niemals Selbstbefruchtung stattfindet, niemals stattfinden kann. Bei einer Menge anderer zwitteriger Blüthenpflanzen wirkt der Blüthenstaub aus andern, fremden Blüthen der gleichen Art schneller und kräftiger, als der eigene Blüthenstaub. Wieder bei Wieder bei andern Pflanzen kann Selbstbefruchtung stattfinden; aber die Keimlinge, welche als Frucht dieser Selbstbestäubung entstehen, sind weniger kräftig, als Keimlinge, die durch Fremdbestäubung erzeugt wurden. Allerdings gibt es zwitterige Pflanzen, bei denen die Selbstbestäubung innerhalb derselben Blüthe in der Regel stattfindet und keimfähige Samen erzeugt; aber diese Pflanzen bilden die kleine Minderheit, während andererseits eine größere Zahl von Pflanzen so abgeändert ist, daß der eigene Blüthen­staub auf der Narbe nicht nur garnicht befruchtend, sondern geradezu als Gift wirkt, so bei manchen Orchideen( Knaben­fräutern) Brasiliens  .

Es erweist sich also im allgemeinen selbst bei zwitterigen Pflanzen, die anscheinend hiefür ertra eingerichtet sind, die Selbst­befruchtung weit weniger vortheilhaft, als die Fremdbestäubung. Die Vereinigung zu nahe verwandter Geschlechtszellen zur Er zeugung neuer Individuen erweist sich meist schon in der ersten Generation, wenn nicht in dieser, so doch häufig in den späteren Generationen als nachtheilig.

Darum wurden in dem langsamen Entwicklungsprozeß unserer Pflanzenwelt von der natürlichen Zuchtwahl im Kampf um's Dasein alle jene mannigfaltigen Abänderungen begünstigt, welche die Selbstbefruchtung innerhalb derselben Blüthe verhindern und Fremdbestäubung ermöglichen oder geradezu zur Nothwendigkeit

machen.

In der That ist es denn auch ganz erstaunlich, zu welchen Resultaten die natürliche Zuchtwahl innerhalb der Sphäre des Liebelebens der Pflanzenwelt gelangt ist.

Es ist ein Triumph des menschlichen Erkenntnißvermögens, dem alten Aberglauben und der naiven Weltanschauung in der Beurtheilung der Blumen- und Insektenwelt für ein und allemal die Berechtigung zur weitern Existenz benommen zu haben. Wir wissen heute, wie es kam, daß das Veilchen in der Dornhecke solch wunderbaren Duft erhielt; wir wissen, was die farbigen Striche auf den Blumenblättern des Geraniums bedeuten sie weisen dem honigsuchenden Insekt den Weg zum Nektarbehälter; wir wissen, warum die Wiesensalbei zu jenem wunderlichen Hebel­

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apparat gekommen ist, der bei jedem Besuch von Seite einer Biene oder Hummel   den Blüthenstaub auf den behaarten Rücken des honigsaugenden Insektes abstreift; wir wissen, warum die bei der Nacht sich öffnenden Blumen entweder sehr stark duften oder sich durch helle, leuchtende Farben auszeichnen; wir wissen, daß jedes Pflanzenhaar, welches gesehmäßig an gewissen Stellen in der Blüthe angetroffen wird, für Sein oder Nichtsein, der be­treffenden Pflanzenart den Ausschlag geben kann. Die natürliche Zuchtwahl kein mystisches, selbstbewußtes, zweckbewußtes, intelligentes persönliches Wesen, die natürliche Buchtwahl, das heißt: der ewig sich selbst wiederholende Aus­jätungsprozeß des weniger gut Organisirten, das Siegen besser ausgestatteter Pflanzen und Thiere über andere Konkurrenten, die natürliche Zuchtwahl hat auch das allmächtige Liebeleben in Thier und Pflanzenwelt nach ganz natürlichen Gesetzen zu jener Mannigfaltigkeit und Herrlichkeit entwickelt, welche uns der lachende Frühling so überwältigend zum Bewußtsein bringt.

Ist der Frühling deshalb minder schön, weil wir auf den Grund des Füllhornes sehen, aus dem Frau Venus Blumen und Wohlgerüche und die Hochzeitskleider der Pflanzen- und Thierwelt und die tausend Melodieen der singenden Vögel herausschüttet? Wir haben uns als Kinder an die Märchen der Großeltern gewöhnt. Wir sind größer geworden und haben an ihrer Wahr­heit zweifeln gelernt, und als wir erfahren, daß es eben nur Märchen waren, mit denen man unsere Kindesseele beschäftigte, da haben auch die Märchen ihren Reiz verloren und wir haben nach Wahrheit begehrt.

