Volt seinen Geschmack bilden konnte und kann. Als im Jahre 1862 in London wiederum eine Industrieausstellung abgehalten wurde, war jedermann überrascht durch die außerordentlichen Fortschritte, welche besonders die Engländer gemacht hatten. Dieses Volt, welches sich freierer Institutionen erfreute, trug die Palme davon über die Fran zosen , deren Geschmack so berühmt ist, über die Italiener, die durch die Natur ihres Landes und die Schönheitsmuster der früheren Kunstepoche so sehr in der Ausbildung ihres Geschmacks begünstigt werden, und über die Deutschen , die in dem Ruf stehen, ein Volk von Idealisten zu sein. Aber die leßtgenannten drei Völker waren durch die Zerrüttung der politischen und sozialen Verhältnisse im Fortschritt der neuerstandenen Kunstindustrie zurückgehalten, und vielleicht die Deutschen mehr als alle andern, da sie, von Natur ein friedliches Volk, plötzlich in einen kriegerischen und militärischen Chauvinismus hineingetrieben sind. Wo aber die Lorbeeren der Waffen so überwiegend wachsen, da ist kein Platz für die Palmen des Friedens. Auf der Weltausstellung in Philadelphia hat sich das zum größten Leidwesen aller wirklichen Patrioten gezeigt. Wir Deutschen haben also mehr als andere Nationen Grund und Verpflichtung, wenn sich uns eine Gelegenheit bietet, wie die bevorstehende Weltausstellung, den Fortschritt der Industrie und Kunstindustrie bei anderen Völkern zu studiren, wenn wir nicht auf lange Zeit auf den unteren Stufen des Kunstgewerbes stehen bleiben wollen. Kade.
Das Serail. Kein Theil Konstantinopels zieht die Aufmerksamkeit der Fremden so sehr auf sich, als das Serail des Großsultans. Es liegt gegen Sonnenaufgang am östlichen Ende der Stadt auf einer Landspiße, wo der Hafen mit den Gewässern des Bosporus sich vereinigt, in Gestalt eines ungleichseitigen Dreiecks und schließt die ganze Höhe eines Hügels, sowie die Ebene unter demselben, welche von der Aja Sofia ( Sofienkirche) bis an das Meer reicht, in sich. Auf der Landseite stößt es dicht an die eigentliche Stadt und wird durch eine dicke Mauer, welche auf der Seeſeite viereckige, auf der Stadtseite runde Thürme hat, umgrenzt. Sein Umfang beträgt 7,3 Kilometer, seine Einwohner zahl nahe an 10,000; es kann daher an und für sich schon als eine Stadt angesehen werden. Rund herum geht eine von Steinen auf geführte Brüstung. Die ohne Lafetten liegenden Kanonen sind so gerichtet, daß sie dem Wasser gleich schießen. Es wird indessen nur bei großen religiösen und politischen Festen, bei Hinrichtungen, die im Serail stattfinden, sowie wenn feindliche Schiffe in Sicht sind, aus ihnen Feuer gegeben..
Das Serail, 1478 von Mohamed II. gegründet, hat 3 große Thore, die es mit der Stadt verbinden, und 5 Pforten, welche nach dem Bosporus führen. Den Haupteingang bildet die hohe Pforte"( babali, bab- i- humaium, Bascha- Kapussi), wo der Palast des Großveziers, Zeughaus, Münze und Wohnungen hoher Staatsbeamten sich befinden. Ein zweites Thor, Divan- Kapussi, führt durch einen mit Gärten, Kiosken u. s. w. versehenen Hof zum Divan( Ludwig- Saal); das dritte, Thor der Glückseligkeit( Sadet- Kapussi), zu verschiedenen Palästen, dem Harem, der 20 Meter hohen Marmorsäule Arcadius , und endlich zum Kiosk des Sultans nebst dem Thronsaale.
Die berühmte Residenz besteht in einer Menge von Gebäuden und Pavillons, welche seit Mohamed II. die verschiedenen Sultane errichten ließen. Sie sind ein buntes Gemisch des seltsamsten Geschmacks, bei welchem man jene edle Harmonie vermißt, die ein Kunstwerk bezeichnen. Die Gebäude sind auf der erhabensten Spitze aufgeführt und gehen theils auf die vielen Gärten nach dem Gestade, theils gegen die Gewässer beider an der Ecke dieses Zaubersizes zusammenstoßenden Meere. In den Thürmen der äußeren Mauer halten beständig Amazoglans und Bostandschi Wache, damit niemand weder auf der See- noch auf der Landseite zu sehr dem Serail sich nähere.
