eichheft

Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.

-

Preis vierteljährlich 1 Mark 20 Pfennig. In Heften à 30 Pfennig. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter.

No 33. Jahrg.

Erscheint wöchentlich.

-

C

1878.

Ein verlorener Posten.

Roman von Rudolf Lavant . ( Fortsetzung.)

Frau von Larisch war nicht geneigt, sich Wolfgang entschlüpfen zu lassen. Sie glaubte mehr und mehr, einen tiefen Blick in sein Herz gethan zu haben, und nachdem er soweit aus sich heraus­gegangen war, ließ er sich wohl auch aus der letzten Verschanzung locken. Kam alles, wie sie wünschte und plötzlich hoffte, so schrak sie auch vor dem kleinen Wagniß nicht zurück, den ver hängnißvollen ersten Schritt, zu dem er sich anscheinend nicht entschließen konnte, ihrerseits zu thun.

-

Sie mußte sich vor allen Dingen Gewißheit darüber ver­schaffen, wie Wolfgang innerlich zu Martha stand, ob nicht viel leicht aus ihr unbekannten Ursachen( und die Gründe, welche Liebende trennen, sind oft spinnwebendünn und spinnwebenfein) eine Entfremdung zwischen den beiden eingetreten war. Lag eine solche Entfremdung vor, so galt es, sich dieselbe zu nutze zu machen, wennschon sie daran, Wolfgang vielleicht für immer von Martha zu trennen, kein Interesse hatte. Vor einer ernsten Leidenschaft schrat sie ihrer ganzen Natur nach zurück; sie fand, da sie an Treue und Beständigkeit nicht glaubte, eine Frau bezahle solche Leidenschaften stets zu theuer mit einem verwüsteten und aus­mit einem verwüsteten und aus­gebrannten Innern und einem innerlich gebrochnen Sein. Dieser blonde Philosoph und Dichter vollends schien ihr ganz der Mann, pedantisch gründlich in einer Liebesleidenschaft zu sein, und des­halb fürchtete sie ihn, wenn er sie auch grade durch diese Schwere und Einseitigkeit in seinem Wesen mehr reizte, als jeder andere Mann, den sie bisher kennen gelernt. Es peinigte sie, daß er fortwährend wie ein ungelöstes Räthsel vor ihr stand; sie ver­sprach sich eine eigenthümliche, ironische Befriedigung von der Entdeckung, daß er nur durch einen fremdartigen Anstrich den Schein erhalte, anders zu sein, als die Männer, die sie bisher kennen gelernt; sie hatte sich endlich schon so manches mal ge­standen, daß seine Unempfindlichkeit für ihre äußeren Reize und die Anmuth, Lebendigkeit und prickelnde Geistreichigkeit ihres Wesens eine Beleidigung ihrer Gitelfeit sei; sie mußte ihn zu ihren Füßen sehen. Und dann? Jenun, sie traute sich das Ge­schick zu, eine kleine, pikante, heiße Tändelei mit ihm zu unter­halten und dieselbe abzubrechen, sobald die Sache kritisch zu werden begann, sobald sie sich sagen mußte, daß sie anfing, die volle sichere Herrschaft über sich selber zu verlieren. War die Liebe eines Poeten ein Lilienkelch voll perlenden Champagners, so wollte sie den Schaum wegnippen und das Glas dann beiseite

schieben; einer Frau von Geist und Erfahrung mußte das ge­lingen, und gelang es, so hatte sie das Buch ihrer Erinnerungen um ein ganz eigenthümliches Blatt bereichert.

Es klang ganz unbefangen, aufrichtig und ernst, als sie Wolfgang, nachdem sie geraume Zeit hindurch schweigend und nachdenklich neben ihm hergegangen war, wie mit plötzlichem Ent­schluß fragte:

" Haben Sie, als Sie so gleichmüthig und gefaßt von der Möglichkeit eines baldigen Scheidens von uns sprachen, auch an Martha Hoyer gedacht? Ich habe, offen gestanden, geglaubt, daß sie Ihnen nicht ganz gleichgiltig sei."

Ihr scharfes Auge erkannte troß der Dunkelheit, die rasch zugenommen hatte, daß Wolfgang jäh und tief erröthete. Das war ihr genug- sie hatte wirklich den wunden Punkt berührt.

Wolfgang erwiderte rasch, ungeduldig und herb: Nun über­raschen Sie mich heute Abend doch; daß Sie mir das imputiren würden, hätte ich mir niemals träumen lassen, und ich bin eigent lich sehr geneigt, zu fragen, ob Ihnen momentan kein anderer und besser motivirter Scherz einfallen wollte, wenn nun einmal um jeden Preis gescherzt werden mußte."

Frau von Larisch unterdrückte mit Mühe ein Lächeln. Hätte sie offen sein wollen, so hätte sie sagen müssen: Mein lieber Herr Hammer, vergessen Sie nicht, daß Sie es mit einer Frau, und zwar mit einer in Herzensdingen erfahrenen Frau zu thun haben. Wenn man beschuldigt wird, ein zärtliches Interesse für eine Dame zu hegen, ereifert man sich nicht, es sei denn, daß die Frage den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Nun weiß ich, daß Sie in Martha erliebt sind, daß aber hier irgend eine verliebte Laune, irgend eine eingebildete Kränkung, irgend eine Empfindlichkeit, ein Strupel oder eine Grille oder alles mit ein­ander in schönem Bunde im Spiele ist. Sie sind nur ärgerlich, weil man Sie durchschaut, obgleich Sie wunderbar vorsichtig ge­wesen zu sein und Ihr Gefühl durch kein Wimperzucken verrathen zu haben glauben."

Von alledem sagte sie natürlich nichts, aber Wolfgang empfand auf seinem Arme einen leisen Druck, der zur Noth zufällig sein konnte und der doch seinen Zweck nur um so sicherer erreichte. Sie hing sich fester in seinen Arm und näherte dabei wie absichts­los ihren Kopf seiner Schulter, sodaß er dieselbe für einen Moment streifte, und dann sagte sie, voll zu ihm aufblickend:

III. 18. Mai 1878,