den Festungen oder in den sibirischen Bergwerken begnadigt worden wären.
Daß die Revolution aber Desterreich und die übrigen deutschen Staaten bis in ihre Grundvesten erschüttert hatte, war Rußlands Vortheil. Es konnte Hülfe gewähren gegen die Revolutionäre, es rettete Desterreich und ward Schiedsrichter über Deutschland . Der Versuch, nunmehr die orientalische Frage auf gut russisch zu lösen, führte jedoch zu gefährlichen Verwicklungen. Frankreich und England traten auf die Seite der Türkei und ließen im September 1854 ihre Armeen zum Angriffskriege gegen Rußland in der Krim landen.
Und Rußland stand dieser Koalition ohne Alliirte gegenüber. Preußen verharrte in vorsichtiger Neutralität und Desterreich hätte dem Helfer in der Revolutionsnoth seinen Dank am liebsten mit Kanonenkugeln ausgezahlt.
Der Czar Nikolaus ging düsteren Sinnens umher-- seine Macht bedrohten mächtige Feinde und seine Gesundheit war von einer tückischen Erkältung heftig erschüttert.
Trotzdem feierte der Hof in Petersburg Feste. Bebte auch der Boden unter den Füßen der russischen hohen Gesellschaft, so mußte sie sich doch tanzend und scherzend über den Ernst der Lage täuschen.
Auf den 10. Februar 1855 hatte der Kaiser eine Landpartie festgesezt. Es sollte ein großes Fest werden, und man glaubte diesmal ein besonderes Recht zur Freude zu haben, denn ausnahmsweise lauteten die Nachrichten vom Kriegsschauplaze einmal günstig. Sebastopol war unerschüttert, die Feinde wurden zu tausenden von ansteckenden Krankheiten dahingerafft, und Stürme hatten ihre Flotten arg beschädigt.
So ging's denn zu Schlitten lustig über Landin's tau rische Palais. Nach der Tafel überfiel den Czaren die alte Lust am Herumstöbern und flugs schritt er, in alle Winkel schauend und nach dem Zwecke jeder nicht ganz gewöhnlichen Bagatelle fragend, durch das weite Haus.
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Im entferntesten Winkel des entferntesten Flügels bemerkte er eine Treppe. Wohin führen diese Stufen?"
" Zu den Dachräumen," antwortete der begleitende Palastbeamte.
,, Was enthalten sie?"
Alte Möbel und dergleichen."
Nikolaus stieg die Treppe hinauf. Eine verschlossene Thür sperrte sie ab.
Wo ist der Schlüssel?" Niemand wollte es wissen.
„ Ein Beil!"
Unter einem wuchtigen Hiebe brach das morsche Holz zusammen. Durch ein halberblindetes Dachfenster fielen die Strahlen der untergehenden purvurnen Abendsonne schräg auf eine merkwürdige graue Gestalt. Der Czar trat überrascht näher. Da erkannte er den räthselhaften Gast. Der alte hohnlachende Todfeind, dessen Gespenst zum erstenmale nach der Verschwörung von 1825, zum zweitenmale im Jahre der europäischen Revolutionen und nun- gerade mitten in dem gewaltigsten und an Niederlagen reichsten Kampfe, den Nikolaus je geführt, zum drittenmal ihm in den Weg trat.
Ein Schauer überrieselte den eisernen Gewaltmenschen. Er rief es nicht, er stieß es wuthschäumend, fast brüllend hervor: " Zermalmt das Scheusal und werft es in die Kloake!" In furchtbarer Aufregung verließ Nikolaus sofort und ganz ohne Begleitung zu Schlitten den Ort des Festes. Auch den Abend über blieb der Kaiser allein und in der Nacht erkrankte er heftig, um uicht wieder zu genesen.
Am 10. Februar 1855 war das Gespenst der Volksaufklärung dem ärgsten Tyrannen des 19. Jahrhunderts zum drittenmale erschienen, am 18. Februar sant er in's Grab.
Aber der marmorne Voltaire Katharina's II. lebt heute noch und lächelt in der kaiserlich russischen Bibliothek höhnisch wie zuvor auf seine kaiserlich russische Umgebung herab. G.-L.
Weltausstellungsbriefe.
IV.
