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Komödiantenfahrten zwischen Trapezunt und Finme.

Von Dr. Max Traufil.

( Fortsetzung.)

Blizz! Wo bin ich hingerathen? Meine Phantasie ging mit mir durch; wir nähern uns ja erst Konstantinopel   und ich habe es schon zu schildern versucht. Die spannende Neugier der Passagiere des Nusrethieh" nimmt stetig zu; die Kinder unter­brechen ihre Spiele, ihre Mütter verlieren eine Strickmasche um die andere und den Vätern geht die Cigarre aus. Selbst in den trüben Augen des heute ausnahmsweise nicht betrunkenen Souffleurs oszillirt der letzte Rest seines geistigen Lebens.

Der Bosporus   verengt sich und hat vor Bujukdere das Aus­sehen des Sognedaler Fjords( Norwegen  ). Nur die in den Cypressenhainen und Mimosengärten versteckten Fischerdörfer Therapia und Untiarstelessi mit ihren verwahrlosten buntbemalten Holzhäusern, die sich im Meere spiegeln, mahnen uns daran, daß wir uns der Kalifenstadt am Goldenen Horn nähern.

Bei der nächsten Wendung des Schiffes um das Kap Diefter dar Burun ändert sich die Szenerie. Wir sind in den süßen Wässern Asiens  ". Von steiler Felsenwand drohen die Zwing burgen   Anatoli- Hissar und Rumeli- Hissar. Hier hatte Theseus  ' Argo ein Scharmüßel mit dem Skythenkönig Amykus, Darius führte hier über eine Schiffbrücke seine Horden zur Knechtung Griechenlands   und die Genuesen schlossen Jahrhunderte lang bei Nacht die Passage mit einer Eisenkette ab, damit sich niemand ohne Bosporuszoll durchschleiche.

Von Arnautköi bis Ortaköi wird der Strand belebt mit Villen, Schlössern und den beider kaiserlichen Palästen Sternenkiosk und Dolma Bagdsche. Saftiger Wiesengrund und schattige Lausch­plätzchen, wohin die Blicke streifen- jezt entringt sich der Brust ein bewunderndes Ah", ein hellschimmerndes Häusermeer er­scheint, das weit, weit gegen Süden an der thrakischen Land­zunge wie eine Fata morgana in farbigen Nebeln verschwindet; ein Chaos von Farben und Formen, ein unabsehbares Gewirr von Kuppeln, Minarets und Terrassen über sieben Hügel gebreitet, vom hellen Uferstreif der blauen, tiefeingeschnittenen Buchten um= säumt. Unser eisernes Dampfroß steht mit uns vor Topchana ( Hafenviertel) im Angesicht des die Úferhöhen hinankletternden Christenviertels Pera, im Süden Stambul  , die kuppelgeschmückte Türkenstadt, und auf dem blauen, vibrirenden Streifen des Goldenen Horn   ein Mastenwald von den langen Kolonnen der Schiffe aller Zonen und Völker, plumpe, goldstrogende Gondeln mit türkischen Würdenträgern, schlanke Kaits( Miethsboote), die wie Forellen zwischen den Wallfischen herumschießen, Ruderschlag und brausender Gischt, schrilles Pfeifen und eintöniger Matrosen­gesang, Kanonenſalven und an beiden Ufern sinnbetäubendes Menschengetümmel.

Mir war Konstantinopel   nicht neu, und wie mich der Roman schriftsteller Hackländer vor Jahren herumgeführt, so geleitete ich jezt meine Kollegen als Cicerone durch den Kirchhof menschlicher Größe. Auf einer dieser Wanderungen begegneten wir am Freitag ( dem türkischen Sonntag), dem Schatten Gottes auf Erden", dem Sultan   Abdul Medschid, einem Greis von 40 Jahren. Er schien während des Rittes zur Moschee auf dem von Pagen geführten Pferde zu schlafen. Ein Sinnbild des Islam! Die Pfahlwurzel des Verfalls der Türkei   ist der Islam. Seine fatalistische Grund­anschauung hat überall, wo er dauernd herrschte, die Initiative des Individuums erstickt und damit die Möglichkeit jedes Fort schreitens vernichtet. Mag der einzelne Mohamedaner noch so strebsam seiner steht unter dem Kismet, dem blinden Schicksal, und wird von dem Christen überholt, sobald beide bei gleichem Wind und Wetter in die Laufbahn treten. Auf dem Schlacht felde kann der mohamedanische Turane, der den gefunden Ver­stand des Menschen, die Kraft des Löwen mit der Treue des Hundes vereinigt, noch bedeutendes leisten auf der Feldflur, in der Werkstätte und Schule ist er von vornherein verloren. Der Effendi( Beamte) ist ein Automat und Sklave seines Berufes. Die auf Willkür beruhende Regierungsmaschine dreht sich nur auf der Steuerschraube. Der Ulema( Lehrer) und Kadi( Richter) ist ein zweibeiniger Koran  , in Schweinsleder gebunden. Der Jmam ( Pfarrer) und der Derwisch( Mönch) sind Faullenzer, die wie überall sich von der Dummheit mästen. Alle zusammen fühlen instinktiv, daß sie nicht nach Europa   gehören. Und erst der

