- das alles waren fieberhaft besprochene und fieberhaft zur Ausführung gebrachte Trattanden. Beslay, der als Industrieller bereits einen Namen besaß, errichtete in Paris eine große Maschinenfabrik, beschäftigte sich daneben ganz gern mit volkswirthschaftlichen Studien und Plänen zur Besserstellung der arbeitenden Klassen. Sein Streben blieb nicht unbeachtet. Er wurde 1842 zum Inspektor der Kinderarbeit in den Fabriken ernannt, signalisirte als solcher muthig die bestehenden Mißbräuche aber es kam dabei nichts heraus und zuletzt setzte man ihn unter Verdantung geleisteter Dienste ab. Reich werden wollte ja alles, wie Louis Philipp, der troz seiner ungeheuren Reichthümer eines Tages die Unverschämtheit besaß, Guizot vorzujammern: " Ich sage Ihnen, mein lieber Minister, meine Kinder werden nicht genug Brod haben..." Als Mitglied einer bretonischen Deputation mußte Beslay einst vor dem Könige erscheinen. Auf ein Kompliment des Monarchen erwiderte er, daß er der Opposition angehöre. Immer Opposition," sagte jener ,,, ich verstehe das garnicht mehr."- ,, Sire," versetzte Beslay, ich verstehe mich selbst gut genug. Wenn Sie uns das„ Huhn im Topfe" zugestanden haben werden, so bin ich der erste, welcher dazu eine Bouteille Bordeaux verlangt. Immer Fortschritt." Lächelnd reichte ihm der Monarch die Hand mit den Worten:„ Wir werden uns schon noch verstehen."
Er täuschte sich. Aus dem Liberalen und Fortschrittler wurde 1848 ein Demokrat.
Das lumpige Bürgerkönigthum ward sammt dem berühmten Regenschirm von der Februarrevolution über den Haufen geworfen; sehr gegen den Willen der Oppositionshäupter. Die 1200 Barrikaden, welche in Paris in einer Nacht aufgeworfen wurden, waren das Werk des Volkes, revolutionäre Energie verspürten die Führer nicht. Dem Königthum hatte seine Dummheit den Tod gebracht. Auf dem Hotel de Ville ward die Republik unter großem Jubel proflamirt,„ republikanische" Hände ergriffen die Kurbel der Centralisationsmaschine; die Freiheitsbäume wurden von den Pfaffen eingesegnet. Als die Männer der neuen Ordnung sich von der Ueberraschung erholt, redeten sie sehr viel von der Republik und begannen sie mit großer Sachkenntniß zu ruiniren. Das Volk von Paris war wieder um eine Täuschung reicher. Die politischen Tartuffes" führten das Steuer so, daß das Schiff im Hafen des Staatsstreiches ein laufen mußte. Die honnette Bourgeoisie leckte die Finger nach der Rettung. Der Abgrund zwischen ihr und dem Proletariat flaffte in Bälde. Es kam die Junischlacht die erste imposante blutige Abrechnung, das flammende Frühroth der Commune bon 1871.
Beslay verfolgte ernsthaft den Gang der Dinge. Die republikanischen Phrasen bestachen ihn nicht. Während des Junitampfes suchte er unter Lebensgefahr zu vermitteln. Die Arbeiter fannten ihn als braven Mann, aber was hat der einzelne im wilden Klassenkampf zu bedeuten? Seine Anstrengungen waren vergeblich und zu diesem Fiasko kam noch persönliches Unglück. Sein großes, blühendes Etablissement war von der Insurrektion zu ihrem Hauptquartier ausgewählt worden; nach dem Kampf stand es ruinirt und Beslay auch.
Als die Kammer die höchste Gewalt dem General Cavaignac übertrug, stimmte einzig Beslay dagegen. Von dem ihm persönlich befreundeten General über das Motiv dieser Stimmgabe befragt, antwortete er:„ Es liegt in meinem Prinzip, in politischen Angelegenheiten niemals für einen Militär zu votiren." Und warum denn?"" Weil die Soldaten nie für die Freiheit sind." Sie haben recht," versezte Cavaignac, und einige Tage später traf die furchtbare Bestätigung ein. In seiner Proklamation an die Insurgenten standen die schönen Worte:„ Ich sehe in Euch nur verirrte Brüder, Fluch treffe meinen Namen, wenn Ihr Opfer werden solltet!" Die Transportationen ohne gerichtliches Urtheil illustrirten die Phrase seltsam.
Um diese Zeit machte Beslay Freundschaft mit Proudhon und gründete ein Comptoir d'Echange et de Commission, das den Interessen der Kleinbürger und Arbeiter dienen sollte, jedoch den offenen und versteckten Intriguen der Banque de France erlag. Er hätte wohl ohnehin sterben müssen!
Interessant ist, was Beslay über die französische Administration und deren Verständniß für national- ökonomische Fragen sagt; es gilt übrigens auch für andere Administrationen. Der„ wirthschaftliche Aufschwung" der jüngsten Tage hat wunderbare Fachmänner" gezüchtet.