( Das Aquarium. Die Chinesen. Die Japanesen. Der indische Schay des Prinzen von Wales. Der Kohinor. Der persische Palast. Algier . Tunis . Marotto.) Noch immer kann man von einer Fertigstellung und Vollendung der Weltausstellung nicht sprechen, so schön und brillant erfunden auch die Phrasen sind, mit welchen die pariser Zeitungsschreiber in ihren Berichten die zahlreichen Lücken zu umgehen suchen. Ich führe nur ein Beispiel an, das Süßwasseraquarium im Trocaderopark. Die Einrichtung ist allerdings vollendet und verdient als ein Meisterwerk belobt zu werden. Man denke sich in ziemlich großem Umfange eine allerliebste kleine Felsenpartie mit Grotten, Hügeln, Bergpfaden 2c., welcher die künstliche Entstehungsart durchaus nicht anzumerken ist. Ueber Brücken und Stege muß man wandern und behutsam auftreten, um nicht zufällig in eins der zahlreichen Bassins zu fallen, die von der großen Trocaderokaskade durch Röhren und eingebettete Bäche gespeist werden. In der Mitte der Anlage befindet sich ein kleiner Hügel mit einem offenen Säulenpavillon, von dem aus man eine hübsche Uebersicht über die ,, Trocaderoschweiz" hat. Alles Geschilderte befindet sich unter freien Himmel. Sehr überraschend für die Besucher ist es, daß sich unter dieser hübschen Außenseite eine noch viel interessantere Innenseite befindet. Man steigt auf bequemer Felsentreppe fast drei Meter tief in die Erde und gelangt in eine unterirdische Grotte mit großen Bläßen und engen gewundenen Gängen. Labyrinthartig schlingen sich dieselben durcheinander und werden erhellt durch Fenster! Aber diese Fenster empfangen nicht direkt das Himmelslicht, sondern durch große Wasserbassins hindurch. Die letzteren sind dieselben, welche wir erst von oben betrachtet haben. Nun können wir von der Seite hinein blicken und übersehen weit besser die großen mit phantastischen Felsstücken angefüllten Räume. Umsonst spähen wir jedoch nach Fischen, welche bisjetzt nur in ganz geringer Anzahl vorhanden sind, da die meisten Wasserbehälter zur Aufnahme derselben geeignet sind. Der Kalkstein, aus welchen sie zusammengesetzt, macht das Wasser noch allzu schmußig und ehe sich dasselbe nicht klar und rein erhält, dürften die Bewohner des flüssigen Elements kaum ihr Leben in ihm fristen können. Spazieren wir im Trocaderopark noch ein wenig umher, so gelangen wir bald zu den Chinesen, die dortselbst einen niedrigen Palast aus Holz errichtet haben. An demselben fallen besonders die nach oben gebogenen Dachgesimse mit spizzulaufenden Ecken auf und die zahlreichen Holzschnitzereien, welche die Wände bedecken. Es grinsen uns abscheuliche Götter und Thierfraßen aus ihnen entgegen und kein Europäer wird an denselben ein ästhetisches Gefallen finden. Es läßt sich aber nicht läugnen, daß die Chinesen eine ungemeine Geschicklichkeit in der Holzichnißerei haben und mit derselben eine ausdauernde Arbeits
kraft und Arbeitslust verbinden. Bei der Herstellung dieses Baues sind nur Hände und Handwerkzeuge, nicht eine einzige Maschine verwendet worden, und daher kommt es auch, daß die Chinesen in ihren sonderbaren Ornamenten und Verzierungen viel mannigfaltiger und fantastischer sind als wir Europäer bei unsern Bauten. Die Maschinen arbeiten vielleicht ebenso genau und scharf wie die fleißigen Chinesenhände, können aber ihre Fabrikate nur nach einer Schablone herrichten. Schön und malerisch machen sich die Farben des chinesischen Palastes, hauptsächlich der richtig zur Verwendung gekommene Goldlack, in dessen Zubereitung die Söhne des ,, himmlischen Reichs"( so nennen die Zopfträger ihr großes Vaterland) eine große und viel beneidete Geschicklichkeit besigen. Sie theilen dieselbe mit ihren Nachbarn, die zugleich ihre ärgsten politischen Feinde sind, den Japanesen. Das Geheimniß der Bereitung des Geldlacks sowie anderer Farben und Tuschen liegt weniger in der Auswahl der Rohstoffe, welche sie der üppigen Pflanzenwelt ihres Landes entnehmen, sondern vielmehr in der vorsichtigsten und langwierigsten Behandlung dieser Stoffe, welche seit uralten Zeiten in China bekannt und stets die nämliche geblieben ist. Ein kleiner Gegenstand, z. B. eine Schale, eine Dose aus Holz, Kupfer 2c., welcher lackirt werden soll, wird nicht einfach übergestrichen, sondern wohl dreißig, vierzig mal, und häufig verschiedenen Temperaturen ausgeseßt, sodaß die Fertigstellung besonders werthvoller Gegenstände oft monatelang dauert. Auch wird während der Lacirung mit größter Aengstlichkeit darauf geachtet, daß auch nicht ein einziges Staubtheilchen der Luft den Lack verunreinigt. Um das zu verhüten, begeben sich die Arbeiter in kleinen oder größeren Schiffen, die man wohl schwimmende Fabriken nennen kann, auf das Meer und zwar soweit hinaus, daß der Wind ihnen kein Staubkörnchen mehr zutragen kann. Europäische Schiffsreisende haben mehrfach vier bis fünf Stunden weit von der Küste solche Schiffe, die sich flottenweise vereinigen, angetroffen. Natürlich ist diese Herstellungsart außerordentlich zeitraubend. Aber in China und Japan haben die Leute noch Zeit; der Grundsaß: ,, Time is money", der in unserm europäischen und nordamerikanischen Jr.dustrieleben eine so wichtige Rolle spielt, ist bei ihnen noch nicht zur Geltung gekommen. So arm auch die niederen Volksschichten in den ostasiatischen Ländern sein mögen, Hunger und Durst aus Mangel an Arbeit erleiden sie selten. Um die soeben beschriebenen zeitraubenden Arbeiten verrichten zu lassen, gebrauchen die reichen Unternehmer stets sehr viele Arbeiter, die, wenn man nicht mit der Heßpeitsche( wie bisweilen bei uns) hinter ihnen steht, außerordentlich pflichtgetreu ihrer Aufgabe obliegen. Die Chinesen sind bekannt als das nüchternste Volk der Erde und erst neuerdings durch die Einführung des Opiums theilweise demoralisirt worden. Sowie die Nordamerikaner die Rothhäute durch Branntwein ihrer natürlichen Kraft berauben, so verlocken die Engländer die Chinesen zur Unthätigkeit durch Einführung des berauschenden Giftstoffes. Es