Nun schreitet die Wahrheit in Gestalt der blühenden Natur­erkenntniß durch die Welt und vor den Strahlen ihres Lichtes schwinden die Nebel im Thale   und auf feuchtem Wiesengrund, und die Sänger im Walde singen uns doppelt schön, weil sie mit ihrem Sange um Liebe werben, und die Primeln leuchten doppelt freundlich und die Veilchen duften noch viel herrlicher als vorher; denn es ist die Liebe, welche sie verklärt, und die Boten dieser Liebe sind die summenden und taumelnden Bienen und Schmetter linge, und alles, was im Lenze sich regt und lebt, athmet Liebe, Liebe aus jedem und für jedes.

Wer guten Willen hat, findet die höchste Ethik in der Natur, denn der Griffel, mit dem diese Ethit geschrieben ist, heißt Liebe. Dr. A. D.-P.

Komödiantenfahrten zwischen Trapezunt und Fiume.

Von Dr. Max Traufil.

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Aus gelbhäutigem Sumpfe ragt ein mächtiger Rundthurm empor, den, wie Küchlein um die Henne gelagert, niedrige wind­schiefe Häuser mit engvergitterten Fenstern umgeben das ist die Kapitale des verschollenen Kaiserthums Trapezunt, das Trebi­sond der Griechen, um dessen Wiege die Sage ihren duftigen Blüthenkranz gewunden, aber in den übelriechenden Straßen merkt man nichts mehr davon. Wie in den meisten Küstenstädten am Schwarzen Meer   wurde auch hier die Kultur, welche im Mittelalter die Genuesen hierher getragen, unter türkischen Tritten zermalmt. Zwischen halbverfallenen Moscheen und verwahrlosten Bazars ( Verkaufshallen) wand sich unsere Künstlerkaravane durch fußtiefen Straßenkoth zum Hafen. Trotz des phantastischen Aufputzes der Kameele, die mit dem theatralischen Flitterkram bepackt, den Zug eröffneten, wurden wir von niemand beachtet, denn die Matadore der Neugierde, der hungernde aber stets rosig gelaunte Schuster­junge und der ziellose Pflastertreter sind in den Straßen der orientalischen Städte unbekannte Größen. Auch der Moslem hat seine humoristische Ader, aber nach seiner Art, denn Kset emek, wörtlich Laune machen", heißt an einem gemüthlichen Ort Kaffee trinken und Tabak rauchen; deshalb geht der Türke nicht, sondern sigt spazieren.

Der Hafen befand sich in demselben ausbesserungsbedürftigen Zustande wie die Stadt. Obzwar seit Jahren versandet, dachte die Hafenbehörde nicht an's Baggern; deshalb müssen Schiffe mit größerem Tiefgang auf der den Stürmen ausgesetzten Rhede  antern. Eine längst an den Grenzen ihrer Seetüchtigkeit an­gelangte Schaluppe, die gar keine Passagierkabinen hatte, brachte uns zu dem türkischen Postdampfer Nusrethieh", der glücklicher­weise von einem englischen Renegaten( ein zum Islam bekehrter Christ) befehligt wurde und einen italienischen Koch am Bord hatte.

Wie ein spielender Wallfisch schaukelte sich das schwarze Schiffs­ungethüm auf der empörten Meeresfluth, und rasend heulte der Wind in seinem Tauwerk. Wer nicht den Muth besaß, auf der schwankenden Falltreppe emporzuklettern, wurde wie ein Waaren­ballen im Gurt hinaufgelootst. Unser Souffleur, der wahrschein­lich mit einer ungewöhnlich großen Dosis Rum seinen Magen sür die Seekrankheit präparirt hatte, verlor auf der Treppe das Gleichgewicht, purzelte in's Wasser und hätte im Fallen beinahe eine alte, dicke Choristin in das unfreiwillige Bad mitgerissen. Nur mit Mühe wurde er unter dem Gekreisch der Weiber auf­gefischt. Nach einigem Bürsten und Reiben in's Leben zurück­gerufen, verwünschte er das wider Willen verschluckte Seewasser. Landsmann Koch   brachte trockene Kleider, und mitleidige Matrosen sorgten für einen kräftigen Schluck Cognac.

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Hente verdiente nur zu sehr das schwarze" Meer sein Bei­wort. wort. Dunkelwogend brandete seine donnernde Fluth an den Schiffswänden, daß es über Bord sprißte. Doch auch die Gebirge winften uns düsteren Abschied. Die Nebel stiegen aus ihren Thälern in dichten Massen empor, wie die Geister der Erschlagenen in Kaulbachs Hunnenschlacht. Unwillkürlich fiel mir ein Gedicht von Bodenstedt ein, daß ich im Maleralbum auf der Fraueninsel im Chiemsee  ( Bayern  ) gelesen:

Die Wolfen zogen trüb und trüber Von der Gebirge Höh' herüber, Bis sie des Sturm's   Gewalt entschürzte Und wilder Drang in's Flußbett stürzte. Da ward ein Heulen, Zischen, Toben, Es braust von unten, braust von oben, Als ob die See zum Himmel steige, Der Himmel sich zur Erde neige.