den zu Gebote stehenden Nahrungsmitteln nichts vergeuden wollen und können, dürfte sich nach obigem das Kochen mit der Schale empfehlen, es wird dadurch ein Fünftel des in den Kartoffeln überhaupt vor­handenen plastischen( d. i. blut- und fleischbildenden) Nährstoffes mehr nugbar erhalten. R.-L.

Das

Schweinefett und Talg als Nahrungsmittel. Wenn im Laufe der heiligen sozialen Ordnung" die Lage des arbeitenden Volks glück­lich wieder dahin gebracht ist, daß es seine Kraft um jeden Preis verkaufen muß, um nur das Leben für den nächsten Tag zu fristen, sehen wir unter andern regelmäßig die Erscheinung eintreten, daß der Konsum von Fleisch and Butter abnimmt, dagegen als naturgefeßlich nothwendige Beigabe zu der in größerer Quantität als sonst kon­sumirten, weil billigeren, vegetabilischen Nahrung, auch die billigeren Gewebsfette vom Schwein, Rind und Hammel in steigendem Maße verwandt werden. Wir möchten dem Vieh blos das Fett ausschneiden und es mit dem übrigen Fleisch wieder laufen lassen," kann man heutigen Tages die Schlächter in Arbeitervierteln sagen hören! Der übergroßen Nachfrage wegen lassen sie sich natürlich nun auch ihre Fettwaare theurer bezahlen als anderes Fleisch. Und doch ist diese Quelle für den armen Mann häufig noch die billigere, weil er wenigstens sieht, daß er reines Fett für sein theures Geld erhalten hat. Schweinefett, das im ungeschmolzenen Zustand beim Händler oft billiger zu haben ist, ist nämlich von spekulativen Profitmachern nicht unberück­sichtigt geblieben. Es wurde schon früher vor einem Kunstprodukt öffentlich gewarnt, das unter dem Namen ,, Hamburger Stadtschmalz" ein Speiseschweinefett darstellte, das mit nicht weniger als 20 Prozent Specksteinpulver verfälscht war. Aber auch feingemahlener Thon, Kreide, Gips, Schwerspath, Kartoffelmehl sind gelegentlich in derartiger, zum besten des armen Volkes einige Pfennige billiger verkaufter Waare" zu finden. Dies Geschäft kann sich um so besser halten, als eben grade der arme Mann das jetzt gekaufte Fett in der nächsten Stunde verzehrt und weder übriges Geld hat, um es, auch wenn es ihm verdächtig vorkommt, untersuchen lassen zu können, noch Zeit und Rath, um es vor dem Verbrauch selbst zu prüfen. Wird es mit Brot verzehrt oder als Beigabe direkt in Speisen gemengt, so machen sich diese Beimischungen dem Auge garnicht, höchstens nur dem Magen und dem betrogenen Organismus als beschwerender Ballast bemerklich. Eine einfache Probe auf die Reinheit des Schweinefettes kann man anstellen, indem man einen kleinen Theil in einem Fläschchen mit dem fünffachen Volumen Aether übergießt, gut verkorkt, die Flasche kurze Zeit in lauwarmes Wasser hält und dann tüchtig schüttelt. Reines Fett löst sich klar auf und darf höchstens nur ein wenig Wasser hinterlassen. Die Verfälschungs­mittel aber sehen sich als undurchsichtiger Saß zu Boden. Dem Gebrauch der festeren thierischen Fette, des Talgs, die hauptsächlich als Beigabe an Gemüse und Saucen verwandt werden, steht häufig, auch wenn dieselben frisch und unverdorben sind, ein für viele Leute un­überwindlich unangenehmer Geruch und Geschmack, eben der Talg­geschmack, entgegen. Dem Rindstalg läßt sich derselbe am leichtesten benehmen durch das von vielen Hausfrauen schon angewandte Verfahren, den Talg mit Milch gemischt, unter fleißigem Umrühren solange zu kochen, bis alle Wassertheile verdampft sind. Der unangenehme Ge­schmack verschwindet dadurch so vollständig, daß diese Fettsubstanz zu jedem Gebrauch, sogar zu Backwerk, ohne Bedenken benutzt werden fann. Ein einfaches Verfahren, Talg jeder Art durch Entfernung der fremdartigen Bestandtheile( die aus nur sehr geringen Mengen ge­wisser Fettsäuren bestehen) genießbar zu machen, fand Casthelay durch Versuche während der Belagerung von Paris . Er empfiehlt danach, den Talg zur Reinigung mit einer schwachen Sodalösung zu vermischen, ihn dann durch Zusatz von mehr Wasser wieder abzuscheiden und zu waschen und diese Behandlung, je nach der Beschaffenheit, zwei- bis dreimal zu wiederholen. Die Waschungen müssen mit heißem Wasser ausgeführt und die Mischungen eine Viertel- oder halbe Stunde im Kochen erhalten werden. Es werden dadurch gewisse flüchtige Sub­stanzen ausgetrieben. Das Wasser enthält dann jene Säuren und ent­wickelt mit Schwefelsäure einen höchst unangenehmen, ranzigen Geruch. Der Talg aber hat nur noch einen schwachen Fettgeruch, der beim Gebrauch zum Kochen oder Braten von Kartoffeln oder Fleisch ver­schwindet.

