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nahme der Gewalt benahm. Es war das Vorspiel zu der Komödie. Die Vertreter der Stadt Paris , die Favre, Picard, Ferry 2c. richteten sich ein in den Sesseln, sorgten, daß das Volk feine Repräsentanten bekam, simulirten einen gewaltigen Kriegs­eifer Trochu saß als Null obenan und schwatzte von dem Plan, den er nicht hatte und dachten dabei unablässig an die Kapitulation. Unter volltönigen Phrasen verbarg sich eine Feig­heit, die man in gewissem Sinne wohl Verrath nennen durfte und die die Wuth des Volkes herausfordern mußte. Beslay sprach seine Ansicht in zwei offenen Briefen scharf und deutlich aus. Als der Friede mit Deutschland geschlossen war und die Wahlen für die Nationalversammlung ausgeschrieben wurden, lehnte er ein Mandat ab, ermahnte jedoch die Arbeiter ein­dringlich, ihre Stimmen nicht für Soldaten, Jesuiten , ehrgeizige Streber, Schönredner, Advokaten, Verwaltungsräthe, Mono­poliften 2c. abzugeben, überhaupt von Leuten der alten Parteien abzusehen.

Die Ereignisse, welche in jäher Hast hereinbrachen, sind zu gran­dios, als daß sie in einem Buche, das den Titel Erinnerungen" führt, auch nur halbwegs. erschöpfend dargestellt werden könnten. Beslay erzählt vorwiegend seine persönlichen Erlebnisse während der Commune und sucht diese sowohl als sich selbst zu rechtfertigen. Geholfen hat's ihm wenig. Die Lüge verfolgte ihn gleichwohl

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in's Eril. Gegen seinen Willen in die Commune gewählt, da er sich für zu alt fühlte, eröffnete er die erste Sigung als Alters­präsident und entwickelte in der Rede sein Programm. Es ist gut gemeint, revolutionär ist es nicht; Beslay glaubt mit De­centralisation, Abschaffung des Kultusbudgets, Einführung von Volksbanken und derlei Mittelchen das Reich des Sozialismus begründen zu können, und diese Illusion, an der er hartnäckig festhält, wird er wohl mit in's Grab nehmen. Daß er in seiner Eigenschaft als Delegirter der Commune die Banque de France beschützte und dadurch den Gegnern eine ihrer größten Sorgen abnahm, hat ihm von Seiten Lissagaray's bittern und gerechten Spott eingetragen. Beslay ist indeß heute noch felsenfest über­zeugt, daß er ein gutes Werk vollbracht hat. Er gehört eben zur Klasse jener Revolutionäre, welche man die gemüthlichen nennen möchte: grundbrave Leute, die aber auf der Revolutionsbühne nicht selten zu komischen Figuren werden. Sie haben den revo= lutionären Instinkt, nicht aber die revolutionäre Energie. Beslay beurtheilt die alten Parteien durchaus richtig, seine Manifeste, namentlich das gegen Thiers gerichtete, üben eine vortreffliche Kritik, den Uebergang zur neuen Welt" faßt er zu idyllisch auf, mit einem Wort, über das Ziel der sozialistischen Bewegung hat er höchst unklare Ideen; das Herz treibt ihn vorwärts Logit läßt ihn im Stich.

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die

Beffroi.

Zu Gent ein Thurm heißt Beffroi , Der Flanderns Mühlen überschaut, Er steht allein, dran hat kein Herr Sein Schloß, fein Pfaff' die Kirch' gebaut.

Ihn richtet auf der Bürgertrog, Und eine Glocke hängt im Thurm, Die läutet nicht Sanktus, nicht Requiem, Und wenn sie läutet, so läutet sie Sturm.

Die Steuer hat der Graf erhöht, Er hat die Zünfte nicht befragt. Gebt Acht, Herr Graf, die Glocke tönt, Gebt Acht, daß man euch nicht verjagt!

Wer zog den Strang der Glocke an? Ein Bürger. Welcher? Fragt nicht lang. Und jeder munter in den Stahl, Als wär's zu einem Fest, sich zwang.

Aus allen Häusern kommen sie, Durch alle Straßen Hauf zu Hauf,

Des Grafen Knechte weichen schon.

So hebt man seine Steuern auf!

Das war ein gutes Budgetrecht, War einfach, kurz und handlich, traun! Man sollte einen Beffroi

In jedem Königreiche bau'n!

Theodor Curti.

