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die zusammengeströmt war, um die Ruinen in Augenschein zu nehmen. Das Theater der Porte St. Martin brannte noch; das Pflaster vor dem Triumphbogen war aufgerissen. Von hier bis zum Boulevard Montmartre schien Paris   seine gewöhnliche Lebens­weise wieder aufgenommen zu haben. Die Kaffees waren von Besuchern überfüllt. Wer, der diese lebhafte, fast heitre Menge sah, hätte gedacht, daß im selben Augenblick tausende von Männern und Frauen in ungeheuern Schlachthöfen niedergemezelt wurden? Auf dem Boulevard Montmartre verließen wir unsere Wirthin. Die brave Frau umarmte uns mit Thränen in den Augen und sprach die Hoffnung aus, uns wiederzusehen. Wie groß waren während dieser wilden Jagd die Frauen von Paris  ! Sie nahmen die Flüchtlinge auf und verbargen sie mit Gefahr der Freiheit und vielleicht des Lebens; in dieser Stunde machte man keinen Unterschied zwischen dem Geächteten und dem, der ihm ein Asyl gewährte. Die Mutter eines versailler Soldaten versteckte bei sich mehrere hervorragende Persönlichkeiten der Commune; die einen brachen den Willen ihrer Männer, die andern stritten sich um das Vorrecht, den am ärgsten Verfolgten Schuh gewähren zu dürfen.

Die erste große Gefahr war überstanden. Wir hatten die gefährlichsten Stadttheile hinter uns, aber wohin uns nun wenden? Die Nacht brach an, und es thut nicht gut, des Nachts in einer Stadt spazieren zu gehen, die mit Sturm genommen ist und sich im Belagerungszustand befindet. Humbert hatte keinerlei gesell­schaftliche Beziehungen in diesem Quartier. Die meinen waren zahlreich, aber hat man auch in solchen Stunden das Recht, sich seiner Bekannten zu erinnern? Der erste, zu dem wir gingen, ein Doktor der Medizin, einer meiner Freunde und Mitlegionäre, sagte uns: Ich bin bereit, euch zu verbergen, aber ich befürchte eine Haussuchung. Dombrowski hatte am Sonntag meine Er­nennung zum Major unterzeichnet." Wir durften die Gefahr, in der er bereits schwebte, nicht vergrößern. In der Rue Lafayette blieb eine Thür, an die wir klopften, geschlossen; der Hausmeister, der uns eingelassen hatte, ohne ein Wort zu sagen, lief uns nach und fuhr uns auf offener Treppe barsch anwir mußten die Flucht ergreifen. Auf dem Plazz St. Georges rief der, welchen wir aufgesucht hatten, aus:" Ich hielt euch für todt!" schien, uns zu bemitleiden und bot uns für den nächsten Tag seinen Beistand an, überließ es uns aber, einstweilen anderswo ein Nachtquartier zu suchen.

Entmuthigt verließen wir ihn. Um uns wenigstens äußerlich eine sichere Haltung zu geben, zündeten wir uns, indem wir das Trottoir der Rue Notre Dame de Lorette zurückverfolgten, eine Cigarre an. Plötzlich stürzten zwei wüthende Individuen auf uns zu: Hinüber auf den Fahrweg!" schrieen sie uns an ,,, auf den Trottoirs wird nicht geraucht." Sie gehörten zu jenen Dumm­köpfen, die vor den vermauerten Fenstern ihrer Keller Wache hielten und in jedem Raucher einen Brandstifter sahen. Die Bourgeoisie war durch ihre Blätter, welche seit der Straßen­schlacht eine neue Auflage aller der Verleumdungen veranstalteten, welche man gegen die Junikämpfer von 1848 erfunden hatte, glücklich in die Weißglühhize des Fanatismus und der Angst versetzt worden und schenkten den ungeheuerlichsten Fabeln Glauben. Behauptete nicht sechs Monate später ein Abgeordneter, ein Mit­glied der parlamentarischen Enquete, über den 18. März, er habe

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Firnißballons gesehen, die mit einem dem Zahn einer Viper ähn­lichen goldnen Häkchen versehen waren und die Föderirten hätten zwanzigtausend solche Ballons anfertigen lassen, um die Soldaten zu vergiften?

Wir gingen die Straße des Faubourg Montmartre wieder hinab, mechanisch, ohne Plan und Ziel, als wir aus der Rue Bergère eine Patrouille auf dem Fahrweg auf uns zukommen sahen und zwar eine Patrouille Brassardiers!

Es waren das jene feigen und grausamen Bürger, die wäh­rend der Commune demüthig und gesenkten Hauptes umher­schlichen, aber nach dem Triumph der Armee aus ihren Löchern hervorkrochen. Ihr Erkennungszeichen war eine dreifarbige Arm­binde( brassard). Seit sechs Tagen stritten sie sich mit den Soldaten um die Ehre, zu arretiren und zu füfiliren, und kühlten unter dem Schuße der militärischen Gewalt ihren privaten, ihren Straßen- und Stadtviertelhaß. Ju dieser Stunde, wo alle Läden geschlossen und die Straßen verödet waren, mußten wir ihnen verdächtig erscheinen. Aber wir hüteten uns wohl, die Flucht zu ergreifen und setzten unsern Weg inmitten der Fahrbahn fort, um direkt auf sie zu stoßen. Die Dunkelheit( denn das Gas war verlöscht) verschleierte die Nachlässigkeit unserer Toilette. Sie machten vor uns Halt und der Anführer fragte in hoch­fahrendem Tone:

Wo wollen Sie hin?" Nach Hause?" Wo wohnen Sie?" ,, Cité Bergère."

Woher kommen Sie?"

Vom Platz St. Georges."

Bei wem waren Sie da?"

Nummer bei meinem Freunde." " Hm!"

"

" Wenn Sie uns nicht glauben wollen, so lassen Sie uns nach der Cité begleiten."

Allem Anschein nach ließ er sich durch unsere unbefangenc Sicherheit und durch die Raschheit unserer Antworten überzeugen, denn er fuhr in etwas milderem Tone fort:

Wir können nicht anders, meine Herren. Es gibt augen­blicklich so viele Schufte, die ganz wie anständige Leute aussehen. Machen Sie übrigens, daß Sie nach Hause kommen."

Wir hüteten uns wohl, ihm zu erwidern, daß die, welche augenblicklich für Schufte gälten, eigentlich die anständigen Leute seien und die, welche sich für anständig hielten, oft die wirklichen Schufte, und gingen das Faubourg hinab. Mich in meine Wohnung zu begeben, erschien mir noch immer als der Gipfel der Unklugheit, aber wo die Nacht zubringen? Das Boulevard war öde, denn die Truppen biwackirten hauptsächlich in den Faubourgs, aber wir konnten bei jedem Schritt vorwärts neuen Patrouillen begegnen, die vielleicht weniger umgänglich, waren als die erste. Aller Wahrscheinlichkeit nach war das Ende vom Liede unsere Gefangennahme. In der Angst versuchten wir es nochmals mit dem Abenteuer vom Morgen und wiederum gelang es. Ein unscheinbares Gasthaus in der Rue Montmartre nahm uns auf.

Wie viele von unseren Freunden machten zur gleichen Zeit in ( Schluß folgt.) Angst und Sorge genau dasselbe durch!

andern an Bezeigung der allerdemüthigsten Unterwürfigkeit zu über­bieten. Alle Tage um 5 Uhr speiste Alexander bei Napoleon  . Zu dieser Mittagstafel waren nie mehr als 5 oder 6 der in Erfurt   an­wesenden Fürsten geladen. Einst unterhielt man sich bei der Tafel über die deutschen   Reichsinsignien, zu denen der König von Württem­berg allen Ernstes die goldene Bulle  " rechnete. Rußlands   Kaiser hatte auch wohl schon einmal von der goldenen Bulle gehört und wandte sich um nähere Auskunft über dieselbe an die anwesenden Herzöge und Fürsten  , aber keiner vermochte rechten Bescheid darüber zu geben. Napoleon   blickte voll Ironie die deutschen Fürsten   an und sagte: Die goldene Bulle

Merkwürdige Gelehrsamkeit. Der Friede von Tilsit war ab­geschlossen, Napoleon   stand scheinbar auf dem Gipfel seiner Macht. Ich sage scheinbar, denn schon regte sich im preußischen Volke jener ge heime Groll und Haß, den der korsische Tyrann mehr fürchtete, als offenen Widerstand. Seine Heere sogen zwar wie Vampyre das Mark des Landes aus, die Legion der Spione war überallhin verbreitet, aber doch ließ sich dieser Geist nicht dämpfen. Desterreich machte die größten Rüstungen zu einem neuen Kampfe, Spanien   erhob sich wie ein Mann gegen den Unterdrücker, selbst im eigenen Heere zeigten sich Spuren der Unzufriedenheit, hervorgerufen durch des Kaisers launenhafte Willkür und den schnödesten Egoismus. Auch Rußlands   Kaiser Alexander zeigte nicht mehr jenes blinde Vertrauen, welches er ein Jahr früher offen bart. Napoleons   Scharfblicke konnten solche Veränderungen nicht fremd bleiben, er hielt es daher für rathsam, ehe er nach Spanien   ging, seine Freundschaft mit Alexander durch eine persönliche Zusammenkunft zu ,, Aber wann und wo haben Eure Majestät diese gründlichen Studien befestigen. Als Ort der Zusammenkunft war die Stadt Erfurt   be­stimmt, die dem französischen   Kaiserthum einverleibt worden war. Außer den beiden Kaisern hatten sich noch 4 Könige, 5 Großherzöge, 34 Herzöge, viele Fürsten   und Prinzen des Rheinbundes mit ihren Generalen, Ministern, Diplomaten 2c. eingefunden, und einer suchte den

so nannte man jene Urkunde, durch welche Karl IV.  im Jahre 1356 auf dem Reichstage zu Nürnberg   die Bestimmungen über die Kaiserwahl und die Rechte der Kurfürsten feststellte." Alle waren verwundert, und Alexander konnte die Frage nicht unterdrücken: gemacht?" ,, Das war zu Brienne, als der Fähndrich Bonaparte sich um das Patent eines Sonslieutenants bewarb," war die Antwort. Aber Napoleon  Die hohen Herren verstummten wie Schulbuben. hatte wohl ein Recht, sie zu verachten, die so wenig die Geschichte H. St.

kannten!

Nr. 38

1878