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seine Stellung unhaltbar machen, obwohl selbst Frankreichs   König Heinrich III. jich lebhaft für ihn interessirte, freilich weniger wegen der philosophischen Ansichten des fühnen Neuerers als wegen der " Kunst des Lullus", einer Art Mnemonit, welche Giordano Bruno  mit Eifer ausübte und lehrte. Vom Könige selbst mit einer Empfehlung an den französischen   Gesandten in England, de Castelneau, versehen, ging er im Jahre 1583 nach London  , wo er im Hause dieses gelehrten und mild gesinnten Mannes eine ehrenvolle Zufluchtsstätte fand. Hier hat er mit der kurzen Unterbrechung eines Versuches, auf der Universität Oxford   Philo­sophie zu lehren, drei Jahre gelebt und seine grundlegenden und bedeutenden Schriften sind hier entstanden. Es sind dies vor allem die drei Werke in italienischer Sprache:" La cena della ceneri"( Das Aschermittwochsmahl) ,,, Del infinitio, universo e mondi"( Von dem Unendlichen  , dem Üniversum und den Welten), und das Hauptwerf ,, Della causa, principio ed uno"( Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen). In dem ersteren Buch preist er u. a., wie vielfach auch in seinen Gedichten, die um­wälzende That des Kopernikus, des Entdeckers der Bewegung der Erde, der ihn zuerst aus seinen Irrthümern gerissen und die Schönheit und den Glanz der Welt habe erkennen lassen. Die anderen beide Werke geben in schwungvollen Worten und in oft hinreißender Schilderung, wie immer in künstlerischer Form, seine Weltanschauung und seine Grundgedanken wieder. Sie sind es, auf denen sein Ruhm für alle Zeiten beruht. Die allgemeine Substanz, welche das allgemeine Weltall   bildet, die alles ist und wodurch alles ist, sie ist ihm das innewohnende Prinzip der Welt, das Wesen und der Quell der Dinge. Er nennt diese Substanz Gott  . Sie ist zugleich Wirkung und Ursache, das Ziel und das ordnende Prinzip der Dinge. Diese allgemeine Substanz ist nothwendig unendlich, ohne Anfang, ohne Mitte und ohne Ende; und sie ist auch als das allgemeine in ihrem Wesen von dem Besonderen und den Einzeldingen nicht zu unterscheiden. Diese Substanz, dieser Gott, den Bruno in solcher Form zum ersten mal aufstellt, hat nichts Persönliches an sich; er steht nicht außer der Welt wie der Gott der Religionen und Konfessionen, sondern ist befindlich in den Dingen selbst; er kann sich nicht selber ver­neinen oder seine Natur verändern; die Nothwendigkeit dieser Substanz ist das Gesetz, welches das Weltall   beherrscht. Kein Theil dieser Substanz kann vernichtet werden; könnte dies je ge­schehen, so bekäme das All eine Lücke und stürzte in sich zu= sammen. Jedes Ding ist somit ein Theil des Unendlichen und mit dieſem von gleichem Wesen; es wird nicht erzeugt und geht nicht unter. So ist denn," heißt es in dem leztgenannten Wert, diese Substanz, dieses Wesen, das wahre, allgemeine, unendliche, unermeßliche, in jedem seiner Theile ganz, dergestalt, daß es das Ueberall selber ist." Das Weltall   ist befindlich und gegenwärtig in allen Dingen und alle Dinge sind in ihm nicht wie in einem sie umhüllenden, einschließenden Raum, sondern die wahrnehm baren Dinge sind das Weltall   selbst.

Wenn auch ohne den streng logischen Beweis, nur in dichte rischen Worten ausgesprochen, treten doch deutlich erkennbar in diesen Säßen die Grundlagen hervor, auf welcher der Nachfolger Bruno's, der große Denker Spinoza   sein epochemachendes System aufbaute. Das Wesen der denkenden Substanz Spinoza's  , die nothwendige Unendlichkeit derselben, ja auch ihre Untheilbarkeit ebenso wie ihre Unvernichtbarkeit, sind bereits in den Aussprüchen Bruno's gegeben. Die Berührung dieser Gedanken beider Philo­sophen kann wohl keine zufällige sein. Da indeß aus Spinoza's Abhandlungen und Briefen nirgend ersichtlich ist, daß er von den Anschauungen Bruno's Kunde gehabt, bleibt dieser so in die Augen springende Zusammenhang noch zu erforschen.

Einen interessanten Beweis dafür, wie Giordano Bruno   der unentwickelte Spinoza ist, liefern uns diejenigen Gedichte Goethe's  , welche dem mächtigen Eindruck der Lektüre Spinoza's ihre Ent­stehung verdanken und welche in vielen Stellen flingen, als wären sie direkt den Worten Bruno's entnommen; so z. B. die Worte: Kein Wesen kann in nichts zerfallen; Das Ew'ge regt sich fort in allen.

Was wär ein Gott, der nur von außen stieße, Im Kreis das All am Finger laufen ließe? Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen, Natur in sich, sich in Natur zu hegen.

Es muß das erste Aussprechen dieser Gedanken, welche eine so folgenschwere, bis auf unsere Zeit reichende Bedeutung gehabt haben, als eine Großthat Giordano Bruno's   anerkannt werden.

