dies vor einigen Jahren zu betrachten Gelegenheit hatte. Ein schöner Nachmittag verleitete mich, einen Ausflug nach der sogenannten Hardwaldung" zu unternehmen. Das Gewitter, welches hier aufgetroffen, hatte sich über den Wald zurückgezogen, eine wahrhaft föstliche Luft erquickte nun Herz und Gemüth. Bald umgab mich dichtes Nadelholz. Siehe da! Auch hier fand ich meinen Freund, es ist die sogenannte Tannenmeise( Parus ater). Diese ist ziemlich groß, weniger schön in der Feder. Diese Tannen meise   ist ein ruhiges Thierchen, es singt nicht übel, und die Töne sind nicht unmelodisch. Hier findet sich auch die Haubenmeise ( Parus cristatus). Es ist ein lebhaftes Thier, mit hoher, spizer Federhaube, die aufrecht hoch getragen wird. Ich habe jahrelang in der Nähe größerer Nadelholzwaldungen gelebt und oft und

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nur zu gern stundenlang in denselben verweilt. Es gibt in der That, meiner Ansicht nach, nichts herrlicheres, als so einen recht gesunden Kiefer- oder Fichtenwald. Dort die Mutter Natur so in ihren Einzelheiten, Sonderlichkeiten zu belauschen, ist ein föst­licher Genuß, der, wenn auch vielfach sehr beschwerlich, doch lohnend ist. So kannte ich einen alten Förster, der sämmtliche Stimmen der Vögel, wenn dieselben auch außerhalb des Waldes heimisch, nachahmite, und zwar so täuschend, daß er selbst die Vögel täuschte.

Auch ich habe mich gern mit den Vögeln, insbesondere den lebendigen Meisen unterhalten und mir eingebildet, ihre Sprache ein wenig zu verstehen. Wilh. Gottweis.

Giordano Bruno  .

Von Dr. L. Jacoby.

Es war eine wunderbar bewegte Zeit, jener Wendepunkt in der Kulturgeschichte der Menschen zu Ende des fünfzehnten und im sechzehnten Jahrhundert, als die tiefe, tausendjährige Nacht des Mittelalters dem Morgenroth einer neuen Entwicklungsepoche zu weichen begann. Als wollten die Menschen in Hast nachholen, was sie durch den Niedergang aller Kultur die vielen Jahrhunderte hindurch versäumt hatten, so drängten sich neue, großartige Er findungen und Entdeckungen, Blüthe der Kunst, Wiedererwachen der klassischen Studien und vor allem das Aufkommen der Natur­wissenschaften in überraschend kurzer Zeit zusammen, mit einander wetteifernd, die ersten Fundamente zu legen für ein neues, schöneres Menschenthum. Das wüste, leere und beengte Traumleben voll Aberglaubens und Selbstquälerei, in welchem die Völker unter der starren, die Vernunft ertödtenden Kirchenherrschaft bis zu jener Epoche dahingelebt hatten, kann nicht schärfer verurtheilt werden als durch den bloßen Namen, den man der neuen Zeit gab: man nannte sie das Zeitalter des Humanismus  ", das Auf­erstehen des Menschenthums, so andeutend, daß die dahinter­liegende Zeit eine unmenschliche, eine menschenunwürdige gewesen. Aber nicht so leichten Kaufs läßt eine tausendjährige, wenn auch in ihren Grundfesten verrottete Macht sich der Herrschaft berauben. Jahrhundertelang wußte sie den Gegenkampf zu führen, mühsam von der Neuzeit Errungenes sich wieder zurückzuerobern, bis das, was als Reformation mit so schönen Ansätzen begonnen hatte, selbst wieder in Verknöcherung und Rückschritt versant und von den neuerstandenen Streitern des Menschenthums bis auf den heutigen Tag nichts übrig blieb, als der junge Riese der Naturwissenschaften, der denn freilich, gestützt auf soziale Erkennt­niß und auf eine geläuterte Philosophie, die er selbst erst ge­schaffen, dazu bestimmt ist, allen vernunftfeindlichen Mächten für immer den Todesstoß zu geben und durch die Befreiung von Elend und Sklavenarbeit für die Menschen eine Entwicklungsära herbeizuführen, viel schöner, als sie damals die Verkünder der neuen Zeit geahnt.

Auch Einzelopfer, mit Recht beklagt und beweint, kostete gleich von Anfang an jener Kampf, und unter ihnen steht in erster Linie das Bild des Mannes, den unsere Ueberschrift nennt und dessen Bedeutung und Geschick wir heute dem Leser in furzen Zügen vorführen wollen.

