mal jenes Dunkel, welches bis heute auf den Massen lagerte, sich aufzuhellen beginnt, daß diese selbst anfangen theilzunehmen an dem Aufbau einer schöneren Zeit, die ihnen und ihren Kindern und somit der überwältigenden Mehrzahl aller Menschen zugute kommen soll. Dem bequemen Einwand: Es ist immer so ge= wesen, es wird immer so sein!" kannst du heute mit Fug und flarem Blick das Wort Goethe's   entgegenhalten: Und was nie war, nun will es werden!" und wenn hin und wieder halbverzagte

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Stimmen klagen, daß wir auf Vulkanen tanzen, in deren Aus­brüchen mit dem Schlimmen zugleich wohl auch manches Schöne und Gute hinweggeschwemmt und vernichtet werden könnte, so mag, ihnen die Wahrheit des Dichterausspruchs zur Beruhigung dienenl Wo Lavaströme flossen,

Dort wächst der beste Wein; Drum muthig, ihr Genossen, Froh wird die Lese sein!

Alte Probleme in modernem Gewande.

I. Der Stein der Weisen.

Angesichts der erfreulichen Thatsache, daß die Naturwissen schaften in unserem Jahrhundert zu einer nie geahnten Bedeutung sich entwickelt haben, so daß es gegenwärtig kaum ein Gebiet menschlichen Wissens und menschlicher Thätigkeit geben dürfte, das sich gänzlich ihrem Einflusse entziehen könnte, dürfen wir es manchen Naturforschern nicht übel nehmen, wenn es ihnen geht, wie es den meisten Emporkömmlingen zu gehen pflegt, sie ver­gessen nämlich ihren niedern Ursprung oder schämen sich gar desselben, sie vergessen, daß der heutige Stand der Wissenschaft nur erreicht werden konnte durch Benützung dessen, was die voran­gegangenen Forscher geschaffen. Dies ist um so ungerechter, als wir heute vielfach noch mit denselben Aufgaben beschäftigt sind, an deren Lösung die Gelehrten des Mittelalters arbeiteten; die Art und Weise, wie, und die Gründe, warum man diese Pro­bleme heute zu lösen sucht, sind allerdings ganz andere, als früher, aber die Fragen, um deren Lösung es sich heute noch handelt, sind dieselben.

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Wahrscheinlich würde mancher Chemiker den Vorwurf entrüstet von sich weisen, daß er nach demselben Ziele, wie die Alchemisten strebe nach der Entdeckung des Steins der Weisen, und er hätte recht, wenn man als dieses Ziel die Erzeugung des Goldes blos uu seines Werthes willen annehmen würde; wenn man aber be­denkt, daß für ernste und gewissenhafte Forscher wie: Albertus Magnus  , Geber, Basilius Valentinus   u. a., und von solchen kann natürlich nur die Rede sein, nicht von gewissenlosen Aben­teurern und Betrügern,- deren es ja auch heute noch genug gibt, mehr als zu den finstersten Zeiten des Mittelalters wenn man bedenkt, daß für diese Männer der Werth des Goldes erst in zweiter Linie oder auch garnicht in Betracht kam, sondern lediglich die Frage, ob ein Metall in ein anderes verwandelt werden könne, so braucht man blos zu wissen, daß es der Chemie bis heute noch nicht gelungen ist, die Frage: was ist ein Ele­ment? zu beantworten, um die Uebereinstimmung beider Fragen klar vor Augen zu sehen. Es ist nämlich eine ziemlich un­bestrittene Annahme, daß die sogenannten chemischen Elemente, d. h. die Stoffe, welche wir mit unsern chemischen und physi­talischen Hilfsmitteln nicht weiter zerlegen können, nicht die legten Elemente der Materie sind, sondern durch sehr hohe Hißegrade, wie wir sie freilich wohl nie künstlich werden erzeugen können, weiter zerlegt werden, so daß sie nur als die verschiedenen Ver­dichtungszustände eines und desselben Stoffes anzusehen wären, nach welcher Annahme die Verwandlung eines Elementes in ein anderes wohl denkbar wäre.

Unterstützt wird diese Annahme durch die Ergebnisse der Spektralanalyse. Mit Hilfe dieses werthvollen Untersuchungs­mittels hat man nämlich gefunden, daß das Licht derjenigen Nebelflecke, welche keine fernen Sternhausen, sondern glühende Gasmassen sind, hauptsächlich aus zwei Lichtarten zusammengesetzt ist, welche von glühendem Wasserstoff- und Stickstoffgas aus­gestrahlt werden. Dieses Resultat befriedigt zunächst wenig, denn wenn dort nach der Kant- Laplace'schen Hypothese Welten ähnlich der unsrigen entstehen sollten, so müßten noch über 60 verschiedene Stoffe dort gefunden werden. Da wir alle Ursache haben, eine Gleichartigkeit des Stoffes, wie wir sie in unserem Sonnensystem beobachten, auch außerhalb desselben vorauszusetzen und in der Bildung jener Nebelwelten Spiegelbilder des Zustandes unserer eigenen Welt vor unendlichen Zeiträumen zu erblicken, so müssen wir versuchen, diese auffallende Erscheinung mit unsrer Erfahrung in Einklang zu bringen, und da gibt nun die Untersuchung des Lichtes der Firsterne interessante und überraschende Aufschlüsse. In dem Spektrum der hellsten, also auch der heißesten Sterne, wie z. B. des Sirius, treten nur die Linien des Wasserstoff mit einiger Deutlichkeit auf, und doch sollte man meinen, gerade hier

