krankheiten verursachen und die Uebertragung der Krankheit von Pflanze zu Pflanze vermitteln, so liegt die Vermuthung sehr nahe, daß manche, wenn nicht alle epidemischen Krankheiten bei Menschen und Thieren ebenfalls durch niedere Organismen verursacht und verbreitet werden. Seit den ältesten Zeiten ist bekannt, daß manche verheerende Krankheiten des Menschengeschlechts vorwiegend in gewissen Ge­genden, namentlich in sumpfigen Landstrichen der wärmeren Zonen, auftreten, so z. B. das Wechselfieber und das Gelbfieber. Man schrieb daher jenen ungesunden" Gegenden einen aus dem Boden kommenden Krankheitsstoff zu und nannte dieses unbekannte, ge­heimnißvolle Ding Miasma, und die Luft selbst, welche dergleichen Gifte enthält, Malaria( schlechte Luft"). Die pontinischen Sümpfe sind in allen Lehrbüchern der Geographie als miasmareiche Striche verzeichnet. Andrerseits können ansteckende Krankheiten auch in durchaus gesunde Himmelsstriche verschleppt und dort so heimisch werden, daß sie alljährlich einen bestimmten Tribut an Menschen­opfern beziehen; so z. B. die Blattern, Diphtherie, Masern. Dabei lassen sich keinerlei Beziehungen zwischen diesen Epidemien und dem Boden, auf dem die heimgesuchten menschlichen Wohnstätten stehen, erkennen. Man schloß daher, daß solche Krankheiten sich allein von den Kranken aus verbreiten können, und zwar durch ein gewisses Etwas, das man Kontagium nannte.

Es ist selbstverständlich, daß man sich über das Wesen von Miasmen und Kontagien die allerverschiedensten Vorstellungen machte und daß manche dieser Vorstellungen an's ungeheuerliche und abenteuerliche streiften. Im Mittelalter dachte man sich die Miasmen und Kontagien als geistige Mächte, denen gegenüber selbstverständlich aller menschliche Wiz ohnmächtig sei. Man personifizirte die Seuchen als Strafengel des Himmels, ähnlich wie Moses den Würgengel durch Aegypten marschiren ließ, um die Erstgeburt zu ersticken. Ja, diese Vergeistigung" von Miasmen und Kontagien überdauerte sogar die Reformation und lebt jetzt noch in den Gebetbüchern unserer braven und frommen Mütter und Tanten fort. Haben wir doch selbst in unseren Knabenjahren der ganzen Familie aus Arndt's" Christenthum" hundertmal vor­gebetet: Bewahre uns vor Feuer- und Wassersnoth, vor der Seuche, die im Mittag verderbet, vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht!"

Heute noch sind die ganz irrigen Vorstellungen über das Wesen der Miasmen und Kontagien noch so allgemein verbreitet, daß die Wissenschaft hier noch ein großes Stück Arbeit zu be­wältigen hat, um mit den schädlichsten und folgenschwersten Jrr­thümern unter dem Volte aufzuräumen und einer vernunftgemäßen, naturwissenschaftlich begründeten, allein berechtigten Gesundheits­pflege Eingang zu verschaffen.

Freilich, in aufgeklärteren Kreisen hat man schon vor mehreren Jahrhunderten von einem Contagium animatum, einem belebten Ansteckungsstoffe, gesprochen. Die Vorstellung, daß es kleine, lebendige Wesen seien, welche die Ansteckung von Krankheiten voll ziehen und daß diese kleinen, lebendigen Wesen die Krankheits­ursachen darstellen, existirte schon in ausgesprochener Form im 16. Jahrhundert. Allein man hat jahrhunderte lang nach diesen lebendigen Krankheitsursachen gesucht; das 16. Jahrhundert hat sie nicht gefunden, das 17. ebenfalls nicht und das 18. erst recht nicht; erst in unserem Jahrhundert hat man angefangen, Stück für Stück Contagia animata zu finden.

Sehen wir uns die bekannt gewordenen etwas genauer an. In den einen Fällen gehören die Organismen der Contagia animata dem Thierreich an. Wir erinnern hier nur an die durch einen mikro­stopisch fleinen Fadenwurm verursachte Epidemie der Trichinose.

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Die Trichinen existirten ohne Zweifel schon lange, bevor sie am Anfang der dreißiger Jahre von den englischen Forschern Hilton und Owen entdeckt wurden. Wie viele solcher Epidemien mochten unter den Verehrern des Schweinefleisches große Ver­heerungen angerichtet haben, ehe man die Entwicklungsgeschichte dieses mikroskopischen Thieres soweit kannte, daß man vernünftige Vorsichtsmaßregeln gegen die Wiederkehr derartiger Seuchen er­greifen konnte.

