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alles Leben im starren Todesschlafe hält, sprießen hier schon die ersten Frühlingsblüthen unter dem milden Hauche der Sonne, die mit leiser, lebenerweckender Hand an den Brüsten der Berge die Schneedecke lüftet. Der eherne Schritt der Völkerwanderung, dieses Fiebers einer franken Zeit, zermalmte den Hirt und die Heerde, zertrat den Winzer und den Weinstock, und die Rheinufer blieben, wie uns eine alte Urkunde er­zählt, bis zum Jahre 1074 eine unbebaute Wildniß, in welcher der Urwald sein angestammtes Recht wieder geltend machte. Achthundert Jahre gehörten dazu, um, Terrasse über Terrasse mühsam bauend, dem sonnendurchglühten Schieferboden den köstlichen Wein zu entlocken. Freudig und stolz klopft das Herz beim Anblick der reichen Trauben fülle, die als goldblinkender Strom hinausfließt in alle Welt, preisend den Reichthum und die Schönheit des Rheins. Wer denkt heute beim kreisenden Becher an den Schweiß und die Thränen, die im Mittel­alter beim Keltern des ,, Lebenserweckers" der Leibeigene des Pfaffen und Ritters vergossen? Die grauen, zerbröckelten Burgtrümmer, welche gespensterhaft ans dem hellen Grün der Weinberge ragen, könnten uns furchtbare Geschichten erzählen vom Stöhnen der sterbenden Menschen­würde unter dem Giftbaum des Absolutismus, der nur im blutigen Sumpfe gedieh. Erst unserer Zeit war es vorbehalten, die Art an die Wurzel des Baumes zu legen, durch dessen Aeste ein leises Zittern geht, ein Zittern der Angst, daß in kurzer Zeit dieser Baum als Riesenleiche Daliegen wird. Auch unser freundliches Rheinstädtchen Caub wird von den Ruinen eines Kaubnestes, Gutenfels genannt, überragt. In der mitten im Rhein liegenden, vielthürmigen Beste, Pfalz genannt, hielt im Jahre 1099 Heinrich der Fünfte, seinen Vater, Heinrich den Vierten, den Büßer von Canossa, gefangen. In der Neujahrsnacht 1813-14 ging hier Blücher mit der preußischen und russischen Armee über den Rhein , um mit seiner gewohnten Schnelligkeit über die Fran­zosen herzufallen. Im Jahre 1877 löste sich der die Stadt überragende Schieferfels los und drohte die ganze Stadt zu verschütten. Durch Dynamitsprengung der überhängenden Steinmassen gelang es, die Ge­fahr abzuwenden. Caub mit seinen hochstrebenden Giebeln und massigen Wartthürmen hat bis auf unsere Tage den sturmtroßigen Städte charakter des Mittelalters bewahrt. Urkundlich wird es zuerst im Jahre 983 erwähnt. Aus dem Besize derer von Nüring gelangte es an die von Falkenstein im Jahre 1277. Jm Jahre 1324 bekam es die Gerecht­same einer Stadt und hiermit eigene Verwaltung und die Befugniß, nicht mehr wie eine Sache vererbt, verschenkt oder verpfändet werden zu können. Wie glücklich waren doch unsere Voreltern mit ihrem be­schränkten Unterthanenverstande. Sie brauchten nur zu gehorchen. Selbst das Denken besorgte für sie die befehlende Obrigkeit. Andere Zeiten,

andere Lieder.

Dr. M. T.

Für die Entstehung des Petroleums hat Byasson durch ein gelungenes Experiment eine wissenschaftliche Erklärung gegeben: Wenn ein Gemenge von Wasserdampf, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff­gas auf weißglühendes Eisen in einer eisernen Röhre einwirkt, so bildet sich eine gewisse Menge flüssiger Kohlenwasserstoffe, die dem Petroleum vergleichbar sind. Das Petroleum entsteht demnach durch Wirkung chemischer Kräfte. Das in Höhlungen der Erdrinde eindringende See­wasser führt zahlreiche Substanzen mit sich, namentlich Meerkalkstein. Dringt das Wasser bis in Tiefen, die eine hinlänglich hohe Temperatur haben, und kommt dort das Wasser in Berührung mit Metallen, wie Eisen oder dessen Schwefelverbindungen, so bilden sich flüssige Kohlen­wasserstoffe. Diese bilden bei ihrer Verflüchtigung einen Theil der Gase, welche Erdbeben, Vulkanausbrüche 2c. verursachen. Petroleum findet sich stets in der Nachbarschaft von vulkanischen Bergketten; gewöhnlich wird es nach seiner Entstehung in seinen Eigenschaften noch durch mancherlei Einflüsse verändert, z. B. durch theilweise Destillation. Petroleumlager sind stets von Salzwasser oder Steinsalz begleitet. Oft, und namentlich wenn die Lager zwischen harten und kompakten Felsen liegen, ist das Petroleum von Gasen begleitet, besonders Wasserstoff, Schwefelwasser­stoff, Kohlensäure u. s. w. Dr. B.-R.