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Das Gesetz von der Erhaltung der Kraft, eine der größten Errungenschaften der Naturerkenntniß unseres Jahrhunderts, ist hier bereits vorausgefühlt, und der Zukunft wird es vorbehalten bleiben, auch das Verdienst Bruno's in der wahren Erkenntniß des Raumbegriffes zu würdigen. des Raumbegriffes zu würdigen. Nicht minder bedeutungsvoll ist der Ausspruch Bruno's geworden, daß, wer Philosoph sein wolle, zu Anfang an allem zweifeln müsse. Es ist dies der große Gedanke der Voraussetzungslosigkeit aller wahren Philo­sophie, und wie für Spinoza   die Substanz, so schuf für den Philosophen Cartesius   dieser Gedanke Bruno's die Grundlage seines Systems, die Selbstgewißheit des Denkens. Cartesius   ging aus von eben diesem Zweifel an allem. Indem aber ein Mensch an allem zweifelt, das heißt alles sich fortnimmt, was er vorher für wahr gehalten, bleibt ihm doch dies eine als unumstößliche Gewißheit bestehen, daß er in seinem Gehirn eben diesen Zweifel vollziehen kann; das aber ist Denken und dieses Denken liefert also offenbar dem an allem zweifelnden Menschen die erste, sichere Erkenntniß, nämlich die von seiner eigenen Existenz. Dies ist die Bedeutung des berühmten Satzes: Cogito ergo sum"( Ich denke, also bin ich).

Ein dritter bedeutender Philosoph, Leibniz  , der in scharfem Gegensatz zu der einheitlichen Weltanschauung Spinoza's   die Philosophie eigenartig entwickelte, erhielt gleichfalls durch einen Gedanken Bruno's den ersten Anstoß zu einer Besonderheit seines Systems, zur Ausbildung seiner Monadenlehre. Um das Weltall  zu erklären, nahm Leibniz  , während er die Atome, die kleinsten Theile der wahrnehmbaren Substanz, für theilbar ausgedehnt und die ausgedehnte Substanz selbst für todt erklärte, die Existenz von wirklich unausgedehnten, untheilbaren und zwar belebten und beseelten Punkte an, welche der Quell aller Bewegung, Thätigkeit und Veränderung, das Wesen der Einzeldinge selbst seien; und diese selbstständigen, beseelten Punkte nannte er Monaden. Den Keim dieser Auffassung fand er wiederum bei Bruno  , und wir wissen von Leibniz   direkt aus einem seiner Briefe, daß er von den Schriften Bruno's Kenntniß gehabt. Auch der Name für Gott   in der Darstellung von Leibniz   als Monade der Monaden stammt von Bruno  .

Und so stehen wir vor der interessanten Thatsache, wie drei große verschiedene Richtungen der Philosophie in den Aussprüchen und Gedanken Giordano Bruno's   eine gemeinsame Wurzel haben.

Die Allbeseeltheit des Weltalls, welche gegenwärtig den noth­wendigen Hintergrund der immer mehr zur Herrschaft aufsteigenden Entwicklungslehre bildet, wurde von Bruno mit glühendem Eifer verfochten. Wiederholt erklärt er, daß die unzähligen Schaaren der Einzeldinge im Weltall   nicht wie in einem bloßen Raume, sondern eben dasselbe seien wie die Säfte und das Blut, wir würden heute sagen, die Zellen und Blutkörperchen, in dem Organismus eines gemeinsamen, lebendigen Körpers.

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Als der Beschüßer Bruno's in London  , de Castelneau, im Jahre 1585 nach Paris   zurückkehrte, folgte er selbst ihm dorthin. In Paris   erschienen in diesem Jahre die beiden satyrischen Schriften Bruno's, die ihm vor und nach seinem Tode viel Haß eingetragen haben: Spaccio della bestia trionfante"( Die Austreibung des siegenden Thieres) und Cabala del cavallo Pagaseo"( Cabala vom pagaseischen Esel). In den Allegoiren des ersteren Buches wurde vielfach die bittere Verspottung des Papstthums erblickt, von anderen ein Zurückweisen all' und jeder Glaubensreligion. Ein Kirchenlehrer zu Ende des vorigen Jahr­hunderts äußert sich voller Entseßen über das Buch also: Die verrufenste von allen seinen Schriften ist diejenige, die den Titel führt:" Die Austreibung des siegenden Thieres". Der Verfasser wolle in derselben gar beweisen, daß die jüdische, christliche und muhamedanische Religion der heidnischen eigentlich ganz ähnlich sei. Joh. Toland, der das Buch im Jahre 1713 in's Englische übersetzte, sagt von demselben: Diese Abhandlung kann nur für Leute taugen, welche gesunden Verstand und Vernunft genug haben, um allen Trugschlüssen gewachsen zu sein.... Es ist aber sicher, daß das siegende Thier nicht allein nach der Redens­art jener Zeiten den Papst bedeuten sollte, sondern der unselige Mensch wollte darunter jede geoffenbarte Religion überhaupt per­standen wissen, von welcher Beschaffenheit sie immer wäre und auf welche Weise sie immer in der Welt die siegende sein möchte. Sowohl die heidnische und jüdische als auch die christliche Religion greift er an und macht sie lächerlich, verwirft sie alle ohne Üm­schweife und Ausnahmen."- Die zweite Schrift, die Geschichte vom pagaseischen Esel, bildet eine von köstlichem Wiz und Humor durchwürzte Ironie auf die Glückseligkeit des frommen, geduldigen