R.-L.

Der Abschied des Calas von seiner Familie. Zur Erinnerung an die Gedenkfeier des Geistesherven Voltaire reproduzirt Buchhändler C. Rüll in Nürnberg ( Firma J. L. Loybecks Verlag) ein Kunstblatt, gestochen nach einer Handzeichnung des berühmten Künstlers Chodowiecki , enthaltend den Abschied des Calas( nicht Salas, wie in Nr. 38 der ,, N. W." im Artikel Voltaire und Rousseau irrthümlich gesezt ist), jenes Kaufmanns, der als ein Opfer leichtsinniger Rechtspflege gerädert ward und dessen Ehre, nach seinem Tode freilich, durch die unausgesetzten Bemühungen Voltaire's wiederhergestellt wurde. Das Blatt machte Das Blatt machte seinerzeit bei seinem Erscheinen großes Aussehen und ist noch heute sehr

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geschäßt von Sammlern und Kunstfreunden. Die neuen Abdrücke sind sehr schön, und der billige Preis( von 2 Mark) dürfte beitragen, das Kunstblatt, das eine schöne Zimmerzierde abgibt, weiter zu verbreiten.

Aerztlicher Briefkasten.

Terlin. Robert K. Wir halten es für sehr fraglich, ob Ihr ein­jähriges Töchterchen, welches an der englischen Krankheit leidet, durch Vermeidung der Milch und durch ausschließlichen Genuß von rohem Rindfleisch, rohem Schinken, Bouillonsuppen und dergleichen geheilt werden wird, fürchten vielmehr, daß es durch diese einseitige Ernährung zugrunde geht. Versuchen Sie es nochmals mit der Milch. Seßen Sie derselben aber die in jeder Apotheke käuflichen Hartenstein'schen Leguminosenpräparate Nr. 2 zu, derart, daß Sie von jedem die Hälfte geben. Richtig zubereitete Leguminose ist sozusagen flüssiges Fleisch. Wollen Aermere sich die Leguminose selbst bereiten, so geben wir hier eine einfache Vorschrift: Ein Pfund geschälte Erbsen läßt man zwölf Stunden in etwas kaltem Wasser quellen, schüttet sie hierauf in 1½½2 Liter Wasser, welchem eine Messerspiße voll doppeltkohlensauren Natrons zu­gesetzt wurde, und kocht sie zwei bis dreimal auf. Hierauf läßt man die Flüssigkeit sich absetzen. Das schwerverdauliche Stärkemehl und die pflanzliche Cellulose sinken zu Boden, während in der trüben Flüssig­feit selbst sich das gelöste Legumin befindet. Letztere gießt man ab und verwendet sie nun zum Auskochen von Knochen, zu Weizenmehlsuppen und dergleichen, oder man setzt sie zur Milch, der bei jüngeren Kindern etwas Milchzucker beigegeben werden muß.

Neudorf. R. B. Sie schreiben uns: ,, Wenn ich mich bücke, habe ich immer heftigen Blutandrang nach dem Kopfe, sowie zu Zeiten starkes Nasenbluten. Ich trinke leidenschaftlich bayrisch Bier. Was ist dagegen zu thun?" Wollen Sie Sich diese Frage nicht selbst beantworten?

Glauchau . Frau K. Ein Mittel gegen Kropf wollen wir Ihnen nennen, wenn Sie uns Ihre Adresse angegeben haben.

Zur Beantwortung ungeeignet sind die Briefe von Gustav M., Karl R- t, C. F. St., B. G- n und 2. L- t in Berlin , K. in Altona , C. S. in Halle und G- t in Bremen .

Die übrigen Briefschreiber erhielten, soweit es thunlich, direkte Ant­wort; Frl. F. S. in Altona soll eine solche nach Einsendung ihrer Adresse bekommen.( Schluß des Briefkastens am 21. Juni.) Dr. Resau.

Redaktions- Korrespondenz.