Aerztlicher Briefkasten.

Meißen . E. G. Das Tragen von Ohrringen ist ein ganz ab­scheulicher Ueberrest barbarischer Sitten unserer Vorfahren, welchem gebildete Frauen nicht mehr huldigen sollten. Das Durchbohren von Körpertheilen, wie der Nase, den Ohren und Lippen, um Schmucksachen hineinzuhängen, überlasse man doch den. Wilden, welche ihren Reich­thum an Kostbarkeiten dadurch zur Schau tragen. Bei uns hat dieser Unfug heutzutage gar keinen Sinn, denn keinem Menschen dürfte es einfallen, ein Dienstmädchen deshalb für reich zu halten, weil es goldne Ohrringe trägt. Daß ein derartiges Ohrgehänge schön aussieht, ist pure krankhafte Einbildung puzjüchtiger Frauen. Sehr häufig ist es die Ursache für die Anhäufung von Schmutz am und im äußeren Ohr,

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welches von vielen Frauen, dieses Schmuckes halber, nicht sorgfältig und häufig genug gereinigt wird; und oftmals sogar die Quelle von Krankheiten. Besonders bei Kindern sahen wir nach Durchstechen der Ohrläppchen und durch das Tragen von Ohrringen aus unedlen Metallen sehr schwere Entzündungen des äußeren Ohres entstehen, die in ein­zelnen Fällen sogar zur Verschwärung und Verstümmelung desselben führten. Wir warnen daher vor dieser rohen Prozedur.

Untermanghaus bei Ohligs . L. M. Ihr Halsleiden besteht in einer chronischen Entzündung der Mandeln. Gurgeln Sie Sich morgens mit warmem Salzwasser und waschen Sie den Hals täglich mit faltem Wasser, um die Haut abzuhärten und weniger leicht erkältlich zu machen.

H. bei Stollberg . A. L. Das hartnäckige Erbrechen und die große Schwäche und Abmagerung deuten auf ein sehr schweres organisches Magenleiden, gegen welches wohl keine Hülfe möglich ist. Höchstens kann ein intelligenter, am Orte befindlicher Arzt, aber kein Quacksalber, einige Erleichterung verschaffen.

Berlin . H. K. Die gestielte Warze wird am besten mit einem Seidenfaden abgebunden, indem man sie an ihrer Basis doppelt mit demselben umschnürt und den Faden täglich etwas fester anzieht, bis sie abstirbt. Wegen Ihres Brustleidens wenden Sie Sich nur an einen dortigen Arzt; wenn Ihr Kassenarzt zu flüchtig darüber hinweggeht, an Herrn Prof. Dr. Fränzel oder Dr. Waldenburg, denn Ihr Ver­langen, Ihnen die Unterschiede zwischen Lungenentzündung und Lungen­schwindsucht auseinanderzusetzen und Ihnen das passendste Heilverfahren zu empfehlen, läßt sich leider im ,, Briefkasten" nicht erfüllen, weil wir dazu drei volle Nummern der ,, Neuen Welt" brauchen würden. H. G. Dasselbe müssen wir leider auch Ihnen antworten; ohne persönliche Untersuchung wäre eine Berathung unsrerseits nicht blos zweck, sondern sogar gewissenlos.

Braunschweig . F. S. Gegen chronischen Rachenkatarrh ist ein Gurgelwasser von Kali chloricum oft ganz zweckmäßig. Kaufen Sie Sich 10 Gramm dieses Mittels und lösen Sie dieselben in einem Liter Wasser auf. Hiervon verwenden Sie jeden Morgen zwei Theelöffel voll auf ein Weinglas recht warmen Wassers zum Gurgeln.

G. C. R. in Frankfurt wolle seine Adresse angeben, ebenso G. S. in Buckau ; Frl. Clara J. in Berlin wolle es einmal mit einem andern Arzte versuchen, denn ohne persönliche Untersuchung wagen wir in diesem Falle nicht zu rathen.

Die übrigen, bis zum 24. April eingegangenen Briefe wurden direkt beantwortet. Man wolle Anfragen in jedem Falle nicht an den Namen des Unterzeichneten, sondern an die Redaktion der Neuen Welt" richten und mit der Aufschrift: Für den ärztlichen Briefkasten" versehen. Dr. Resau.

