ausgerüstet, deren es zur Sicherung seines Daseins bedarf, und auf die Zeit, da es ihrer bedarf; wobei sie denn auch mit ihrer gewöhnlichen Sparsamkeit verfahren ist." Wir finden diese Worte schon acht Jahre vor dem Erscheinen des Darwin 'schen Haupt­werkes gedruckt; sie enthalten die Grundwahrheiten der von Darwin beleuchteten sexuellen Zuchtwahl, allerdings im verschleiernden Gewand jener philosophischen Sprache, welche nicht diejenige des Naturforschers sein kann.

Durch die geschlechtliche Zuchtwahl haben die männlichen Hirsche im Verlaufe vieler Generationen bei allmählichem Abändern ihr fräftiges Geweih erhalten, indem beim Wettkampf um die Weibchen immer der bestbewaffnete Hirsch über den schwächeren Konkurrenten den Sieg davontrug, die Braut heimführte und Nachkommen er zeugte, auf welche er seine eigenen Vorzüge vererbte.

Durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangten viele männliche Vögel nach und nach ein glänzendes Gefieder und zwar grade auf jene Zeit, da es die besten Dienste verrichtete: auf die Paarungs­zeit; denn die umworbenen Weibchen gaben stets den schönsten Bewerbern den Vorzug; letztere hinterließen Nachkommen, denen fie gleichfalls ihre Vorzüge vererbten, während die weniger schön gefiederten Konkurrenten entweder kinderlos dahingingen oder nur

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noch schwächliche Weibchen als Bräute heimführten, was gleich­bedeutend mit Ausjätung.

Wir können die prächtige Anpassung mancher Vögel und Fische, bei denen die Männchen auf die Zeit der Paarung jeweilen ein besonders glänzendes Hochzeitskleid erhalten, mit Schopenhauer einen Knalleffekt" der Natur nennen. Das Gleiche gilt von der Gabe des Gesanges mancher männlichen Vögel; aus Nichtsängern sind im Verlaufe zahlloser Generationen durch geschlechtliche Zucht­wahl die nicht allein von ihren Weibchen, sondern auch vom Menschen geliebten singenden Vogelarten geworden. Das Männchen singt in der Regel am schönsten und eifrigsten, wenn es nach einem Weibchen sucht; mit seinen Melodien berückt es das jungfräuliche Herz seiner fünftigen Gattin. Das sind die Stimmen des Früh lings, die gegen den Sommer und Herbst allmählich verstummen: Knalleffekte" der Natur, Resultate der Zuchtwahl innerhalb der Sphäre des Geschlechtslebens, der Liebe".

Aber die Liebe" feiert auch im Pflanzenleben ähnliche Triumphe. Die prangende Blume ist das Hochzeitskleid der Pflanze, der Wohlgeruch ist dem lockenden Vogelgesange zu ver­gleichen und der Blüthenhonig im Kelch der Blume die dem Kusse dargebotene, schwellende Lippe. ( Schluß folgt.)

Die Massage.

Von Dr. C. Resau.

Es ist in der Geschichte der Medizin eine keineswegs ver­einzelt dastehende Erscheinung, daß die Wissenschaft ein von der Volksmedizin erfundenes und erprobtes Mittel in sich aufnahm und dessen wahren Werth zu bestimmen und zu begründen ver­suchte. Seltener dagegen geschah es, daß ein gegen gewisse Krankheitsformen früher verwandtes und im Laufe der Zeit bei Seite geseztes Mittel, welches nur in der Hausmittelpraxis des Volkes fortvegetirte und sich dort sein Bürgerrecht bewahrte, mit einem male wieder zu Ehren kam bei den Aerzten, wie dies neuerdings mit dem unter dem Namen Massage" eingeführten Heilverfahren geschehen ist. Wer hätte wohl gedacht, daß die gute, alte, Streichfrau", denn das ist die Massage, wieder Bürger­recht in der Wissenschaft erlangen und ihr Verfahren von den angesehensten Lehrern der Medizin, wie z. B. vom Professor Billroth in Wien , als ein ganz exaktes und durch nichts anderes zu ersetzendes gepriesen werden würde? Selbstverständlich natür­lich ohne jenen Hokuspokus, den Schäfer und andre Heilkünstler nicht blos beim Streichen, sondern auch beim Besprechen" blutender Wunden, beim Büßen" der Rose u. s. w. anwenden, welcher im Abmurmeln einer von jenen Zauberformeln besteht, die das Christenthum aus dem heidnischen Alterthum ererbte und sich anpaßte, um vermeintlich die Heilung durch kreuzweise er­folgende Manipulationen und durch Anrufung der heiligen Drei­einigkeit zu beschleunigen; jenen Lurus, ohne den auch die Aerzte bis vor zwei Jahrhunderten nicht bestehen zu können glaubten. " Denn das Zeichen des Kreuzes", so predigte Sct. Chrysostomus, " hat bei unseren Vorfahren und noch jetzt verschlossene Thüren geöffnet; es hat die Kraft des Schierlings aufgehoben; es hat die Bisse giftiger Schlangen geheilt," und deshalb strichen und drückten christliche Aerzte die Brauschen und dergleichen kreuz weise, wie heute noch die Streichfrauen auf dem Lande.