Heute wissen wir, daß ein Pfund Schweinefleisch, aus den Lenden genommen, 304000 Trichinen enthalten kann. Für ein Pfund Zwischenrippenmuskel der einen Körperseite eines trichinen­haltigen Schweines berechnete man millionen, für dasselbe Gewicht von der andern Körperseite sogar 10% mill. Würmer.

Selbstverständlich sind wir erst dann im Stande, einem Uebel zu begegnen, wenn wir seine Ursachen und seine Entwicklungs­geschichte kennen. Grade die Trichinenkrankheit hat am lebhaftesten demonstrirt, daß die Heilkunde, die heilbringende Medizin, ihre wahre Mission mehr in der Verhütung der Krankheiten, als in der Heilung der vielerlei Uebel erkennen muß; denn wenn schon einmal etliche millionen Trichinen in meinem Körper sich ein­gebürgert haben, so bin ich verloren, da aller ärztliche Wiz die kleinen Bestien nicht aus dem Leib zu bringen vermag. der Arzt verbietet mir, trichinenhaltiges Fleisch zu essen; er ver­anlaßt die Behörden, strenge Fleischschau zu halten und rettet dadurch mich und hundert andere vor Siechthum und Tod. Heute kann die Wissenschaft kühn behaupten: bei sorgfältiger Gesundheits­pflege, hier in diesem speziellen Fall bei gewissenhafter Fleisch­schau, ist fortan keine Trichinose mehr möglich, also eine Epidemie aus der Welt geschafft.

Aber

Die meisten ansteckenden Krankheiten werden aber nicht durch thierische Organismen, sondern durch Miasmen und Kontagien pflanzlicher Natur vermittelt.

Hiebei stoßen wir auf pflanzliche Organismen von wunder­barer Kleinheit, unfaßbar in ihrer Größe, überwältigend und vernichtend durch ihre Lebensenergie und Vermehrungskraft, wie wir sie bei keinem andern Lebewesen antreffen. Es sind die niedrigsten Pilze, die kleinsten Organismen, welche gradezu die verhängnißvollste Rolle in unserm Körper spielen können.

Sämmtliche Pilze, die wir als Ursache und Vermittler an­steckender Krankheiten zu betrachten haben, gehören zu der Gruppe der Spaltpilze( Schizomyceten).

Da die Spaltpilze überall da auftreten, wo pflanzliche oder thierische Stoffe in Fäulniß übergehen; da in der ganzen Natur kein Fäulnißprozeß stattfindet, wenn nicht Spaltpilze anwesend sind; da erwiesenermaßen die Spaltpilze es sind, welche jeden Fäulnißprozeß einleiten, so hat man sie auch Fäulnißhefe ge­nannt, im Gegensatz zur Hefe der weingeistigen Gährung, die ja ebenfalls aus mikroskopischen Pilzen besteht, welche die Fähigkeit besigen, Zucker in Alkohol( Weingeist) und Kohlensäure zu spalten. Die Spaltpilze find Fäulnißerreger; sie vermitteln aber nicht allein die ammoniakalische Gährung, sondern auch die Milchsäure-, Buttersäure und Essigsäuregährung. Ihre Anwesenheit in ver­dorbenen Speisen macht sich gewöhnlich durch die spezifischen Ge­rüche des Ammoniaks, oder der Milchsäure, der Buttersäure( in ranziger Butter) oder der Essigsäure geltend. Die Spaltpilze vermögen unter Umständen auch Zucker in gummiähnlichen Schleim zu verwandeln; darauf beruht das Langwerden" oder Lind­werden" des Weins.

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des

Während die Hefenpilze der weingeistigen Gährung Weines, Bieres, Apfelweins 2c. unter dem Mikroskop sehr leicht wahrgenommen werden können, weil sie noch verhältniß­mäßig große Organismen darstellen, sind dagegen die Spaltpilze der Fäulnißhefe, der Milchsäure, Buttersäure- und Essigsäure­Gährung, sowie die Spaltpilze der Miasmen und Kontagien so klein, daß es selbst bei den stärksten Vergrößerungen unserer besten Mikroskope eines durchaus geübten Auges bedarf, um die einzelnen Pilzchen zu erkennen. Der ungeübte, nicht an's mikroskopische Sehen gewöhnte Beobachter sucht in der Regel erfolglos nach deutlich erkennbaren Spaltpilzen.

Bei der fast unfaßbaren Kleinheit dieser Organismen, welche in der ganzen lebenden Natur eine ungeheure Rolle spielen, ist es leicht erklärlich, daß die Kenntniß der Spaltpilze bis in die neueste Zeit eine höchst mangelhafte geblieben ist, und daß selbst unter dem Titel wissenschaftlicher Arbeiten die abenteuerlichsten Irrthümer als Wahrheit feilgeboten wurden. In der That kennt die Wissenschaft der Neuzeit kaum einen zweiten Zweig, an welchem so viele faule Früchte gereift sind, wie an diesem Zweig des botani­