Redaktions- Korrespondenz.

Berlin . 2. Er. Psephisma hieß im alten Athen ein durch Stimmenmehrheit ge= faßter Beschluß der Volksversammlung. Frau Ft. Wir werden uns bemühen, Ihren und Ihrer Freundinnen Wunsch gelegentlich zu erfüllen. Dem oder den Einsendern des, Franz Moor". Frdl. Dank. Wird die Mohrenwäsche wiederholt?

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wenn

Leipzig . Dichter A. E. Sie sandten uns ein Osterlied ein, sodaß es am 21. April in unsere Hände kam, und meinten, daß es vielleicht noch am zweiten Osterfeiertage, dem 22. April, in unserm Blatte veröffentlicht werden könnte!?? Berehrter Herr auch die N. M. des Montags erschiene und wenn Sie auch sonst keine Ahnung davon gehabt hätten, daß solch ein Blatt ein paar Wochen lang vor dem Tage des Erscheinens fix und fertig sein muß, so müßten Sie doch durch die Angabe des Redaktionsschlusses auf jeder Nummer über den Sachverhalt belehrt worden sein. Abonnent S. Wir denken garnicht daran!- M. R. In jeder Volksversammlung sollte ,, zum Abonnement der, Neuen Welt' energisch aufgefordert werden". Der Rath ist gewiß gut gemeint, aber die ,, N. W. " hat bisher folch' gewaltsamer Verbreitungsversuche nicht bedurft.

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Chemnik. K. A. Wir rathen Ihnen, an Ort und Stelle zu bleiben. Infolge der allgemeinen Geschäftsstockung, welche wir dem ,, bewaffneten Frieden" verbanken, ist auch hier keine sonderliche Nachfrage nach Arbeitskräften Ihrer Branche, welche bei der sehr gedämpften Baulust nur in Großstädten, wie Berlin , Wien 2c., Berwendung finden. landwirthschaftlichen Schule erkundigen und Sie nächstens davon benachrichtigen. Lauda. F. H. Die Auflösung des Rösselsprungs ist richtig. In Betreff der zweiten Das Gedicht ,, St. Sedan" Frage wenden Sie Sich an die Expedition der ,, N. W. " nicht verwendbar, weil bereits anderswo gedruckt. Die ,, N. W." veröffentlicht nur Originalarbeiten.

Zürich . x2 1. Wir werden uns nach der besten theoretischen und praktischen

Birmingham . M. W. Es wäre uns lieber gewesen, wenn Sie Sich mit der Ver­sicherung, Sie feien ein gewandter Schriftsteller, nicht hätten genügen lassen, sondern den Beweis dadurch erbracht hätten, daß Sie den nicht uninteressanten Inhalt Ihrer Arbeit in eine vollkommen druckreife Form gegossen, statt in eine solche, die totaler Umfnetung bedarf, um den bescheidensten Ansprüchen an schriftstellerische Korrektheit gerecht zu werden. Bergen. M. T. H.; Berlin . Frl. E. W. und B. Tz.; Breslau . C.- Dy; Philadelphia. W. St.; Hirschberg( Schles.). An. 2; Mailand . N. Dc. Die ein gesandten Mpte sind für die ,,. W. nicht verwendbar. Die aus Bergen, Berlin ( von Frl. E. W.) und Philadelphia weil sie sich nicht auf jenes geistige Niveau erheben, auf dem die ,, N. W. " als unterhaltend- belehrendes Bolts- und Weltblatt zu erhalten, unsre Pflicht ist; die übrigen, weil ihr Inhalt mit der Tendenz der ,, N. W. " im Widerspruch Darmstadt . Karl S.; Gmünd( Kärnthen). J. P.; Wien . Delnicka Jednota; Unter- Markhans. B. M.; Ihre für die Expedition der ,, N. w." bestimmten, aber irrthümlich an die Redaktion gerichteten Wünsche sind der ersteren mitgetheilt worden. Ein großer Theil der in dieser Woche eingelaufenen Korrespondenzen kann erst in nächster Nummer zur Beantwortung gelangen.

steht.

Inhalt. Ein verlorener Posten, Roman von R. Lavant ( Forts.). Resau. Der Schlächter von Lithauen, von K. Hannemann( Schluß). Illustration). Ueber die Entstehung des Petroleums. Aerztlicher Briefkasten.

Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Plagwiẞerstr. 20).

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( Schluß der Redaktion: Montag, den 29. April.)

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Der Frühling einst und jetzt. Die Massage, von Dr. Carl Das Vogelnest( mit Illustration). Caub und die Pfalz ( mit Redaktionskorrespondenz.

Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .