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denn dann hätte ich mir's sicher nicht nehmen lassen, ihr an die Hand zu gehen und ihr die Sorge für Sie abzunehmen."

" Ja, wissen Sie denn, ob ich mit dem Tausch zufrieden ge­wesen wäre?"

" Ich denke doch, und wenn Sie selber erst nicht gewollt hätten, würden Sie mir es denn verwehrt haben, wenn ich Sie recht darum gebeten hätte?"

,, Wenn Sie freilich ein Paar so bittende Augen dazu gemacht

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hätten, wie jetzt, wäre mir das Verbieten wohl recht sauer ge­worden. Wenn die beiden Alfrede diese Augen gesehen hätten!" ,, Aber ein klein wenig schlimm sind Sie doch nun, am Sonnabend! Und über Ihren Brief breite ich alle Hände!"

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hier ist er!

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Wolfgang reichte ihr die Hand hin, sie drückte sie stumm und huschte zur Thür hinaus und die Treppe hinab. ( Fortsetzung folgt.)

Voltaire und Rousseau und ihre kulturhistorische Mission.

Beitrag zur hundertjährigen Gedenkfeier am 30. Mai und 2. Juli 1878. Von C. Fehleifen.

( Fortsetzung.)

Die deutschen Geschichtschreiber der Philosophie pflegen Voltaire's | gebornen Jdeen nicht viel wußten, hegten den Verdacht, diese philosophische Bedeutung mit Geringschäßung zu behandeln. Diese Lehre könnte gefährlich sein, und als sie gar hörten, daß sie neu Ungerechtigkeit hat darin ihren Grund, daß Voltaire allerdings sei, verboten sie die Herausgabe, ließen Voltaire gefangennehmen

nie ein eigenes System aufgestellt hat, wie solches leider jeder deutsche Philo­sophie Professor thun zu müssen glaubt, allein er hat seinem Lande und in der Folge der ganzen Mensch­heit unendlich mehr genügt, dadurch, daß er den Baum der Freiheit aus England, wo derselbe im 17. Jahr­hundert schon so schöne Blüthen getrieben hatte, nach Frankreich verpflanzte, wo er in der Revolution so herrliche Früchte tragen sollte.

Bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts war die englische Literatur in Frank­ reich beinahe vollständig unbekannt; Voltaire war einer der ersten, welcher diese reiche Fundgrube des Wissens seinen Landsleuten erschloß; er war der erste, der Shakespeare studirte, er verbreitete die Schriften Locke's und machte die großartigen Entdeckungen Newtons populär, in welch' letzterer Arbeit ihn übri­gens seine Freundin, die Marquise du Châtelet, nicht wenig unterstützte. Seine Bewunderung eines Volkes, welches seine Könige bestraft und seine Geistlichkeit im Zaume

J. J. Rousseau .

gehalten hatte, wirkte ansteckend. Die ausgezeichnetsten Männer Frankreichs richteten ihre Blicke jetzt nach England, dessen Beispiel aber eine Liebe zum Fortschritt in ihnen anregte, die sie bald mit den herrschenden Klassen in Unfrieden brachte, weil bei diesen noch der alte stationäre Geist herrschte. Diese Opposition war eine heilsame Reaktion gegen den schmählichen Knechtsinn, durch den sich die Schriftsteller unter Ludwig XIV. ausgezeichnet hatten; leider hatten sich der Adel und die Geistlich­keit so sehr an die Gewalt gewöhnt, daß sie nicht den geringsten. Widerspruch ertragen wollten, und als jene großen Schriftsteller es unternahmen, der Literatur ihres Vaterlandes einen freien Forschungsgeist einzuflößen, wurden die regierenden Klassen zu einem Haß und einer Eifersucht aufgeregt, die alle Grenzen über schritten und einen Kreuzzug gegen das Wissen erzeugten, in dessen Schoße die Revolution heranreifte.

Unter dem Titel Philosophische Briefe" veröffentlichte Voltaire die in England gewonnenen Eindrücke, aber zu seinem Unglück nahm er darin Locke's Gründe gegen angeborne Ideen auf. Die Beherrscher von Frankreich , obgleich sie wahrscheinlich von an­

und sein Werk von Henkers­hand verbrennen.

Auf dem Boden der Naturwissenschaft, den man immer als neutrales Gebiet betrachtet hatte, herrschte derselbe despo­tische und verfolgungs­süchtige Geist, ein Bericht über die Arbeiten Newtons wurde verboten; man wußte damals so gut, wie man dies auch heute noch weiß, daß Dummheit und Aber­glaube die sichersten Hülfs­mittel sind, die Völker in Knechtschaft und Unter­würfigkeit zu erhalten, des­halb widersetzte man sich jeder Art von Wissenschaft und Aufklärung. Die be­rühmte Encyklopädie, an welcher die größten Ge­lehrten arbeiteten und deren Herausgabe die Re­gierung anfänglich erlaubt hatte, wurde später ver­boten. Rousseau wurde aus Frankreich vertrieben und seine Werke öffentlich verbrannt; letzteres geschah auch mit der berühmten Abhandlung Ueber den Geist" von Helvetius ; der Naturforscher Buffon wurde gezwungen, öffent­lich Lehren zu widerrufen, deren Richtigkeit jetzt all­gemein anerkannt ist. Es

werden wenige Schriftsteller von Bedeutung zu nennen sein, deren Werke nicht verboten oder verbrannt und die nicht in den Kerker oder in die Verbannung geschickt worden wären. Je größer und bedeutender der Mann, desto größer die Verfolgung, der er aus­gesetzt war; die natürliche Folge war, daß diese Männer und ihre Werke an Popularität gewannen und daß sie in glühendem Hasse gegen ihre Verfolger ihre Anstrengungen verdoppelten, Institutionen zu stürzen, unter deren Schuße eine so ungeheure Tyrannei ausgeübt werden konnte.

Voltaire war es, welcher am erfolgreichsten diese Intoleranz bekämpfte, er beschränkte sich dabei auf die Gegenwart und hielt mit Recht das Niederreißen schon für ein gutes Werk; denen, die ihn darob tadelten und wissen wollten, was er an die Stelle setzen wolle, sagte er: Wie, ich habe euch von einem reißenden Thiere befreit, das euch verschlang, und ihr fragt mich noch, was ich an seine Stelle sege?" Damals, wie auch heute noch, galt das Niederreißen alter, morscher Staats- und Kirchen­einrichtungen für gefährlich oder gar verbrecherisch, man wollte vorher das, was an die Stelle treten sollte, sehen und erproben,