Eselthums. Die Scholastik und Aristoteles wird darin nicht minder gegeißelt, wie der fromme Aberglaube und die Unwissenheit des herrschenden Christenthums, insbesondere wird von dem Mönchthum jener Tage ein erbauliches Spiegelbild gegeben. Bruno blieb nur ein Jahr in Paris , vertrieben durch die politischen Unruhen und Wirren der Zeit. Nach flüchtigem Aufenthalt in Mainz und Marburg , wo ihm die Erlaubniß, an der Universität Philosophie zu lehren, verweigert wurde, kam er nach Wittenberg , und hier durfte er über ein Jahr verweilen und in Privatunterricht wie öffentlich an der Universität seine philosophischen Anschauungen frei vortragen. Es ist ein schönes Zeugniß für den damals in Wittenberg herrschenden toleranten und echt wissenschaftlich milden Geist, welches Giordano Bruno in einer Danf- und Widmungsschrift an den Senat der Universität niedergelegt hat. Es heißt darin: Ihr habt mich angenommen und bis auf diesen Tag mit Wohlwollen behandelt, ohne daß ich mich als Bekenner Eures Dogma's hätte erweisen müssen; und obwohl ich vielleicht von allzu großer Liebe für meine Ideen fortgerissen, in öffentlicher Vorlesung solches vortrug, was nicht nur das bei Euch Angenommene, sondern auch die seit Jahr hunderten und überall eingeführte Philosophie auf's tiefste erschüttern mußte, so habt Ihr es doch mir nicht entgelten lassen und mich deshalb angefeindet, und ist keine Schulwuth gegen mich aufgeregt worden; sondern nach dem Glanze Eurer Humanität und Wissenschaft habt Ihr Euch als echte Weise bewährt."- Freilich kam bald darnach in Wittenberg eine strengere religiöse Richtung auf, welche den philosophischen Wanderer wieder weiter und schließlich in sein verhängnißvolles Ende hineintrieb. Er ging nach Prag , dann nach Braunschweig und endlich nach Frank furt am Main . Die frommen Theologen sorgten überall dafür, daß nirgends seines Bleibens lange war. In Frankfurt erhielt er den Brief eines vornehmen Venezianers, Giovanni Mocenigo , dessen Name wegen seiner verrätherischen That an Bruno für alle Zeit an den Pranger geheftet ist. Derselbe hatte von der„ Lullischen Kunst" Bruno's gehört, wünschte diese zu erlernen und lud ihn zu sich nach Venedig , ihm Sicherheit des Aufenthalts und der Existenz versprechend. In beklagenswerther Unvorsichtigkeit ließ sich Bruno verleiten, der Einladung zu folgen und kehrte nach vierzehnjährigem Eril wiederum nach Italien zurück. Er fam im Juli 1591 in Venedig an und wohnte im Hause des Mocenigo. Dieser hatte vielleicht in der Kunst des Lullus den Schlüssel zu einem alchymistischen Geheimniß zu finden gehofft, worin er sich getäuscht sah; es bildete sich ein gespanntes Verhältniß zwischen ihm und seinem Lehrer aus, und als Bruno; voll Beunruhigung hierüber, bereits Vorbereitungen zur Flucht aus Venedig getroffen hatte, da überfiel ihn des Nachts im Schlaf sein erbärmlicher Gastfreund und lieferte ihn gefesselt im Frühjahr 1592 der Inquisition aus. Alsbald verlangte der Papst in Rom seine Auslieferung, und die Regierung Venedigs , sonst so selbstständig auch der Kurie gegenüber, gab diesem Ersuchen Folge. Acht qualvolle Jahre dauerte im römischen Gefängnisse sein Prozeß. Wir geben nachfolgend die Darstellung seines erschütternden Lebensendes mit den Worten wieder, in denen sein Tod von M. Carriere in dessen Werk„ Die philosophische Weltanschauung der Reformationszeit" geschildert wird.