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Doch was ist nun an der Massage Gutes? Die Chinesen fennen dieselbe schon lange, denn wir finden heute noch bei den selben Aerzte, welche diese Kunst hausirend ausüben. Aber auch den griechischen Aerzten zu Zeiten des Pythagoras( 580 v. Chr.) war sie schon bekannt und unter den hippokratischen Aerzten wurde sie allgemein in den griechischen Kampfschulen ausgeübt und die in denselben beschäftigten Gymnasten erhielten von jenen Aerzten regelrechten Unterricht in Bezug auf die Behandlung der etwa vorkommenden Unfälle, namentlich kannten sie gewisse Kunstgriffe, um die Folgen von Verstauchungen, Verrenkungen und Ver­drehungen zu heilen. Später wurde dieselbe Kunst nachweislich in den römischen Fechterschulen geübt, bis sie im Laufe der Jahr­hunderte, mit dem Verfall der Medizin überhaupt, wieder in Vergessenheit gerieth, und zwar in der Weise, daß bis vor wenigen Jahren bei dergleichen Unfällen, nachdem man das Gelenk, wenn es verrenkt war, wieder eingerichtet hatte, lediglich kalte Umschläge, Blutegel, spirituöse Einreibungen und dergleichen ver­

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wandt wurden. Jeder, der einen derartigen Unfall erlitten hat, z. B. eine Verstauchung des Fußgelenkes, oder eine ähnliche Er­krankung der Hand- oder Fingergelenke, die auf die gedachte Weise behandelt wurden, wird aber wissen, wie sehr sich das Leiden dabei in die Länge zog und wie nicht selten eine Gelenk­entzündung zurückblieb, welche dauernd den Gebrauch des be­treffenden Gliedes behinderte und schmerzhaft machte. Es mag unentschieden bleiben, ob die aus China herübergekommenen Be­richte über die durch die dortigen Aerzte ausgeübte Massage den ersten Anstoß gegeben haben, dieses Verfahren auch in Europa wieder aufzunehmen, oder ob die außergewöhnlichen Kurerfolge, welche man im Dome in Bologna damit sogar bei Gelenkaffektionen erzielte, die sonst dem Messer anheimfielen, die Veranlassung dazu gaben; es genüge vielmehr die einfache Thatsache, daß seit zwei Jahren viele Chirurgen für dieses Verfahren geradezu schwärmen und dasselbe nicht nur bei den Folgen von Verrenkungen und Verstauchungen, sondern auch bei andersartigen, namentlich chro­nischen rheumatischen Gelenkentzündungen, bei Muskelrheumatis­mus( dem sogenannten Herenschuß), bei Muskeldehnungen u. s. w. mit bestem Erfolge anwenden und, so lautet der technische Aus­druck, die Aufsaugung der Exsudate dadurch befördern.

Zur Erklärung dieses Ausdrucks, wie weiterhin der Massage und des bei deren Anwendung stattfindenden Heilungsvorganges müssen wir eine kleine anatomische und physiologische Einschaltung machen. Die meisten Gelenke werden durch die Vereinigung zweier glatter und überknorpelter Knochenflächen gebildet, seltener zweier Knorpel oder eines Knochens und eines Knorpels, indem jene sich genau berühren, ohne jedoch miteinander verwachsen zu sein. Sie werden vielmehr nur durch äußere, mehr oder minder dehnbare Bänder zusammengehalten, welche theils als Gelent­kapseln so an dem Umfange der Gelenke ſizen, daß sie den von ihnen begrenzten Zwischenraum ringsum vollständig abschließen, theils als eigentliche, mit ihren an die zu verbindenden Knochen angehefteten Enden die Bewegung des Gelenkes gestatten und vermitteln.

Die Gelenkbänder zeigen nach ihrer Größe und Form vielfache Verschiedenheiten, ebenso wie hinsichtlich ihrer Lage und Richtung. In der Gelenkkapsel befindet sich die Gelenf­schmiere, vermittelst deren die beiden einander zugekehrten Gelenk­flächen glatt und schlüpfrig erhalten werden. Ueber den Bändern liegen zum Theil Muskellagen und Fettschichten, zum Theil aber auch nur die äußere Haut mit einem dünnen Unterhautzellgewebe, und zu ihnen treten, wie zu allen anderen Theilen des Organis­mus, Nerven und Gefäße. Die Nerven vermitteln die Bewegung und Empfindung, die Gefäße die Ernährung der Gelenktheile, und zwar führen die arteriellen Gefäße den Blutstrom vom Herzen zu denselben, welcher dort neugebildete Bestandtheile abseßt, während die venösen Gefäße und die sie begleitenden Saugadern die verbrauchten und abgenutzten Bestandtheile wieder zum Herzen