Wenn man von den sieben Thürmen längs der Gestade hin fährt, hat man während der ganzen Fahrt links das Serail und die Stadt, rechts die Aussicht auf eine unendliche Meerfläche. Jemehr man sich
dem Serail nähert, desto stiller und öder wird die Gegend, kaum daß hin und wieder ein Schiffchen mit Bostandschi sich zeigt. Dann, am Anfang der Mauern erblickt man einen prächtigen Kiosk, der des Bostandschi- Baschi, der schönste im ganzen Serail. Er enthält 3 kostbar ausgeschmückte Säle, welche mit vergoldeten Kuppeln bedeckt sind. Gewöhnlich sind die Fenster durch hölzerne verzierte Gitterwerke verschloffen. Dieser Ort hat eine weite Aussicht auf den Bosporus , die Propontis und einen Theil der Stadt, und man kann von innen alles sehen, was außen vorgeht, ohne selbst gesehen zu werden. Manchmal beluftigt sich hier der Sultan mit seinen Frauen.
Der schon erwähnte Divan ist ein Gebäude mit einem bleigedeckten Thurm, auf der Spiße ist derselbe mit einer großen vergoldeten Kuppel gekrönt. Einmal wöchentlich und zwar Dinstags ertheilt hier der Sultán im großen Saale Audienz.
Der zur Wohnung der kaiserlichen Sklavinnen bestimmte Theil des Serail, der Bajuk Harem( große H.), ist von einer dichten Mauer umgeben, deren einzigen Eingang zwei eiserne und zwei erzene Thore bilden. Tag und Nacht halten hier Eunuchen Wache; nicht einmal ihr Oberhaupt, der Kislev- Aja, darf ohne besonderen Befehl des Sultans hier eintreten. Eine weite Rotunde führt von einer Seite zu den Gemächern der Kadinen( die eigentlichen Geliebten des Sultans) und rückwärts zu denen der Aja und Unterhofmeisterin, etwas abgesondert liegen die Gebäude der übrigen Sklavinnen. Auf der anderen Seite
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kommt man zum Pavillon des Großherrn mit dessen Schlafzimmer und Thronsaal. In ersterem steht auf einer Estrade das Bett mit atlassenen, gold- und perlengestickten Vorhängen, den übrigen Theil des Gemachs nimmt ein mit Goldstoff bedecktes Sopha ein. Der Thronsaal, in welchem der Sultan die meisten Feste feiert und nur Prinzessinnen und Kadinen empfängt, ist mit Gold ausgetäfelt, mit reichen Divans versehen und hat vier von Gold und Edelsteinen strahlende Throne. Hinter dem Pavillon selbst befindet sich ein Gebäude mit 13 Gemächern, welche die Garderobe des Sultans der Schatz des Harems genannt ent halten. Die Aufsicht darüber führt die Unterhofmeisterin. Dicht daran stößt der mit Marmor gepflasterte und auf Porphyrsäulen ruhende Badesaal, wo der Sultan täglich zweimal sich von den Gedeklis ( Kammermädchen) bei seinen Abwaschungen bedienen läßt. Von den Kadinen hat jede ihr besonderes Bad; für die übrigen Bewohnerinnen des Harems ist zum Baden ein allgemeines, Tag und Nacht offenes, geheiztes Gebäude eingerichtet.
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Die Aussicht vom Serail ist wahrhaft entzückend. Wenn man nach Südost den Blick wendet, so sieht man den Meerbusen von Nijäa, die Gestade von Asien und Skutari, die reizenden Gegenden des Bosporus , die Vorstädte Pera, Galata , Topchana und Fondukli stufenweise jenseits des Hafens an Bergen. Ein Gemälde unendlich anmuthiger Landschaften mit ungemein sanften Farbentönen. Auf der einen Seite hat man die unendliche Aussicht über die Propontis, auf der andern den schimmernden Hafen mit seinen tausend Mannigfaltigkeiten.
Auge und Sinne fühlen sich endlich ermüdet; wir glauben alles gesehen zu haben, so daß uns nichts mehr zu fesseln vermöchte. So
denken wir, doch wir irren, denn noch viel bleibt uns zu schauen, zu bewundern übrig.