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Sch. Direktor einer Seiltänzergesellschaft. Die früheren Jahrgänge der N. W." find noch zu beziehen. Die Werke Darwins oder, was zu Ihrer Belehrung zweckmäßiger sein dürfte, Büchners ,, Darwinische Theorie" oder Dodel- Borts Wesen und Be­gründung der Abstammungs- und Zuchtwahltheorie"( das legte sehr billig!) sind durch jede Buchhandlung zu haben. Das Buch der Erfindungen" ist für denjenigen, der Zeit und Geld genug hat, eine Reihe dicker Bände mit größter Sorgfalt durchzuftudiren, von entschiedenem Werthe. Ihre Besorgniß bezüglich der möglichen Verheerungen durch den unlängst hereingebrochenen Reaktionsturm geht vielleicht doch zu weit. Auch von dem weißen Schrecken, der als Radikalmittel gegen den nur in der Einbildung Unwissender und in der Erfindung Böswilliger drohenden rothen Schrecken angewendet werden soll, wird sich wohl mit dem bekannten Sprüchwort prophezeien lassen: Gestrenge Herren regieren nicht lange! Dresden . An den Schwerverwundeten von St. Privat. Wir werden Ihre Er­innerung an jenen mörderischen Kampf mit unwesentlichen Korrekturen zum Abdrnd bringen. Das ,, Bourgeoisfräulein", welches sich von dem Geliebten zurückzieht, weil er Sozialist und ein ehrenwerther Mann ist, der seine Gesinnung in den Tagen allgemeiner Anfeindung seiner Partei nicht wechselt, verdient so hübsche Abschiedsverse nicht. Das Gedicht Freiheit" ist nicht inhaltreich genug. In der Behandlung poetischer Formen sind Sie anerkennenswerth gewandt; senden Sie uns weitere Produkte Ihrer Muse ein! Laugallen. W. R. Auch Ihre leyte Sendung enthält nichts, was wir veröffent lichen könnten. Der gute Wille allein genügt nicht.

Jackson( Michigan , Vereinigte Staaten . G. 2. Als wir die Ihnen fatale Kor­respondenznotiz erließen, wußten wir sehr gut, was wir thaten. Wir wollten und mußten Sie nachdrücklich darauf aufmerksam machen, daß ungünstige Mittheilungen über irgend­einen Menschen nur dann von Werth find, wenn Sie mit Beweisen belegt werden können. Die Angelegenheit, welche Sie gegen Hrn. B. aufgebracht hat, ist uns von ganz verschiedenen Seiten dargelegt worden, aber immer in einer Weise, die einen ernstlichen Vorwurf für B. ausschließt. Wir wurden sogar versichert, daß Sie ganz dasselbe gethan hätten, was Sie an B. so bitter tabeln, nur wäre Ihre Thätigkeit geringer gelohnt worden, als die B's. Sei dem nun, wie ihm wolle, in feinem Falle können wir für es ein Verbrechen be­trachten, wenn jemand gegen Honorar einen Vortrag hält, sobald er nur nicht mit solchem bezahlten Vortrage seine eigene Ueberzeugung verräth. Für Ihre sonstigen Mittheilungen über amerikanische Verhältnisse wissen wir Ihnen Dant.

B. Regierungsrath 8. Daß Sie aus der N. W." die Ueberzeugung gewonnen haben, es handle sich uns ,, allen Ernstes" um die Belehrung und Veredlung des Bolks, ist uns nicht ,, sehr gleichgiltig", wie Sie für möglich halten, sondern freut uns auf richtig, denn daraus, daß Sie sich um diese Ueberzeugung bemüht haben, geht uns ersprießliches, achtungswerthes Wert betrachten, und es gewährt uns in der jeben ebel­hervor, daß auch Sie die Belehrung und sittliche Veredlung der großen Masse für ein

denkenden Menschen so sehr anwidernden Misere der Gegenwart eine besondere Genug thuung, mitunter einen höheren Beamten nicht nur als persönlich hochachtbar zu erkennen, sondern auch einen solchen nicht völlig blind zu sehen dem Kerne unserer Bestrebungen gegenüber. Daß wir auf so objektive Beurtheilung seitens der Ihnen Rahestehenden im allgemeinen nicht rechnen können, wiffen Sie am besten; und daß solche Objektivität weit über das geistige Maß der Allgemeinheit hinausgeht und nur von geistig Hoch­hässigkeit der Erbitterung in's Auge zu schauen, welche uns aus den Kreisen der theil­befähigten errungen werden fann dieses Bewußtsein ermöglicht uns, ohne jede Ges weise ja sehr gebildeten höheren Beamtenwelt gemeinhin entgegenschlägt. ( Schluß der Redaktion: Montag, den 24. Juni.)

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Inhalt. Ein verlorener Posten, Roman von R. Lavant ( Forts.). Ein protestantischer Papst( mit Illustration). Das Märchen, literarhistorische Stizze von M. Wittich. Das Gespenst der Volksaufklärung. Weltausstellungsbriefe.( IV.) Eiweißgehalt in Getreide und Kartoffeln. Schweinefett und Talg als Nahrungsmittel. Calas' Abschied von seiner Familie. Aerztlicher Briefkasten. Redaktionskorrespondenz. Verantwortlicher Redakteur: Bruno Geiser in Leipzig ( Blagwißerstraße 20). Druck und Verlag der Genossenschaftsbuchdruckerei in Leipzig .

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Expedition: Färberstraße 12. II.