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wachsenden Frechheit der Reaktion. Das„ rothe Gespenst" fing an zu arbeiten, man predigte eine römische Expedition im Innern", und ein Blatt rief schwärmerisch:" Nur der Säbel, und sollte er aus Rußland kommen, wird uns retten! Man brauchte nicht so weit suchen gehen. Der Herr Präsident Louis Napoleon kaufte sich in der Nähe Säbel und Bajonette, und dann ging's los. Beslay eilte, als in Paris der Belagerungszustand erklärt worden, nach seiner Heimath, um in der Provinz eine Erhebung zu bewirken. Er wandte sich daselbst an einen hervorragenden legitimistischen Landjunker, Monsieur de la Rochejaquelin, in der Meinung, man sei auf dieser Seite gewiß zum Kampf gegen den schmuzigen Paryenü bereit. Aber diese Sorte von Edelmännern ist nicht unversöhnlich, wenn die Gewalt über die Freiheit siegt. Monsieur de la Rochejaquelin zuckte die Achseln und später in den Senat ein.
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Während des Staatsstreiches begab sich Beslay in eine Privatversammlung und war beim Eintreten in's Zimmer erstaunt und zornig zugleich, unter den Anwesenden erblickte er Jerome Bonaparte , den rothen Prinzen. Da erhebt sich aber Jules Favre und bemerkt mit überlegener Bornirtheit:" Der Prinz ist ein ebenso guter Republikaner wie wir." Nun, den Vergleich mit Favre und der gesammten blauen Brüderschaft hielt er schon aus. Bezeichnend ist die Anekdote jedenfalls.
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Das Kaiserreich war der Friede". Man sah, daß es ein fauler war, aber die guten Bürger" besaßen im Innern Ruhe und Ordnung, man konnte brillante Geschäfte machen. Beslay kehrte ebenfalls zur Arbeit und zu seinen sozialistischen Grübeleien zurück. Er gründete ein Geschäftsbureau, eine Art Volksbank. Sie sollte den kleinen Leuten zu billigem Gelde verhelfen.
Diese Institute können eine Weile prosperiren, Krisen sind sie aber nicht gewachsen; früher oder später werden sie eine Beute des Ruins. Neuer Wein gehört nicht in alte Schläuche.
Die„ kaiserliche Demokratie" fand indeß Beslay für gefährlich. Die Polizei schloß sein Bureau; dergleichen Akte türkischer Justiz war man gewöhnt. Kein Wunder, daß Beslay immer weiter nach links getrieben wurde und es andern überließ, in dem Sumpfe der Korruption weiter zu stampfen. Er sah, daß Freisinn und Grundsätzlichkeit nur in den Arbeiterkreisen noch eine Heimstätte besaßen und trat, um den vorgeschriebenen Eid nicht leisten zu müssen, von der Stelle eines Generalrathes von Morbihan zurück. Oberst Charras hatte erklärt:„ Die Pforte des Eides ist zu niedrig, ich gehe nicht durch dieselbe." Beslay theilte diese Anschauung, nicht so der süße Schleicher Jules Simon , der anfänglich pathetisch sich gegen den Eid aussprach und ihn sodann ablegte. Bekanntlich war er auch eine zeitlang Mitglied der Internationale. Er bereute es nachher bitter. Die Internationale war 1864 in's Leben gerufen worden. Einer der Hauptgründer, Tolain, machte 1871 ganze Wendung und sank zum Senator hinauf.
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Beslay arbeitete mit Feuereifer an der Konstituirung der Assoziation und warnte die Arbeiter zur Wachsamkeit.„ Sobald ehrgeizige Streber aus den Reihen der Bourgeoisie in Eure Reihen sich einzudrängen wissen, seid Ihr geliefert," sagte er den Arbeitern. Die Sache machie Fortschritte, welche dem Kaiserreich Angst einflößten und an die es wohl auch ein klein wenig dachte, als es den Krieg erklärte. Es ist wahr, Thiers hat sich gegen den Krieg ausgesprochen aber nur, weil ihm der Moment ungünstig gewählt schien, und die übrige Opposition sperrte sich ebenfalls ganz und garnicht aus grundsätzlichem Abscheu vor dem Völkermord. Der Chauvinismus steckte ihnen allen in den Knochen. Die rothen Hosen brauchten nur zu siegen und die Begeisterung für den Ruhm der französischen Waffen hätte auch die bürgerlichen Republikaner hingerissen. Wie sodann eine Schlappe furchtbarer als die andere ausfiel, da freilich tobte die moralische Entrüstung in hochgradiger Weise. Beslay nur gibt der strengen Wahrheit die Ehre, wenn er behauptet, daß allein der Kern der Arbeiterschaft den Krieg nicht wollte; er beruft sich auch mit Recht auf das Memorial, das die französischen Delegirten zum genfer Arbeiterkongresse mitgebracht hatten. Als bezahltes Back durch die Straßen von Paris grölte:„ A Berlin!" riefen die Arbeiter: Vive la paix!" und wurden wegen dieser Ruheſtörung von der Polizei angefallen.
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