Eine natürliche Frucht jener gährungsvollen Zeit war der Anstoß zu einer Neuentwicklung der Philosophie. Bis dahin hatte das ganze Mittelalter hindurch als eine unantastbare Autorität der griechische Philosoph Aristoteles   in Geltung gestanden. Die herrschende Kirche hatte diesen großen Denker gleichsam für sich zurechtgelegt und zurechtgeknetet und in solcher Weise-merk­merk würdig genug den heidnischen Philosophen zu einer Stüße des Christenthums gemacht, bewogen zunächst durch die Berührungs­punkte, die sie in seiner Darstellung von dem Bau des Weltalls mit der Erzählung der Bibel vorfand. Man fühlte das Be­dürfniß, doch wenigstens in etwas, außer den Stüßen, welche die Bibel gab, den Kirchenglauben als eine Wahrheit erscheinen und beweisen zu lassen. Dies war die Aufgabe einer philosophischen Richtung, die von der Mitte des elften Jahrhunderts bis zu Ende des Mittelalters herrschte und welche man die Scholastik nannte. Das Studium des Aristoteles, freilich meist nur an Aeußerlich­feiten haftend und auf Erklären und Auslegen beschränkt, lieferte

den Philosophen der Scholastik ihr Hauptmaterial. Ein Wider­streit gegen die Meinungen und das Ansehen des Aristoteles wurde gefährlich wie ein Angriff auf das Christenthum selbst. Noth­wendig mußte daher jede Neubegründung der Philosophie mit der Bekämpfung des Aristoteles   beginnen. Ein Vorgänger in dieser Richtung war im fünfzehnten Jahrhundert der Philosoph Nikolaus von Cusa   gewesen und ihm folgte nun eine Reihe von Denkern italienischer Schule, welche man wegen ihrer Naturverherrlichung und Naturbegeisterung als Vorläufer der sogenannten Natur­philosophie" bezeichnen kann, einer philosophischen Auffassung, die in dem ersten Drittel des gegenwärtigen Jahrhunderts wieder verblühte und Männern, wie Lamard, Treviranus und Ofen Gedankerkeime der großen darwinistischen Entwicklungslehre ein­gab. Vertreter jener Schule im sechszehnten Jahrhundert waren: Cardanus  , Campanella, Telesius  , der Stifter der ersten Naturforschergesellschaft zu Neapel  ; der tiefste und bedeutendste von allen aber Giordano Bruno  . Neben seiner vorzüglichen Kenntniß der Schriften des Alterthums das Studium der selben war erst in eben jener Zeit durch die aus Konstantinopel  geflohenen Griechen wiederbelebt worden ist Giordano Bruno  . ausgezeichnet und" charakterisirt durch ein überquellendes poetisches Talent, durch eine reiche schöpferische Phantasie, die ihn in pro­phetischem Naturgefühl Gedanken finden und Sätze aussprechen läßt, welche später im Weiterbau der Philosophie zur Aufstellung weltbewegender Systeme und zu den folgenschwersten Erkennt nissen geführt haben. In jedem der philosophischen Werke Bruno's spiegelt sich als eine Wahrheit das Wort des Dichters wieder: ,, Bringst du harmonisches Gefühl Mit dir in die Natur hinein, Ihr ungeheures Chaos wird

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Dir Harmonie und Schönheit sein."

Giordano Bruno   wurde in der Stadt Nola in Unteritalien um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts geboren. Da der Knabe schon früh ungewöhnliche Geistesgaben verrieth, so brachte ihn der Vater zur weiteren Ausbildung nach Neapel  . Nach fünfjährigem Studium daselbst trat er im Jahre 1563 in den Klosterorden der Dominikaner   ein. Wir kennen die Beweggründe nicht, die ihn zu diesem Schritte bestimmten; sicher aber ist, daß der feurige Jüngling sich in den Klostermauern nicht glücklich fühlen konnte, obwohl er über zehn Jahre darin zugebracht hat. Die Kühnheit seiner freisinnigen Anschauungen, aus denen er kein Hehl machte, zog ihm den Haß der Klostervorgesetzten zu, und mehrmals wegen seiner Aeußerungen mit dem Strafprozeß der Kirche bedroht, entschloß er sich endlich im Jahre 1576 zur Flucht aus dem Kloster. Er selbst nennt in einem Gedicht seinen Kloster­aufenthalt jenes düstere Gefängniß, wo der Irrthum mich so lange Zeit trostlos festgebannt hielt."

Von dieser Zeit an sehen wir Giordano Bruno   ein ruhelojes Wanderleben führen, zuerst in den Städten Oberitaliens durch Unterricht sein Leben fristend, dann in Genf   sogar eine zeitlang als Korrektor einer Druckerei beschäftigt, dann in Frankreich  : in Lyon  , in Toulouse   und endlich in Paris  , wo es ihm gelang, öffentlich an der Universität Philosophie vorzutragen. Sein Frei­muth auf dem Katheder, seine Geringschätzung des pedantischen Wesens und vor allem sein Bemühen, das noch immer allmächtige Ansehen des Aristoteles zu brechen, mußte wohl auf die Dauer