Und in der Kammer rief ein hervorragendes Mitglied der Re­gierungspartei, Ruhe und Ordnung werde erst wieder fest wurzeln, wenn man das Wahlrecht einer beschränkten Zahl von Höchst­begüterten übertrage. Die Tröpfe überboten sich in Servilität.

Das Land gab seine Meinung in zahlreichen, auf allen Punkten ausbrechenden Verschwörungen zu erkennen. Der Geist Ser Opposition erhob sein Haupt immer kecker. In Paris randa­lirten die Studenten so heftig anläßlich gewisser Exzesse kirchlicher Frömmigkeit, daß die royalistischen Blätter die Regierung auf­forderten, die juristische und medizinische Fakultät nach Compiegne und den Sitz der obersten Gewalten nach einer Provinzialstadt zu verlegen. So bodenlos und gemein war die Wirthschaft, daß im Vergleich mit ihr das Kaiserreich als eine reinliche Gegend erschien. Redner, Journalisten, Dichteres sei blos Beranger erwähnt umkleideten es mit einem Schimmer, der den Bona­partisten späterhin ausgezeichnete Dienste leistete.

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Die Gewalt ließ zwar nichts unversucht, um die oppositionelle Flamme zu löschen. Ihr Wüthen war umsonst. Das Volk sorgte in demonstrativster Weise für die Gemaßregelten. Und endlich ward dem Regiment das Todtenglöcklein geläutet. Das Jahr 1830 brach an. Frühlingslüfte wehten über die matte Erde, Karl X. schnürte das Bündel, Blut nezte das Pflaster von Paris und die Kämpfer wurden-- geprellt.

Mit Louis Philipp bestieg die Bourgeoisie den Thron. Jener scheußliche Gründerreigen, welcher das zweite Kaiserreich in eine Lache von Blut und Koth hinunterriß, begann unter der Juli­monarchie, der besten aller Republiken", wie sie von Gaunern und Narren getauft ward. Der biedere Monarch stahl wie ein Rabe, um für seine armen Kinder etliche hundert Millionen zu erübrigen. Bereichert Euch!" rief Guizot der herrschenden Klasse zu, und sie befolgte den einträglichen Rath.

" Die beste der Republiken" brachte unsern Beslay in die Kammer. Vorher aber sollte er noch einen Einblick in das bei der Armenverwaltung herrschende System gewinnen. Er hatte die Lieferung von 25,000 Paar Schuhen übernommen; bei der Ablieferung nahm der Präsident der Kommission, ein Oberst, Beslay auf die Seite und fragte ihn sehr feierlich, was er wohl zahlte, wenn man bei der Prüfung ein Auge zudrückte. Beslay wies das Ansinnen zurück, und die Prüfung wurde infolge davon so heillos gewissenhaft durchgeführt, daß er einen bedeutenden Schaden erlitt.

In töstlichem Tone erzählt er von den Fahrten, die er als Wahlkandidat ausführte. Mit seinem Gegner, dem Vicomte de Saify, traf er öfters zusammen. Dieser, ein bretonischer Land­edelmann, hatte den Vortheil, im Dialekt bewandert zu sein und einer vornehmen Familie anzugehören. Dazu war er der Unter­stützung durch den Klerus gewiß. Beslay dagegen wußte, wo die Bauern der Schuh drückte, er kannte ihre Interessen und Wünsche und wenn der Vicomte im Wirthshause über Königthum, Adelsrechte und Religion redete, so sprach Beslay von Steuern, öffentlichen Arbeiten, Straßenkorrektionen 2c., und er war sicher, daß ihm die Bauern mit Vergnügen zuhörten. So wurde er

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denn im Departement Morbihan zum Abgeordneten gewählt. Er tam nach Paris und sah, wie der Umschwung nur bewirkt hatte, daß der Goldadel sich in den Fauteuils des alten Geburtsadels wiegte.

Sehr charakteristisch für die Sparsamkeit" des Bürgerkönigs ist folgende Anekdote. Auf einem Hofballe, zu welchem Beslay als Deputirter eingeladen war, füllte ein Lakai die Gläser aller neben ihm Sizenden mit Champagner, nur das seinige nicht. Er wollte eben reklamiren, als eine neue Flasche erschien und der Bediente ihm zuflüsterte, es sei dies eine bessere Sorie. Beslay schaut den Mann verwundert an, das Gesicht kommt ihm bekannt vor und er bemerkt:" Ich muß Sie schon irgendwo anders ge­sehen haben."- Gewiß, Monsieur," lautet die Antwort, Sie sehen mich alle Tage im Café anglais, wo ich Sie bediene." Am nächsten Tage erzählte ihm der Mann, daß man bei Hofe bet großen Festlichkeiten stets eine Anzahl Kellner aus den ersten pariser Café's miethe, sie in königliche Livreen stecke, und mit zwanzig Francs per Abend honorire