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Harem solange dieser besteht, solange gibt es auf dem illyrischen Dreieck teine Jugenderziehung, kein Handwerk, keine Kunst und keine Wissenschaft. Chateaubrand zeichnet unendlich treffend diese Sachlage, indem er von den Türken sagt, sie seien in Europa   gelagert. Voll­ständiger kann kein Ausdruck die unverschämte Sorglosigkeit zur Darstellung bringen, mit welcher dieser ehrliche, aber faule Nomadenstamm alles um sich her verfallen läßt.

Das schrieb ich vor 20 Jahren in mein Tagebuch und heute neigt sich unter dem fahlen Scheine des abnehmenden Halbmondes der Thron der Osmaniden zum Sturze in den Hellespont   und Mohameds Volk liegt in den Zuckungen des Todeskampfes, ge= knebelt von den nordischen Barbaren  .

Kommen werden die Zeiten, wo Asiens   grimmige Horden uns auf's neue den Kampf bieten am Goldenen Horn  . Und wie die Väter gesiegt, so können die Enkel erliegen, denn der gläubige Muth fehlt, wie die riesige Kraft.

Dann ergießt sich der Schwarm, geführt von Attilas   Schatten, über den Stolz der Kultur ohne Erbarmen daher. Und seine Erben, die Russen?

Im Jahre 1769 sagte Friedrich der Zweite zu Kaiser Joseph  in Neisse  , es werde eine Zeit kommen, wo ganz Europa   gegen Rußland   zusammenhalten, müsse.

Es scheint, die Zeit sei da.

Haben denn die Rajahs( Nichttürken) den Rest von Menschen­würde, den ihnen die 400jährige Sklaverei belassen, bewahrt? Mit nichten!

Der Slave ist das einzige bildungsfähige, aber rohe Zukunfts-­material. Kein Baustein, nur Mörtel. Der Jude, wie überall blanker Kieselstein, wie ihn die Fluth­welle der Unterdrückung plättet.

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Völkerschutt.

Der Grieche und Armenier Der berühmte Orientalist Hammer- Burgstall behauptet, die Hunde, unter diesen vierfüßigen Schweifwedlern meint er die Griechen, verdienen garnicht, daß sich Europa   für sie interessirt. Es ist zwar nicht so schlimm, aber auch nicht viel besser.

Es mag wohl im Straßenkothe des Phanar( Griechenviertel) manche echte Perle der Weiblichkeit vergraben liegen; um aber dort einen ehrlichen Mann zu finden, muß man eine Tiogenes­laterne haben. Und doch werden die Phanarioten von den Armeniern an Geriebenheit noch übertroffen. Hier ein kleines Pröbchen davon.

Vor 30 Jahren hatte Konstantinopel  , auch das Christenviertel Bera nicht ausgenommen, so gut wie gar feine Straßenbeleuch tung. Mußte man nothgedrungen des Nachts ausgehen, so ließ man sich von einem Kawassen( Polizist) vorleuchten. Besagte zweibeinige Hermandad mußte dem Occidentalen zugleich die bissigen Herren und zahllosen Köter, die in der Dunkelheit ein ohrenzerreißendes Heulkonzert aufführen und mit fanatischer Derwischwuth nach europäischen   Schmalhosen schnappen, von den Waden fernhalten.

Zum allgemeinen und freudigen Erstaunen hatte ein arme­nischer Kaufmann, der dunkle Ehrenmann" hieß Basilios Naum, die nachahmungswürdige Idee gefaßt, auf seine Kosten Peras Hauptstraße mit Gas beleuchten zu lassen und bat nach Aus­führung des Aufklärungswunderwerks, wie es die Türken nennen, den Sultan  , die gemeinnügige Neuerung zu besichtigen.

Seine Majestät vergaßen vor lauter Entzücken das Einschlafen im Wagen und befahlen den Ghiaur( Ungläubiger) zur Audienz. Als nun einige Tage später der Armenier in Dolma Bagdsche ( Lieblingsschloß Abdul Medschids) vor dem Großherrn knieend sein Taminah( Gruß mit der Hand zur Erde, der Brust und Stirn) machte, geruhte ihn der Padischah mit einer seltenen Aus­zeichnung zu beglücken, nämlich ihn anzusehen. Direkt darf der Sultan laut Hofceremonie, deren Befolgung der verschnittene Haremsmarschall strenge beaufsichtigt, mit keinem Menschen sprechen; deshalb fragte nach einer feierlichen Pause, während welcher der gähnende Beherrscher der Gläubigen die parfümirten Bernsteinkugeln seines Rosenkranzes mechanisch durch die Finger gleiten ließ, Izzed Effendi, der Geheimschreiber, den Armenier,