San Marino.( Bild Seite 388.) ,, Auf den Bergen wohnt die Freiheit!" singt der Dichter; und, wenn er auch nicht für alle Fälle recht hat, so sprechen doch mannichfache naheliegende Gründe für die Annahme, daß sich Ueberreste freiheitlicher Institutionen etliche tausend Fuß über der Meeresfläche leichter erhalten konnten, als im flachen Lande. Hoch da droben gab es immer weniger zu holen und das Wenige auch noch um höheren Preis, daher haben es nicht selten die praktischen Feinde der Freiheit verschmäht, leßtere bis in ihre unwegsamen Gebirgsschlupfwinkel zu verfolgen. Solch' ein Stücklein Freiheit, nach dessen Vernichtung es feinem Despoten besonders gelüftet haben mag, thront auf den drei Gipfeln des Monte Titano in Mittelitalien die da erglänzt im Ruhme ewiger Freiheit. Die ersten Geschichtsspuren es ist die Republik San Marino , perpetuae libertatis gloria clara
der eine deutsche Quadratmeile großen Republik verlieren sich in die ersten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung: ein Missionar Marinus soll im dritten Jahrhundert die Stadt gegründet haben. Im zehnten Jahrhundert krönte den Berg ein Kastell, im elften nahmen dessen Be wohner an den Kämpfen zwischen Kaiser und Papst theil und im dreizehnten Jahrhundert schlossen die Republikaner ein Schutz- und Trußbündniß mit den benachbarten Grafen von Montefeltre, den späteren Herzögen von Urbino , wodurch sie ihrer Unabhängigkeit eine für die damalige Zeit mächtige Stüße erwarben. Als die Herzöge von Urbino ausstarben, und im 17. Jahrhundert der Papst von dem heimgefallenen Lehn Besitz ergriff, erkannte er die Republik an, bestätigte den Schutzvertrag und sicherte ihr Zollfreiheit für die Ausfuhr ihrer Waaren nach seinen Staaten zu. Auch der gewaltige Korse, Napoleon I. , vergriff sich an dem Felsenneſt nicht; desgleichen überdauerte die Unabhängigkeit seiner Bewohner alle politischen Wirren der neuesten Zeit. Die Verfassung des kleinen Freistaats hat wenig Veränderungen erfahren; nur ward 1847 der große Rath", welcher sich vordem aus den Angehörigen bestimmter Geschlechter zusammensetzte, in eine Repräsentativ- Kammer von 60 durch sämmtliche Einwohner gewählten Mitgliedern verwandelt. Die Einwohnerzahl San Marinos beträgt gegen 8000, von denen etwa 6000 in der Hauptstadt auf den Berggipfeln wohnen. Die Stadt hat meist von ärmlichen Häusern umrahmt, von denen sich ein aus dem einen einzigen Bugang; ihre jäh bergan kletternden Straßen sind zu14. Jahrhundert stammender Regierungspalast, ein Theater, ein Kol legium, zwei Volksschulen, zwei Klöster und fünf Kirchen abheben. Die Einwohner treiben Wein- und Ackerbau, sowie Viehzucht und einigen Handel; unter den industriellen Arbeiten sind nur Steinarbeiten und Schuhmacherei in erwähnenswerther Weise vertreten.
Das neue Altarbild.( Seite 389.) Die Väter des Dorfes sind versammelt! Eine wichtige Aufgabe harrt ihrer! Sogar der geistliche Herr, der pontifex maximus Thorenhausens , wie unser Dörflein heißt, hat es nicht verschmäht, seine heilige Person in die ungeweihten Räume der Dorfschenke hineinzuverseßen. Die biedern Dörfler haben den fritischen Richterstuhl bestiegen: sie sollen über den Kunstwerth des neuen Altarbildes entscheiden, das zur Belebung und Erweckung des religiösen Gefühls auf Betreiben des geistlichen Herrn für die Kirche beschafft wurde. Im Vordergrunde scheinen die bedeutendsten Kunstman ersieht das schon aus ihren kenner des dörflichen Senats sich postirt zu haben, und es sieht aus, als wenn klassischen Gesichtern das Bild vor ihrem kritischen Auge Gnade fände. Recht so entzückt von dem Kunstwerthe des Bildes scheinen die um den Pfarrer sich grupVor allem dem biedern Wirth des pirenden Dorfpatrizier zu sein. Dorfes, den wir unfehlbar in der mit dem Pfarrer im Gespräch be
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