In der Kammer trat gleich in der ersten Zeit nach 1830 ganz eklatant zu Tage, daß die Regierung des berüchtigten juste- milieu ( der rechten Mitte) sich auf die Charakterlosigkeit stüze. Eines Tages handelte es sich um Feststellung der königlichen Civilliste. Dupin, der berühmte Redner, schien empört zu sein über die Forderung. Das ist denn doch eine gräßliche Geldgier," sagte er, das heißt die Gewalt im Sinne eines Crösus auffassen." " Bravo ," versetzte Beslay, wenn Sie gegen die Vorlage sprechen, " Warten Sie' mal, wie ich wird sie gewiß nicht durchgehen." dieselbe verarbeiten werde," fügte Dupin hinzu. Einen Moment nachher bestieg er die Tribüne, um für die Gewährung der ver­langten Summe zu plädiren. Nun, man kennt die Leistungs­fähigkeit der gewiegtén" Parlamentarier. Guizot, sagt Beslay, erinnerte mich mit seiner Beredtsamkeit an jene römischen Auguren, welche sich nicht in's Gesicht zu sehen vermochten, ohne zu lachen. Er war der Oberpriester des goldenen Kalbes und trug mächtig zur Demoralisation bei. Er lenkte die Kammermajorität mit der Arroganz des Ministers und dem Hochmuth eines Emporfömm­lings. Seine" Majorität brachte einmal bei der Debatte seine wahre Ansicht nicht heraus und votirte anders, als er es wünschte. Wie das Abstimmungsresultat verlesen wurde, kehrte er sich gegen das Centrum hin und murmelte zwischen den Zähnen:" Seh' einer diesen Haufen von Lümmeln!"" Die Herren haben's nicht gehört, Herr Minister, soll ich's ihnen wiederholen?" bemerkte ,, Nein, mein Herr, ich der dicht hinter ihm sitzende Beslay. bitte, lassen Sie das," versetzte der Minister etwas verblüfft. Worauf Beslay zu ihm sagte:" Wie Sie wollen, ich werde indeß diese Worte nicht vergessen."

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Beslay's hartes Urtheil über Guizot kann nicht umgestoßen werden. Der steiffragige Kalvinist war recht eigentlich Professor der Korruption. Unrecht dagegen thäte man ihm, wollte man annehmen, er habe mit am Tische der Gründer gesessen und ge­schmaust. Sein Privatleben trifft kaum ein Makel. ( Schluß folgt.)

Abwehr.

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Du, der du die Versuchung nie gekannt, Deß Herz geschlummert stets in träger Ruh Ich bin mit deinem Wesen nicht verwandt Was fragst du mich: Warum ich nicht, wie du? Mein Lebensschiff ward nicht von fund'ger Hand Sorgsam geleitet zu dem sichern Port; Allein schifft ich vom trauten Heimatland Und trieb auf wilden Wellen hülflos fort. Das Steuer lenkt' ich selbst mit finsterm Muth, Kein Gott fein Stern erleuchtete den Pfad; So fämpft' ich mit der Elemente Wuth, Verzweifelud oft, ob mir ein Retter naht, Ich ging nicht unter; aber rauhen Sinn Ertroßt ich mir auf wildem Lebensmeer; Erfahrungsbitter war oft mein Gewinn, Doch ward mein Herz dabei nicht liebeleer. Drum, der du die Versuchung nie gekannt, Deß Herz geschlummert stets in träger Ruh Ich bin mit deinem Wesen nicht verwandt. Was fragst du mich: Warum ich nicht wie du?

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E. Walter.

Wandernde Kunstgesellen.( Bild Seite 269.) Drei treue Ge­fährten der bärtige, robuste Mann, der kluge, stattliche Budel und der kleine, höchst ernsthaft dreinschauende Affe! Daß der letztere ganz gegen seine Gewohnheit so ernsthaft aussieht, ist sehr erklärlich: einmal ist er so merkwürdig angeputzt, daß er bei seinem unleugbaren Ver­ständniß für seine Pflichten als Halb- oder Viertelsmensch schon anstands­halber auch in seinem Benehmen eine gewisse Würde an den Tag legen muß, und dann handelt es sich ja auch grade um einen wichtigen Aft. Sein Herr und Meister ist eben dabei, ihm einen Schluck Bier in das mit beiden Vorderhänden von dem vierhändigen Mitkünstler krampfig festgehaltene Glas zu gießen, und da heißt es aufpassen, daß kein Tröpflein darübergeht und daß der bei solchen Gelegenheiten leider zu allerlei unzarten Scherzen aufgelegte ganzmenschliche Dirigent des Dreikünstlerkollegiums nicht etwa noch im legten Augenblick die Flasche wieder zurückzieht. Der Pudel hält vom edlen Gerstensaft augenschein­lich am wenigsten; er gibt sich Mühe, durch einen furzen Schlummer seine allzeit angespannten Kräfte neu zu beleben. Er muß den Karren schleppen helfen und gleichzeitig den Affen auf dem merkwürdigen Sattel reiten lassen, der ihm den Rücken verunziert er hat die schwerste und auch die undankbarste Rolle von den dreien. Bei der Vorstellung zaust und höhnt und maulschellt ihn der Affe, der dabei auch immer noch die Lacher auf seiner Seite hat, und nach der Vorstellung, wenn endlich einmal die Ruhe auf eine kurze Zeit einfehrt, unterhält sich der Mann am liebsten mit dem Affen, scherzt mit dem und hätschelt ihn, während er dem mindestens ebenso intelligenten und viel charaktervolleren Hund,