die meisten Elemente in Dampfform anzutreffen. Bei den Sternen mit gelblichem Lichte, welche in der Abfühlung schon etwas weiter vorgeschritten sind, wie unsere Sonne, erscheinen mehr und mehr von den übrigen Elementen, namentlich Metalle, während chemische Verbindungen bisjetzt noch nicht nachgewiesen werden konnten, welch' lettere dagegen bei noch weniger heißen, röthlich leuchtenden Sternen reichlich auftreten, während freier Wasserstoff meist fehlt, da dieser sich mit Sauerstoff zu Wasserdampf verbunden hat. In der Atmosphäre noch mehr abgekühlter Gestirne, z. B. der meisten Planeten, fommt gar kein freier Metalldampf oder Wasser­stoff mehr vor, und unser Mond, als Repräsentant einer Klasse von Gestirnen, bei denen die Abkühlung am weitesten vorgeschritten ist, hat überhaupt keine Atmosphäre mehr, auch der Wasserdampf und andere Gase sind verschwunden, vermuthlich aufgesaugt von der innern Masse des hinreichend erkalteten Gestirns, oder die Meerreste sind, wie du Prel annimmt, vergletschert; sie erscheinen als 3-4 Meilen breite Lichtstreifen an den sichtbaren Theilen der Mondoberfläche.

Auf Grund dieser Beobachtungen hat der Astronom Lokyer die Vermuthung ausgesprochen, diese verschiedenen Klassen von Weltkörpern könnten als verschiedene Entwicklungsstufen des Stoffes zu betrachten sein. Aus den Erfahrungen der Chemie ist bekannt, daß eine hohe Temperatur im Stande ist, die Wirkungen der chemischen Affinität aufzuheben, so daß mit ihrer Hilfe jede zusammengesetzte Substanz in ihre Bestandtheile zerlegt wird; man nennt dies erst vor kurzem als allgemeines Naturgesetz erkannte Verhalten Dissoziation, d. h. Auseinander­Es würde also nur einer ge­lösung der Stoffe durch Wärme. steigerten Temperatur bedürfen, um den Wasserdampf und alle gasförmigen Verbindungen, die sich in der Atmosphäre der rothen Sterne finden, auf den Elementarzustand zurückzuführen, in welchem sie sich auf den gelb leuchtenden Gestirnen befinden. Die fortschreitende Zahlverminderung der Elementarstoffe auf den heißeren Gestirnen gibt Grund zu der Vermuthung, daß auch die 63 Elemente durch sehr hohe Hißegrade weiter zerlegt und disso­ziirt werden könnten, wonach sie sich, wie gesagt, nur als die verschiedenen Verdichtungszustände eines und desselben Stoffes erweisen würden. Und zwar wäre der Wasserstoff oder ein diesem nächststehender Körper als dieser Grundstoff zu betrachten, aus welchem alle übrigen die Welt bildenden Stoffe hervorgegangen sind; er ist ohnedies der dünnste und leichteste aller bekannten Stoffe und bildet den Hauptbestandtheil der Nebelflecke und der weißen, also heißesten Gestirne.

Dieser Anschauung von der Einheit des Stoffes entspricht die allgemein anerkannte Einheit der Kraft; außerdem wird sie noch durch mancherlei Gründe gestützt: gewisse Regelmäßigkeiten in den die sogenannten Atomgewichte ausdrückenden Zahlen; der Um­stand, daß die Wärmekapazität der Elemente dem Atomgewichte umgekehrt proportional sich verhält; sowie verschiedene Analogien unter den einzelnen Elementen, die sich bei ähnlicher Dichtigkeit oft auch chemisch ähnlich verhalten u. dgl., deuten darauf hin, daß der Grundstoff, aus dem ihre kleinsten Theilchen bestehen, der= selbe ist.

Damit tämen wir wieder zu der einen Substanz Spinoza's mit ihren beiden Attributen des Denkens und der Ausdehnung, welche in sich selbst untrennbar vereinigt die Bedingungen zur Entwicklung einer Welt enthält. Natürlich darf man die glühenden Gasmassen der Nebelflecke nicht ohne weiteres als diese Ursubstanz betrachten, denn sie sind selbst schon eine Entwicklungsstufe, ein Gewordenes; wer aber den Gedanken des Monismus in der Tiefe faßt, wie ihn Spinoza   begründete, der wird keine Schwierigkeit finden, aus diesen Gasmassen, die alle Bedingungen dazu ent­halten, ohne fremdes Zuthun, die Mannigfaltigkeit des Welt­ganzen in der Zeit hervorgehen zu sehen.