Bruno wurde angeklagt, nicht nur ein Ketzer, sondern ein Kezerfürst, ein Urheber neuer Irrlehren zu sein. Es lebte damals in Rom ein deutscher Gelehrter, Schoppe, mit lateinischem Namen Casparus Scioppius, der zu Neu- Marck in der Pfalz im Jahre 1576 als Protestant geboren, seinen Glauben abschwur und nun, als ein echter Renegat, ein wüthender Verfolger der Protestanten wurde. Derselbe zählt folgende Kezereien von Bruno auf:„ Es gäbe unzählig viele Weltkörper, nicht blos einen, die Erde mit dem Himmel, wie die Bibel lehre. Der heilige Geist sei nichts anderes als die Weltseele, und das habe Moses sagen wollen, als er ihn über den Wassern schweben ließ. Die Welt sei von Ewigkeit: Moses habe seine Wunder durch Magie gemacht, worin er den übrigen Aegyptern überlegen gewesen. Er habe seine Gesetze selbst gemacht; die heiligen Schriften seien ein Traum; Christus sei nicht Gott, sondern nur ein ausgezeichneter Magier gewesen u. s. w. Nachdem nun Bruno dem peinlichen Verhör Ser heiligen Inquisition in Rom Jahre hindurch unterworfen worden, mußte er," so fährt der hämische Augenzeuge Scioppius fort, am 9. Februar des Jahres 1600 mit gebogenen Knieen im Palast des Großinquisitors zu Rom den feierlichen Urtheils spruch entgegennehmen: Sein Leben, seine Studien, seine Lehre wurden dargestellt, und welchen Eifer die Inquisition angewendet,
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um ihn brüderlich*) zu ermahnen und zu bekehren, welchen Trotz und welche Gottlosigkeit er aber dagegen beiiesen; dann degradirten und erfommunizirten sie ihn und übergaben ihn der weltlichen Obrigkeit mit der Bitte, daß er so mild als möglich und ohne Blutvergießen**)( das heißt auf dem Scheiterhaufen! M. C.) bestraft werde. Da dieses geschehen war, sagte er nichts anderes als die drohenden Worte:„ Majore forsan cum timore sententiam in me fertis quam ego accipiam."( Mit größerer Furcht wohl sprecht Ihr dieses Urtheil gegen mich, als ich es empfange""***). So ward er denn von den Dienern des Gouverneurs in das Gefängniß zurückgeführt und dort beständig beobachtet, ob er vielleicht noch jetzt seine Irrthümer widerrufen wolle; allein vergebens. Heute( am 17. Februar 1600) wurde er also zum Scheiterhaufen auf den Campofiore geführt. Als man ihm, da er schon sterben wollte, das Bild des gekreuzigten Erlösers zeigte, wies er es mit froßigem Blick von sich zurück, und so verbrannte er und kam elendiglich um, damit er, glaube ich ,. in jenen übrigen Welten, die er sich dachte, verkündige, auf welche Weise gotteslästerliche und gottlose Menschen von den Römern behandelt werden."
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Giordano Bruno hat durch seinen Tod die todtüberwindende Macht der Idee glänzend bewiesen. Er ist als ein Blutzeuge der Wahrheit gestorben, ein Prophet der Geistesfreiheit und der allgemeinen Menschenliebe. So hat er selber voll Vorgefühls gesungen:
Der schönen Sehnsucht breit ich aus die Schwingen; Je höher mich die Lüfte heben,
So freier soll der stolze Flügel schweben, Die Welt verachtend himmelwärts zu dringen. Und mögt Ihr mich dem Jkarus vergleichen, Nur höher noch entfalt' ich mein Gefieder. Wohl ahn' ich selbst: einst stürz' ich todt hernieder. Welch' Leben doch kann meinen Tod erreichen! Und fragt mich auch das Herz einmal mit Zagen: Wohin, Verwegener, fliehst du? Wehe! wehe! Die Buße folgt auf allzufühnes Wagen!
Den Sturz nicht fürchte! ruf ich aus der Höhe. Auf! durch's Gewölf empor! und stirb zufrieden, Ward dir ein ruhmreich edler Tod beschieden.
Wiederum ist heute eine Zeit zurückgekehrt, die wohl Aehnlichfeiten und Parallelstellen genug darbietet mit der sturmbewegten Periode am Ende des Mittelalters. Wieder neigt sich heute eine abgelaufene Kulturentwicklung dem Ende zu, und eine neue pocht vernehmbar an den Thoren und beginnt Einlaß zu begehren. Aber ein bedeutsamer Unterschied waltet ob zwischen jener Zeit und heute. Damals war es eine winzig verschwindende Zahl von Männern, die das Wehen und den Geist der neuen Zeit verstanden; und das Licht einer schöneren Erkenntniß, dessen Bannerträger sie waren, fonnte nur einen sehr geringen Theil der Menschen mit seinen Strahlen durchdringen. Tiefe Nacht lag immer noch, auch später, auf der ungeheuren Mehrzahl der Menschen Jahrhunderte lang. Wenn damals ein Denker wie Bruno oder Spinoza die Augen schloß, so konnten sie für das Seelenleid und die Entbehrungen, die ihnen so vielfach das Leben dargeboten hatte, feinen anderen Trost mit sich nehmen als das innere, unumstößliche Gefühl, daß wohl einmal in einer unbestimmten Zukunft die traurigen Menschenzustände rings um sie her einem schöneren Erdendasein weichen müßten und daß dann auch eine erkenntliche Nachwelt ihres Vorkampfes und ihrer Ideen in Liebe gedenken würde. Ihr letter Blick aber in der damaligen Gegenwart fiel auf lauter Nacht und auf unabsehbares Elend. Die Epoche, die nun kommen will, stellt eine bei weitem erhöhte Entwicklungspotenz dar in der vorwärts schreitenden Reihe der unendlichen Zeit. Aber nicht nur die Mittel des Kampfes find gewaltiger, riesenhafter geworden, sondern auch die Kämpfer in ihrer Zahl. Heute ist es nicht mehr ein bloßes Gefühl, welches für die Zukunft Trost gewährt, sondern das erhebende Bewußtsein selbst kann nicht mehr unterdrückt werden tausend That sachen verkünden es auch dem blöden Auge- daß zum ersten
Durch die Tortur.
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**) Die Geschichte der Kultur der Menschen kennt wohl kein Bei
ſpiel einer blutigeren Heuchelei, als sie in diesen Worten der Religion der Liebe und Barmherzigkeit ausgesprochen ist: ,, Mild und ohne Blutvergießen." Das heißt auf dem Scheiterhaufen.
***) Diese Worte sind seitdem berühmt geworden und wurden noch in neuester Zeit angewendet,