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in den Erblanden verabsäumten. Rudolph und Mathias ließen fünf gerade sein und Ferdinand regierte mit der Daumschraube ad majorem Dei gloriam. Maria Theresia   war eine gute Mutter für ihre Kinder und eine Stiefmutter für ihre Völker. Kaiser Joseph  , von dem der Philosoph" auf dem preußischen Throne richtig bemerkte, daß er früher den zweiten Schritt thue bevor er noch den ersten wage, fand für seine zentralistischen aber humanen Nivellirideen keine Vollstrecker und starb infolge eines Jesuitenrezeptes am gebrochenen Herzen! Der Henker der Freiheit Metternich preßte zwar alle Köpfe unter einen eisernen Hut, fümmerte sich aber auch nicht weiter um die gleichmäßige Ad­justirung des österreichischen Völkermosaiks. Der achtundvierziger Sturm fegte den allmächtigen" Metternich sammt seinem Eisen­hut von dannen, brachte aber auch Austrias   Staatsgebäude zum Wanken. Die daraus entstandenen Risse reparirte man mit Hilfe ,, der Kulturträger des Ostens", der Kosaken  , und hätschelte von da ab die berechtigten Eigenthümlichkeiten" der interessanten Natio­nalitätchen, um sie gelegentlich als Trumpf gegen einander aus­zuspielen. Arme polyglotte Austria! Deine wahren Freunde, die Deutschen  , hast du zum Aschenbrödel degradirt- hine illæ lacrima. Während die Slaven auf das Solidaritätstamtam schlagen und die Handvoll Italiener   auf der Centrifugalflöte fistulirt, würfelt Cis und Trans im getheilten Haushalt um den Staatsbankerott. Es fehlt anderswo, wie z. B. im tabakmono­polisirenden Bismardien, auch nicht an parlamentarischen Hans­wurstiaden, aber die Tschechen können sich auf ihre politischen Burzelbäume extra was einbilden. Während ihr geschmeidiger Kardinal Schwarzenberg, Aristokrat pur sang, im Konklave als Vizekamerlengo fungirt, lecken seine Schäflein mit Ehren- Rieger an der Spize dem schismatischen Papst, Alexander dem Zweiten den orientalischen Schmutz von den blutbesprißten Juchtenstiefeln. Es sollte uns nicht wundern, wenn die Straßen Prags  , statt mit Wasser, mit Wuttky besprengt würden, um in russischen Geruch zu kommen. Daß die Tschechen die kultivirte Schwester Germania  vernachlässigen und der kulturbedürftigen Tante Russia   nach­laufen, könnte dem deutschen   Nachbar gleichgültig sein, wenn die abtrünnigen Bundesgenossen nicht Schulter an Schulter mit Dentschland stünden und ihre undankbare Handlungsweise nicht eine direkte Gefahr für die Freiheit des ganzen Erdtheils in­volvirte.

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Das russische   Generalstrifolium aus dem ff, Ignatieff, Tscher­najeff und Fadejeff, pfuscht bekanntlich wie unser" Moltke den Journalisten in's Handwerk. Der publizistische Buschklepper " General" Rostislav Fadejeff hat in seiner neuesten Broschüre Rußlands Waffenmacht" aus der Schule geschwäßt, indem er das Endziel der Bestrebungen nach dem Feldzuge klar legt. Hören wir! Rußland   beläßt allen Slavenstämmen ihre nationale Selbständigkeit; sie werden ihre inneren Angelegenheiten nach eigenem Ermessen unter eigenen Fürsten verwalten. Um sie alle aber wird Rußland   ein großes Band schlingen; die Behandlung der internationalen und militärischen Angelegenheiten wird in seinen Händen liegen; der große slavische Czar wird ihr gemein­james Haupt sein. Die große slavische Familie wird für die ganze übrige Welt als ein Reich dastehen. Diese Einigkeit zu

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erzielen, wird es nothwendig sein, daß die Herrscher aller einzelnen Stämme einer Familie angehören."

Hirngespinnste eines panslavistischen Phantasten, denkt wohl mancher Leser, aber es liegt Methode in diesem Wahnsinn. Erstens ist der Rubel auf Reisen" an der Moldau wie im Baltan eine gern gesehene Münzsorte und zweitens befinden sich in keinem Theile des europäischen   Festlandes Bevölkerung und Regierung in allen, die nationale Politik betreffenden Fragen so im Einklang wie in Rußland  , trotz Knute und Nihilismus. Und dieser Ein­klang wußte die mitunter geradezu wunderbaren Erfolge zu er­zielen.

