Ein verlorener Posten. Roman von Andorf s!avant. -(Fortsetzung.) Die Stimme eines anscheinend noch jungen Mannes hatte in dem eigenthumlichen näselnden Tone, an dem man den preußischen Offizier in jeder Verkleidung erkennen würde, gefragt: „Aber was ist Ihnen, Wolfenstein? Sic entwickeln eine äußerst morose Laune. Schmeckt Ihnen der Veuve Cliquot nicht? Ich finde ihn exzellent. Sie lieben doch auch einen reellen Tropfen, wenn er gut gekühlt ist." Der Aeltere knurrte verdrießlich:„Sie haben gut reden. Sie wissen so gut wie ich, daß meine Ressourcen erschöpft sind und daß ich nieine Verhältnisse nur durck eine Geldheirath rangiren kann. Nicht einmal auf Avancement ist Aussicht— der General hat eine lächerliche Aversion gegen dicke Rittmeister und ich werde beharrlich übergangen, abgesehen davon, daß die lumpige Majors- gage mich auch nicht retten könnte. Ich habe den Dienst nach- gerade satt und denke es mir äußerst bequem, mit einer passirten Heirathslustigen ein Rittergut zu erheirathen und allen grilligen Generalen ein Schnippchen zu schlagen. Und nun hat es ganz den Anschein, als würde mir der saure Apfel, in den zu beißen ich gerade heute drauf und dran war, vor dem Munde weg- geschnappt. Ich hätte nicht solange zaudern sollen." �„Sie sprechen in Räthseln. Ich hatte keine Ahnung, daß Sic auf Freiersfüßen gehen. Und wer ist, wenn man fragen darf, die merkwürdige Donna, die sich erlaubt, Ihnen einen Korb zu geben? Abgeschmackt! auf Ehre!" „Sic bekommen einen Begriff von dem lamentabeln Stand meiner Verhältnisse, wenn ich Ihnen sage, daß ich allen Ernstes entschlossen war, das ernsthafte Fräulein Hoher um ihrer Füchse willen liebenswürdig zu finden und mich in sentimentale Unkosten zu stecken— ich sagte mir voraus, daß es ohne solche Albern- heften nicht abgehen würde, und was thut man schließlich nicht, uni sich aus den Klauen der breslauer Hebräer zu befreien, die schon anfangen, unverschämte Prozente zu verlangen? Uebrigens hatte ich doch zu viel Geschmack, um nicht erst an einigen andern Stellen anzubohren— die gouvernantenhafte Hoher war nur der letzte Nothnagel, die letzte Reserve. In der vergangenen Woche habe ich nun an drei Punkten meine Flatterminen springen lassen und dann gestürmt, bin aber überall abgeblitzt und so reite ich heute hierher, festentschlossen, als Bräutigam wieder von dannen zu ziehen und ohne jede Ahnung, daß ich auch hier ab- fallen könnte. Was glauben Sie nun, daß passirt? Fräulein belieben sich in Gesellschaft eines jungen Civilisten zu befinden, der allerdings Besitzer eines wirklich respektabeln Schnurrbarts ist; er heftet sich an ihre Fersen und als ich endlich ungeduldig werde und sie, um der Sache ein Ende zu machen, mit wahrem Heroismus zum Walzer engagirc(ich glaube, ich habe seit drei Jahren keinen Schritt getanzt), gibt sie mir einen Korb und läßt mich stehen, um sich mit ihrem süßesten Lächeln wieder diesem unbequemen Rivalen zuzuwenden, gerade, als wäre sie froh, mich wieder los zu sein. Das verwünschte Zaudern! Vor vier Wochen hätte ich das Feld frei gefunden und könnte in diesem Augenblick alle Sorgen los sein. Und da soll man nicht verdrießlich werden?" „Der Fall ist freilich bitter. Uebrigens kenne ich jetzt Ihren Rivalen und glaube beinahe, daß mir der verwünschte Kerl eben- falls in's Gehege gekommen ist. Ich habe es ja nicht so eilig mit dem Heirathen und kann es schon noch ein paar Jährchcn aushalten, billiq möchte ich mich auch nicht verkaufen und so geht man möglichst behutsam zu Werke, aber an der kleinen Reischach würde man doch eine fast brillante Acqnisition machen, und daß sie ein Gänschen ist, halte ich eher für einen Vorzug als für einen Fehler. Es muß verdammt unbequem sein, eine„literarisch" und„ästhetisch" gebildete Frau, wie diese Hoher, zu haben, bei der man sich jede Minute mit seiner Unwissenheit Blößen geben kann und die verlangt, daß man sich für Bücher und Bilder mehr intercssire als für Pferde und Hunde. — Sie können schließ- lich froh sein, daß Sic die Hoher nicht bekommen, und der blonde Ladenschwengel oder Ellenreiter scheint besser zu ihr zu passen. Die kleine Reischach hat mir nämlich mit einer Koketterie, die ihr allerliebst stand, angedeutet, daß er der Verfasser eines ano- nymen Geburtstagsgedichtes sei, das sie himmlisch fand, und sie kaprizirte sich darauf, mich von diesem Herrn Hammer und seinen Kenntnissen und seinen wunderbaren Heldenthaten als Komman- dant der Feuerwehr zu unterhalten. Vor der Hand scheint das ja nicht bedenklich zu sein; sie hat wohl nur kokettiren wollen, denn die Frauenzimmer haben sämmtlich den Teufel im Leibe, und das albernste Gänschen wird erfinderisch und schlau, wenn es an's Kokettiren geht. Aber der Mensch ist ein verdammt hübscher Bengel, und man kann nicht wissen, was sich da anspinnt. Jedenfalls kann man es der Hoher nicht so übermäßig verargen, wenn sie sich für ihre väterlichen Thaler, die sich seitdem ganz erklecklich weiter vermehrt haben sollen, lieber den jungen, frifchen 'n 16. Mär, IKT* Jllustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk. Jf2 24.Jikrj.ID.--- 1878. Erscheint wöchentlich.— Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig.— In Heften ä 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.
Ausgabe
3 (16.3.1878) 24
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