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Dornröschen an der Spindel. Unser Bild( Seite 281) führt uns in den blüthenduftigen, sangesreichen deutschen Märchenwald. Das Dornröschen ist eine der poetischsten Gestalten, denen wir da begegnen können. Hier seine wehmüthig- schöne Geschichte: Es war einmal ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: Ach, wenn wir doch ein Kind hätten! und kriegten immer keins. Endlich aber bekamen sie ein so schönes Mädchen, daß der König vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Dazu wollte er auch die weisen Frauen einladen, deren dreizehn in seinem Lande waren; aber da er nur 12 goldne Teller hatte, konnte er eine nicht einladen. Die zwölf mit geladenen nun beschenkten das Kind mit ihren Wundergaben Jugend, Schönheit, Reichthum und allem sonst, was das Herz begehrt. Doch grad als die elfte ihren Wunsch gesagt, trat die dreizehnte herein und rief: Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahre an einer Spindel stechen und todt hinfallen." Um den bösen Ausspruch zu mildern, den sie nicht ganz aufheben konnte, sagte nun die zwölfte: ,, Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger Schlaf, in den die Königstochter fällt." Um nun sein Kind gegen den schlimmen Zauber zu schüßen, ließ der König alle Spindeln im Reiche abschaffen; aber grade als es fünfzehn Jahr alt wurde, war das zu einem reizenden Jungfräulein emporgeblühte Mädchen im Schlosse allein und schaute sich in allen ihm noch unbekannten Stuben und Kammern des Schlosses um. Da kam es auch in einen alten Thurm, stieg eine enge Treppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür, in deren Schloß ein goldner Schlüssel steckte. Als es den umdrehte, sprang die Thür auf und das Mädchen schaute eine alte Frau, die emsig ihren Flachs spann. Da

die Königstochter noch keine Spindel gesehen hatte, so rührte sie sie neugierig an, stach sich damit und so ging die Verwünschung der bösen Frau in Erfüllung. Das Mädchen fiel in einen tiefen Schlaf und auch der König und die Königin, der ganze Hofstaat und alles im Schlosse fing an, mitzuschlafen. Die Pferde schliefen, die Hunde, die Tauben, die Fliegen an der Wand und auch das Feuer auf dem Herde schlief mit. Um das Schloß aber wuchs eine Dornhecke, die es endlich ganz umzog und überwucherte. Die Sage aber von dem Dornröschen breitete sich überall hin aus, und es kamen Königssöhne, die durch die Hecke zu dem schlafenden Mädchen hindurchdringen wollten. Die Dornen aber ließen sie nicht wieder los und alle starben so jämmerlich. Nach langen Jahren kam wieder ein Königssohn, den das Schicksal seiner Vorgänger nicht abschreckte und der das schlafende Dornröschen von dem bösen Zauber befreien wollte. Da aber grade die hundert Jahre um waren, so waren aus den Dornsträuchern lauter herrliche Blumen geworden, die den Jüngling widerstandslos hindurch ließen." Und als er in's Haus tam, schliefen die Fliegen an der Wand und die Pferde und der Koch und der König und die Königin. Als er in den Thurm trat, schaute er auch das Dornröschen im Schlafe, das so wunderhold war, daß er seine Augen nicht abwenden konnte und einen Kuß auf den kleinen Mund drückte., Da schlug das Dornröschen die Augen auf und alles übrige erwachte auch. Nun wurde die Hochzeit des Dorn­röschen mit dem Königssohn gefeiert und sie lebten vergnügt, bis sie gestorben sind. Das ist das Märchen vom Dornröschen, seinem hundertjährigen Schlaf und seinem Erwachen.

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Der Handel mit Menschenhaaren in Frankreich . In den Monaten April und Mai pflegen die pariser Haarschneider alle Märkte, besonders in der Bretagne , Auvergne und der Normandie , zu besuchen. Dort sammeln sie jährlich über hunderttausend Kilogramm Haare, welche sie auf dem Kopfe mit 5 Francs das halbe Kilogramm bezahlen. Diese Haare, welche sonach ein Kapital von einer million Francs repräsen­tiren, werden in Paris und den übrigen großen Städten mit 10 Frcs. das halbe Kilogramm bezahlt, sind also in den Magazinen schon auf das Doppelte gestiegen. Nachdem sie gereinigt worden, gelangen sie in die Hände der Haarkünstler, welche für das halbe Kilogramm 40 Frcs. zahlen, sodaß das Kapital sich schon auf 8 millionen Francs erhöht. Nimmi man nun an, daß alle diese Haare zu Perrücken verarbeitet werden, so gibt dies mindestens eine million derselben, die, im Durchschnitt mit 25 Francs berechnet, eine Summe von 25 millionen Frcs. ergeben. Viele Haare werden jedoch zu werthvolleren Arbeiten verwendet, sodaß die Dr. B.-R. Einträglichkeit dieses Schachers eine ganz enorme ist.

Aerztlicher Briefkasten.

Barmen. K. Die sicherste Methode zur Ermittelung des Arsenik­gehaltes gefärbter Kleiderstoffe, grüner Tapeten u. s. w. ist die mittels des Apparates von Marsh. Sie gründet sich darauf, daß Arsen­wasserstoff mit Wasserstoffgas gemengt beim Verbrennen Arsenik und Wasser gibt. Das aus dem Apparat herausströmende Gasgemisch zündet man an und hält in dasselbe ein Stück kaltes, weißes Porzellan, an welch' letzterem bei Arsengehalt der untersuchten Stoffe der sogenannte Arsenikspiegel, ein dunkelbraunschwarzes, spiegelndes Sublimat, er­scheint. Uebrigens verräth sich der Arsenikgehalt von Tapeten auch durch den beim Verbrennen derselben sich entwickelnden knoblauchartigen Geruch.