Die heutigen Großrussen, die herrschende Rasse des viel­züngigen Riesenreiches, sind kein rein slavischer Volksstamm. Die ersten slavischen Einwanderer fanden bereits von der Wolga   bis zur Düna   mongolisch- finnische Völker vor, mit denen sie sich all­mählich vermischten. Dieser Mischung verdankt die großrussische Rasse jene unbeugfame Ausdauer, aber auch jene nüchterne, nahezu fatalistische Auffassung des menschlichen Daseins, wodurch dieselbe von den andern Slavenstämmen, namentlich den poetisch an­gelegten Kleinrussen, unterschieden ist und welchen turanischen Eigenschaften sie zum großen Theile jene Erfolge verdankt, die Rußlands   Volk und Staat zu seiner heutigen Bedeutung empor­gehoben. Zu diesen hauptsächlich finnischen Einflüssen traten später normännische und hierauf reinmongolische, tatarische Volks­elemente, welche beide zwar weniger den physiologischen Typus als vielmehr die Gewohnheiten und die Denkungsart der Russen beeinflußt haben.

Die ewig gleiche Eigenschaft der menschlichen Natur, daß mit dem Wachsthum der Macht auch die Begierde nach der stetigen Erweiterung derselben zunimmt, krystallisirte sich bei den Russen zu dem Gesetz der Expansion nach Süden und waltet unter ihnen mit der Konsequenz der Naturnothwendigkeit. Diese Lymphe der russischen Volksseele trieb Ruriks   Nachkommen von 866 bis 1878 nach Konstantinopel  . Was den verweichlichten griechischen Kriegern nicht gelang, führten ihre schlauen Pfaffen aus und unterjochten das durch die dreihundertjährige Mongolenherrschaft mürbe ge­wordene russische Volk mit ihrem Brimborium, welcher die katholische Liturgie an Sinnenrausch noch übertrifft.

Die byzantinische Kirche, welche Rußland   in zehnten Jahr­hundert das Christenthum überbrachte, ist die Pflegerin des Hasses gegen das Lateinerthum und somit gegen das europäische Abend­land überhaupt. Daher die Antipathie des Bartrussen( Muschik) gegen alles, was fremd ist, denn außerhalb des heiligen" Ruß­ land   wohnen nach der Ansicht des Ungebildeten nur Kezzer und Ungläubige, gegen die jeder Kampf zum Kreuzzuge wird.

L'appetit vient en mangeant. Daß der russische   Magen, wenn er die türkische   Artischoke verspeist hat, nach der öfter­reichischen Melone verlangen wird, ist nur Konsequenz.

Der Revolutionär Alexander Herzen   behauptet zwar, das Czarenszepter müsse in der Mitte brechen, wenn es vom Ladogasee caveant Consules*). bis zu den Dardanellen reicht, aber Dr. Mag Transil.

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*) Hier: Unsere Staatsmänner mögen auf der Hut sein.

Freiheitssehnsucht.

Sieh' dort am wildgeriff'nen Bergeshange, Weit droben steil und hoch

Gefesselt steht im Fels ein Baum schon lange Und knirschet in sein Joch.

Er stöhnt: Ich seh' die Freiheit, blick' ich nieder, Ich seh' sie über mir,

Auf meinem eignen Gipfel flingen Lieder

Hell und begeistert ihr.

Nur meine freie Seele hält gekettet

Ein steinerner Despot.

O Fluch, daß mich vor Sklavenschmach nicht rettet Der ungerechte Gott!

Da sendet Zeus   den Knecht, ihn anzufallen,

Der Sturm bricht ihn entzwei.

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Willkommen! Besser ist"

ruft er im Fallen

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, Der Tod, als Sklaverei!"

2. Derwinus.

Briefe von der Spree  .

II.

Berlin  , Ende Februar.

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wir mit dem Wir hatten in den letzten Tagen Doppelhochzeit großen w und dem kleinen Weh-, und da ich keine Gelegenheit vorübergehen lasse, ohne meine Loyalität zu demonstriren, so habe ich auch diesen Tag in würdigster Weise gefeiert. Daß ich mit illuminirt habe, ist selbstverständlich, meine Petroleumlampe hat eine ganze Stunde lang am Fenster gestanden, leider ohne die Aufmerksamkeit der Vorüber­gehenden zu erregen. Ich wohne nämlich nach dem Hof hinaus. Aus Aerger über mein Mißgeschick lief ich auf die Straße, damit sich mein patriotisches Gemüth wenigstens an den strahlenden Fenstern anderer Leute erhebe, aber in der ganzen Friedrichsstadt sah ich nichts Er­hebendes. Hätte ich mir nicht mit Ostentation eine Cigarre angezündet, so würden auch die anderen Staatsbürger nichts von einer Jllumi nation gemerkt haben, da nur die Häuser einiger Hoflieferanten und Banquiers letztere zählen ja auch zu den privilegirten Lieferanten in flammender Devotion standen.

Auch Müller von der Werra   ein Dichter, der voll edler Be­geisterung seine Verse von denen merkwürdig viele auf i- a aus­flingen, wie Patria, Germania   u. s. f. in die Lüfte hinausschmettert, hat nicht wenig zur Belustigung und zur Erhöhung der festlichen